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Industriepflanzen machen wenig produktive Standorte rentabel

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PRESSEMITTEILUNG DER UNIVERSITÄT HOHENHEIM

Schaufenster Bioökonomie:

Industriepflanzen machen unproduktives Ackerland rentabel

Europäisches Projekt mit Beteiligung der Uni Hohenheim erforscht, wie unrentable Äcker mit nachwachsenden Rohstoffen nachhaltig und wertschöpfend genutzt werden können.

Ungenutztes Potenzial: Rund 65 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Flächen in Europa sind für die konventionelle Landwirtschaft kaum oder gar nicht nutzbar. Dieses enorme Potenzial zu erschließen, ist das Ziel des europäischen Forschungsprojektes MAGIC. Forschende aus zwölf Ländern beschäftigen sich mit der Frage, wie Landwirte diese sogenannten marginalen landwirtschaftlichen Nutzflächen mit wenig Aufwand mit dem Anbau von Industriepflanzen wirtschaftlich rentabel nutzen können. Das Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie an der Universität Hohenheim in Stuttgart ist einer von 26 Kooperationspartnern in dem von der EU mit rund sechs Millionen Euro geförderten Bioökonomie-Vorhaben. Das Projekt gehört mit fast 400.000 Euro Fördergeld in Hohenheim zu den Schwergewichten der Forschung.

Rund 65 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, eine Fläche etwas größer als Frankreich, wurden in Europa aufgegeben, weil dort der Anbau von Nahrungsmittelpflanzen nicht mehr rentabel war. Ungünstige Bedingungen wie niedrige Temperaturen, Trockenheit oder übermäßige Nässe, Bodenprobleme oder auch steile Hanglagen machten die Bewirtschaftung dieser Flächen für die Landwirte uninteressant.

Das EU-Projekt „Marginal lands for Growing Industrial Crops: Turning a burden into an opportunity“, kurz MAGIC, soll hier Abhilfe schaffen. Seit mehr als drei Jahren beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zwölf europäischen Ländern mit der Frage, wie diese Flächen durch den Anbau von so genannten Industriepflanzen zugleich wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig genutzt werden können.

Industriepflanzen liefern nicht nur reichlich erneuerbare Biomasse zur Energieerzeugung, sondern auch für die Produktion biobasierter Rohstoffe. Diese sind wiederum Ausgangsmaterial für die Herstellung von modernen, hochwertigen Materialien, wie beispielsweise biobasierte Kunststoffe oder Verbundmaterialien, Schmierstoffen, Chemikalien und Pharmazeutika.

Nachhaltige Biomasseproduktion auf marginalen Flächen für eine wachsende Bioökonomie

Den Grundgedanken von MAGIC erklärt die Leiterin des Fachgebietes Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie an der Universität Hohenheim Prof. Dr. Iris Lewandowski: „MAGIC ist ein breit angelegtes Projekt, mit dem wir europaweit Landwirten Möglichkeiten zum Anbau von Industriepflanzen aufzeigen wollen und ihnen Entscheidungshilfe geben möchten: Angefangen bei der Kartierung von Flächen über Züchtung und Auswahl geeigneter Pflanzen bis hin zur Entwicklung von Anbau- und Ernteverfahren. Nicht zuletzt wollen wir auch Handlungsempfehlungen für Politiker erstellen, um diese Form der landwirtschaftlichen Nutzung zu unterstützen.“

So können durch den Anbau von Industriepflanzen einerseits marginale landwirtschaftliche Nutzflächen dazu genutzt werden, wertvolle Rohstoffe für Produkte mit einer hohen Wertschöpfung sowie für die Erzeugung von Bioenergie zu liefern, wobei zudem keine Konkurrenz zur der Nahrungsmittelproduktion entstehe.

Andererseits werde auch die Einkommensgrundlage der Landwirte verbessert. „Indem stillgelegte Flächen wieder nutzbar gemacht und damit aufgewertet sowie neue Märkte für die Biomasse erschlossen werden, verbessert sich auch das Einkommen der Anbauer“, fährt Prof. Dr. Lewandowski fort.

