Der neue Bußgeldkatalog wird wieder verschoben
Das halten die verschiedenen Organisationen vom geplanten Bußgeldkatalog
Berlin (ots)
Nachdem die StVO-Novelle letztes Jahr aufgrund eines Formfehlers gescheitert war, sollte der Bundesrat am 17. September 2021 über die neue Version abstimmen. Trotz der Ankündigungen der Politik ist dies nicht der Fall. Der Grund dafür liegt im CDU/CSU-geführten Bundesverkehrsministerium. Dieses hatte wohl Sorge, dass das Vorantreiben des verschärften Bußgeldkataloges durch das Ministerium wahltaktisch ungünstig wahrgenommen wird. Es lieferte den Entwurf erst Anfang September, also zu spät, zu. Dies wirkt etwas befremdlich. Bevor der Bundesrat abstimmt, entscheidet vorab noch der Verkehrsausschuss über seine Empfehlung. Da sich die Länder im Vorfeld allerdings bereits einig waren und der Neufassung zustimmen wollten, wird der Verkehrsausschuss den Entwurf vermutlich durchwinken. So kann der Bundesrat den neuen Bußgeldkatalog in der nächsten Sitzung nach der Wahl beschließen. Von Verbänden und Vereinen gab es vorab viele Stellungnahmen zum neuen Bußgeldkatalog. Wer dabei welche Positionen vertritt, erklärt die Berliner CODUKA GmbH - Betreiber des Portals www.geblitzt.de.
Stellungnahmen der Interessenverbände
Schon bei den Geschwindigkeitsüberschreitungen scheiden sich die Geister in den unterschiedlichen Organisationen. Während der ADAC, der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) sowie der Deutsche Städtetag die neuen Sanktionen bei Tempoüberschreitungen begrüßen, sind die Vertreter der Radfahrer und Umweltverbände, wie beispielsweise der ADFC oder der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV), eher enttäuscht und fordern früher greifende Fahrverbote.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft sowie die Gewerkschaft der Polizei haben eine dritte Perspektive. Beide Gewerkschaften sind für frühere Fahrverbote, sehen aber einen generellen Änderungsbedarf des Bußgeldkataloges. Die Gewerkschaft der Polizei fordert sogar die Anpassung der Bußgelder an ein internationales Niveau.
"Grundsätzlich hat man das Gefühl, als handle es sich beim neuen Bußgeldkatalog um Flickschusterei", sagt Jan Ginhold, Geschäftsführer und Betreiber von Geblitzt.de.
Ein Beispiel dafür ist die vom Fachverband Fußverkehr Deutschland angebrachte Kritik, warum das Befahren oder Halten auf dem Geh- oder Radweg geringer sanktioniert wird, wenn ein entsprechendes Verkehrszeichen angebracht ist.
Darüber hinaus kritisieren sowohl die Deutsche Polizeigewerkschaft als auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, dass die Sanktionen für E-Scooter nicht verschärft werden. So zahlen Verkehrsteilnehmer künftig 55 statt 10 Euro, wenn sie vorschriftswidrig Gehwege, linksseitig Radwege, Verkehrsinseln oder Grünanlagen befahren. Für E-Scooter gilt dies jedoch nicht. Die Sanktionen für Elektrokleinstfahrzeuge, zu denen auch E-Scooter gehören, sind separat im Bußgeldkatalog unter der Nr. 238 BKatV zu finden. Dort hat die Politik aber nichts geändert.
"Anhand der Kritik deutet sich an, dass der Bußgeldkatalog nicht vorausschauend angepasst wurde. Die Probleme, die E-Scooter in den Städten bereiten, wurden nicht angegangen. Anstatt die Bußgelder im Allgemeinen nur zu erhöhen, hätte man in Sachen E-Scooter doch ein Eingreifen erwartet", so Ginhold dazu.
Positionen zu Park- und Halteverboten
Bei den Park- und Halteverboten sind sich die Interessenverbände ebenfalls nicht einig. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), der Verbund Service und Fahrrad (VSF) sowie der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) begrüßen die neuen höheren Sanktionen, die beim Parken und Halten auf Geh- und Radwegen sowie in zweiter Reihe künftig fällig werden, uneingeschränkt.
Etwas differenzierter sehen dies die anderen Verbände. Während der ADAC kritisiert, dass die Regelungen überzogen sind und die Punkte nicht in die Systematik passen, gehen andere Verbände weiter in ihrer Kritik. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung fragt sich, wie künftig Versorgung und Lieferungen sichergestellt werden, und fordert Ausnahmeregelungen. So argumentieren auch der Bundesverband Paket und Expresslogistik e. V. (BIEK) sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), dass gewerbliche Verkehrsteilnehmer häufig keine andere Möglichkeit hätten, und stellen die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen infrage. Der Bundesverband Spedition und Logistik bekräftigt ebenfalls das Fehlen von Alternativen in Städten. Er ist zudem der Meinung, dass eine Folgenabschätzung vorab geholfen hätte, dies zu erkennen, da auch der Online-Handel stetig wächst. Insgesamt sind sich alle einig: Der Konflikt wird auf dem Rücken der Handwerker und Lieferanten ausgetragen.