Verlust an Biodiversität, Bodenerosion und Freisetzung von Treibhausgasen verringern

Ihr Mitarbeiter und seit 2018 Leiter des Hohenheimer Arbeitspaketes Dr. Moritz von Cossel ergänzt: „Zudem trägt der Anbau von Industriepflanzen durch seine extensive Bewirtschaftungsweise dazu bei, den Verlust an Biodiversität, die Bodenerosion und die Freisetzung von Treibhausgasen zu verringern.“

„Das Großgras Miscanthus beispielsweise wächst bis zu 20 Jahre lang auf derselben Fläche, ohne dass der Landwirt den Boden bearbeiten muss“, beschreibt er. „Und da es im Frühjahr jeden Jahres geerntet wird, verhindert es nicht nur, dass bei heftigen Herbststürmen wertvoller Boden abgetragen wird, sondern trägt auch dazu bei, dass die Bodenfruchtbarkeit gefördert werden kann.“

Nachhaltigkeit spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewertung aller Maßnahmen. Denn der Nutzen des Anbaus von Industriepflanzen hängt sehr stark davon ab, ob es zu einer potenziellen Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion kommen kann, ob die Biodiversität und andere Ökosystemleistungen beeinträchtigt werden und welche Industriepflanzen und welche Bewirtschaftungsmethoden eingesetzt werden sollen.

Pflanze und Standort müssen zusammen passen

Ausgangspunkt für die MAGIC-Forschenden war die Frage, welche Pflanzen unter welchen Bedingungen für den Anbau auf marginalen landwirtschaftlichen Nutzflächen geeignet sind. „Obwohl Industriepflanzen meist eine andere Robustheit zum Beispiel gegenüber sandigen oder versalzten Flächen mitbringen als Nahrungspflanzen, sind auch sie nicht für alle Marginalstandorte geeignet“, erklärt Dr. von Cossel.

Deswegen wurden zunächst europaweit marginale landwirtschaftliche Nutzflächen erfasst und kartiert, auf denen Industriepflanzen, sozial-ökologisch und nachhaltigen Kriterien folgend, angebaut werden könnten. Zudem wählten die Wissenschaftler insgesamt 20 ein- und mehrjährige Pflanzenarten für weitere Anbauversuche aus – darunter auch wiederentdeckte alte Kulturarten wie Leindotter oder Färberdistel.

Dabei sind viele der Pflanzen mehrfach nutzbar. So wird beispielsweise aus den Samen des Nutzhanfs Öl gewonnen, während aus den Stängeln Fasern gewonnen werden.

„Angefangen beim Pflanzkübel über kleine Parzellen bis hin zu ganzen Feldern testen wir europaweit, wie sich die Pflanzen unter marginalen Wachstumsbedingungen entwickeln“, beschreibt Dr. von Cossel.

Spezielle Bewirtschaftungs- und Ernteverfahren

Darüber hinaus interessiert die Forschenden, welche Bewirtschaftungsmethoden sowohl mit dem geringsten Aufwand für den Landwirt als auch mit dem geringsten Eingriff in das Ökosystem verbunden sind. Dabei zeigte sich, dass vor allem die zum Standort passende Auswahl der Industriepflanzen ein entscheidender Faktor ist. Denn alle anderen notwendigen Maßnahmen, wie Bodenbearbeitung, Düngung, Unkrautbekämpfung, Bewässerung usw., hängen sehr stark davon ab, wie die Pflanze an den jeweiligen Standort angepasst ist.

Ebenso muss die Ernte-Technologie auf die jeweilige Pflanzenart zugeschnitten sein. Für die Ernte von Industriepflanzen kommen oft andere Ernteverfahren zum Einsatz als für Nahrungspflanzen. „Oftmals verfügen Landwirte nicht über das notwendige Wissen, wie und wann sie die Pflanzen anbauen und ernten müssen, und verzichten deswegen ganz auf den Anbau“, erklärt Dr. von Cossel.

Deswegen passen die Wissenschaftler vorhandene Ernteverfahren an die spezifischen Bedürfnisse an oder entwickeln auch neue Ernte-Methoden. Wie so ein angepasstes Ernteverfahren aussehen kann, beschreibt Dr. von Cossel am Beispiel des Nutzhanfs, der „doppelt“ geerntet wird: „Innerhalb eines Erntevorgangs werden zunächst die Samenstände geerntet und gesammelt und dann erst die Stängel der Pflanze abgemäht. So können beide Pflanzenteile getrennt weiterverarbeitet werden.“

Datenbanken und Entscheidungshilfen für Interessierte

Alle Erkenntnisse aus den Kartierungsarbeiten fließen in eine auf der Projekt-Website öffentlich zugängliche Datenbank ein. Besucher können sich so über den Status von marginalen Landflächen in ihrer Region informieren. Sie können aber auch dabei helfen, die Qualität der Karte zu verbessern.

Ergänzend gibt es auf der Website eine weitere Datenbank mit Informationen zu den 20 wichtigsten Industriepflanzen, die auf Marginalstandorten angebaut werden können. In Faktenblättern sind alle wesentlichen Informationen zu der jeweiligen Nutzpflanze zusammengefasst, angefangen bei ihren Boden- und Klimapräferenzen, über die Bodenvorbereitung und Aussaat, Wasser- und Düngebedarf, Krankheiten und Schädlingen, bis hin zu Erträgen und Verwendungszwecken sowie Besonderheiten zu Ernteverfahren und Lagerung.

Ein zusätzliches Entscheidungssystem gibt einen schnellen und anschaulichen Überblick über die geeignetsten Industriepflanzen für die gegebenen klimatischen und geologischen Standortbedingungen und soll Landwirten bei der Entwicklung nachhaltiger Industriepflanzenanbausysteme auf marginalen landwirtschaftlichen Nutzflächen helfen.

Weitere Informationen:

MAGIC-Homepage: http://magic-h2020.eu

Wissenschaftliche Veröffentlichung zum Projekt: https://doi.org/10.3390/en12163123

HINTERGRUND: Marginal lands for Growing Industrial Crops: Turning a burden into an opportunity (MAGIC)

An dem Projekt MAGIC sind 26 Kooperationspartner aus Universitäten und Forschungsinstituten sowie aus Unternehmen in ganz Europa beteiligt. Darunter auch Wageningen University and Research, AgroParisTech und die University of Bologna, mit denen sich die Universität Hohenheim in der European Bioeconomy University (EBU) zusammengeschlossen hat. Diese Allianz führender europäischer Bioökonomie-Universitäten wird von der Universität Hohenheim angeführt.

Das wissenschaftliche Konsortium von MAGIC leitet das griechische Centre for Renewable Energy Sources and Saving Foundation (CRES). MAGIC startete am 1. Juli 2017 und wird im Dezember 2021 enden. Die Europäische Union fördert MAGIC im Rahmenprogramm Horizon 2020 mit insgesamt fast sechs Millionen Euro. Davon entfallen rund 400.000 € auf die Universität Hohenheim, was es dort zu einem Schwergewicht der Forschung macht.

HINTERGRUND: Schwergewichte der Forschung

33,9 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2019 für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 350.000 Euro für apparative Forschung bzw. 150.000 Euro für nicht-apparative Forschung.

HINTERGRUND: Wissenschaftsjahr 2020|21 – Bioökonomie

In den Jahren 2020 und 2021 steht das Wissenschaftsjahr im Zeichen der Bioökonomie – und damit einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise. Es geht darum natürliche Stoffe und Ressourcen nachhaltig und innovativ zu produzieren und zu nutzen und so fossile und mineralische Rohstoffe zu ersetzen, Produkte umweltverträglicher herzustellen und biologische Ressourcen zu schonen. Das ist in Zeiten des Klimawandels, einer wachsenden Weltbevölkerung und eines drastischen Artenrückgangs mehr denn je notwendig. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgerichtete Wissenschaftsjahr Bioökonomie rückt das Thema ins Rampenlicht. An der Universität Hohenheim steht es im April unter dem Monatsschwerpunkt „Nachwachsende Rohstoffe und Co. – Alternativen für die Zukunft“.

Die Bioökonomie ist das Leitthema der Universität Hohenheim in Forschung und Lehre. Sie verbindet die agrarwissenschaftliche, die naturwissenschaftliche sowie die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät. Im Wissenschaftsjahr Bioökonomie informiert die Universität Hohenheim in zahlreichen Veranstaltungen Fachwelt und Öffentlichkeit zum Thema.

Wissenschaftsjahr 2020|21 BMBF: https://www.wissenschaftsjahr.de/2020-21

#Wissenschaftsjahr #DasistBioökonomie

Wissenschaftsjahr 2020|21 Hohenheim: https://www.uni-hohenheim.de/wissenschaftsjahr-2020-2021-biooekonomie

Bioökonomie an der Universität Hohenheim: https://biooekonomie.uni-hohenheim.de

Kontakt für Medien

Dr. Moritz von Cossel, Universität Hohenheim, Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie

T +49 (0)711 459 23557, E Moritz.Cossel@uni-hohenheim.de

Prof. Dr. Iris Lewandowski, Universität Hohenheim, Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie

T +49 (0)711 459 22221, E Iris_Lewandowski@uni-hohenheim.de

Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim

Text: Stuhlemmer

Universität Hohenheim
Pressestelle
70593 Stuttgart
Tel.: 0711 459-22003
Fax: 0711 459-23289
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