Ginhold dazu: "Die Kritik der Verbände ist in diesem Punkt nachvollziehbar. Lösungsansätze für den Lieferverkehr und Online-Handel wurden von der Politik vergessen. Ein ganzheitlicher Ansatz für den Verkehr fehlt. Es wird nur an einzelnen Stellschrauben gedreht. Wir brauchen aber zukunftsfähige Lösungen für alle Verkehrsteilnehmer. Im Zuge der Diskussion um die Park- und Halteverstöße haben wir von Geblitzt.de beschlossen, künftig auch diese Verstöße zu bearbeiten. Mit Inkrafttreten des neuen Bußgeldkataloges können sich Verkehrsteilnehmer, denen vorgeworfen ein Bußgeld wegen Parken oder Halten auf einem Geh- oder Radweg droht, an uns wenden und den Vorwurf von unseren Partneranwälten prüfen lassen."
Sicherheitsabstände
Viel zu gering seien die neuen Sanktionen bezüglich der Sicherheitsabstände, findet beispielsweise der ADFC. Die Deutsche Polizeigewerkschaft, der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, der Verkehrsclub Deutschland e. V. (VCD), der Verbund Service und Fahrrad (VSF) sowie Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) schließen sich dem an. Ein fester Mindestabstand sei nicht notwendig gewesen, meint hingegen der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. (BGL).
Weiterhin wünschen sich sowohl die Deutsche Polizeigewerkschaft als auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat bei sogenannten "Dooring-Verstößen", also der Gefährdung von Radfahrern durch das Türaufreißen, ein höheres und angemessenes Bußgeld, um der Gefahr gerecht zu werden.
Verwarngelder
Grundsätzlich unterscheidet man im Verkehrsrecht zwischen Verwarngeld und Bußgeld. Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten kann die zuständige Behörde ein Verwarngeld von fünf bis 55 Euro ansetzen. Bei den Verwarngeldern kommt hinzu, dass die Fahrereigenschaft keine Rolle spielt. Ist die zu zahlende Summe höher, handelt es sich um ein Bußgeld und es entsteht eine zusätzliche Bearbeitungsgebühr von 25 Euro plus Auslagen. Im neuen Bußgeldkatalog wird bereits ab einer Überschreitung von 16 bis 20 km/h ein Bußgeld fällig und kein Verwarngeld mehr wie bisher.
Sowohl der Deutsche Städterat als auch der ADAC wollen, dass die Grenzen für Verwarngelder erhöht werden. Die Motive dafür fallen aber ganz unterschiedlich aus.
Laut dem Deutschen Städtetag werde die Zahl der Bußgelder steigen. Zudem erwartet er, dass die neuen niedrigen Sanktionen weiterhin wenig Anreiz bieten, sich an die Vorschriften zu halten. Im Fall der Halte- und Parkverstöße müsse zukünftig mit dem Vorwurf der Behinderung und Gefährdung auch der Fahrer ermittelt werden. Daher rechnet der Deutsche Städtetag mit einem erheblichen Mehraufwand in der Fallbearbeitung und einer Steigerung des Personalbedarfs.
"Der Bundesrat rechnet im Gegensatz zum Deutschen Städtetag nicht mit höheren Kosten durch den neuen Bußgeldkatalog. Offensichtlich ist aber, dass wenn es künftig zu weniger Verwarnungen undmehr Bußgeldverfahren kommt, so wie es der Deutsche Städtetag erwartet, der Aufwand steigt. Behördenmitarbeiter müssen in jedem Bußgeldverfahren die Fahrereigenschaft mithilfe von Meldestellen feststellen. Es müsste also definitiv Geld in die Hand genommen werden, um der Lage Herr zu werden. Wir können die Sorge des Deutschen Städtetags daher nachvollziehen. Wir sehen täglich, dass die Behörden und Gerichte schon jetzt bei den Bußgeldverfahren nicht hinterherkommen. Auch hier wurde nicht zu Ende gedacht", so Jan Ginhold.
Der ADAC hat eine etwas andere Herangehensweise und kritisiert, dass Betroffene künftig in Bußgeldverfahren "gezwungen" werden, was seitens des ADAC nicht nachvollziehbar ist. Zudem hätten Betroffene Verwarnungsbescheide eher akzeptiert als Bußgeldbescheide. Folglich könne dies zu höheren Einspruchszahlen führen und die Gerichte stärker belasten.
"An der Forderung des ADAC wird sehr deutlich, wie jede Organisation ihre eigenen Interessen vertritt. Da der ADAC auch einer der größten Anbieter für Verkehrsrechtsschutzversicherungen in Deutschland ist und bei Verwarngeldern keine Kosten einer juristischen Überprüfung übernimmt, möchte er natürlich, dass die Verwarngeldgrenze hochgesetzt wird, um möglichst wenig Verfahren finanzieren zu müssen", erklärt Jan Ginhold. "So oder so können aber immer Fehler in Bußgeldverfahren passieren, Betroffene sollten daher ihre Bußgeldbescheide überprüfen lassen."
Ob und wann der neue Bußgeldkatalog in Kraft tritt, ist somit offen. Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass der Bundestag bei der nächsten Sitzung am 8. Oktober über den Bußgeldkatalog abstimmt.
Hilfe im Bußgeldverfahren über Geblitzt.de
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Quelle: Stellungnahmen der Verbände
Aktualisiert am 21.09.2021 10:10
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