"Studierende brauchen Impfangebot noch diesen Sommer" - Jahresbericht des Rektors
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PRESSEMITTEILUNG DER UNIVERSITÄT HOHENHEIM
Jahresbericht des Rektors:
„Studierende brauchen Impfangebot noch diesen Sommer“
Erfahrungen der Uni Hohenheim aus 2020 betonen Notwendigkeit, endlich die Zukunft der jungen Generation zu sichern / Investitionen in Digitalisierung und klimaneutrales Bauen
Seit Frühjahr 2020 hielten Studierende und Beschäftigte den Betrieb der Universität Hohenheim in Stuttgart mit sehr, sehr viel Engagement durch alle Corona-Wellen hindurch aufrecht. Vor allem für Studierende bedeute dies, für das gesamtgesellschaftliche Ziel der Pandemiebekämpfung persönlich zurückzustecken, erklärte Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert bei der heutigen Präsentation des Jahresberichtes 2020. Nun dränge die Zeit, allen Studierenden noch in diesem Sommer ein verbindliches Impfangebot zu machen, damit diese dann hoffentlich im Herbst wenigstens teilweise wieder vor Ort studieren könnten. Ebenso zwingend seien Investitionen in Digitalisierung und klimagerechtes Bauen. Anlässlich von Gedankenspielen, das Promotionsrecht teilweise auf Hochschulen für Angewandte Wissenschaften auszuweiten, warnte er davor die Standards zu verwässern, die das Land bislang auch wirtschaftlich so erfolgreich gemacht hätten.
„Auf drei Wellen Corona-Pandemie kann ich als Rektor nicht zurückblicken, ohne zuallererst ein 11.000-faches ‚Danke‘ an jedes Mitglied dieser Universität zu sagen“, betonte Prof. Dr. Dabbert zu Beginn seiner Präsentation. Im Eiltempo und mit unglaublichem Engagement hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Lehre und Organisationsabläufe digitalisiert. Studierende hätten sich in die Umstellung eingebracht und das Beste aus der Situation gemacht.
„Dabei wurde auch Neues geboren“, so der Rektor. Als Beispiel nannte er das Seminar zur Anatomie der Nutztiere, ein Pflichtseminar für Studienanfänger:innen. Mit dem Wintersemester habe Prof. Dr. Korinna Huber, die klassische Vorlesung in einen Mix aus Vorseminar, synchrone Vorlesungen, Fragestunden per Videokonferenz und Praxisvideos umgestellt. Von den Studierenden sei sie deshalb für den Landeslehrpreis 2021 nominiert worden.
„Politik muss Ausgleich für die Defizite der vergangenen drei Semester schaffen“
„Neben Dank gebührt der aktuellen Studierendengeneration jedoch auch eine Perspektive, um persönliche und fachliche Fehlstellen von bislang drei Online-Semestern aufzufüllen!“, betonte der Rektor. „In Hohenheim gibt es Studierende, die die Hälfte ihres Bachelorstudiums absolviert haben, ohne die Universität von innen gesehen zu haben.“
Um ab Herbst 2021 endlich wieder gemeinsames Lernen und soziale Interaktion in Hörsaal, Labor und Gelände zu ermöglichen, brauche es für alle Studierende ein verbindliches Impfangebot noch diesen Sommer. Auch für eine Verlängerungsregelungen für BAföG oder Kindergeld sei die Politik gefordert.
„Sonderprogramm zur Universitäts-Digitalisierung ist dringend und lange überfällig“
Dringend notwendig sei nun ein lange schon überfälliges Sonderprogramm Universitäts-Digitalisierung. „Während der Krise sind die Universitäten mit eigenen Mitteln in Vorleistung gegangen, das Land hat in Nothilfe unterstützt. Mit dem neuen Prorektorat für digitale Transformation haben wir das Thema auch auf höchster Ebene in der Universitätsleitung verankert. Nun muss das Land eine fundamentale und umfassende Entwicklung Richtung Digitalisierung auch tragfähig finanziell untersetzen, wenn es seine globale Stellung in Wissenschaft und Wirtschaft nicht gefährden will.“
Die notwendige Digitalisierung umfasse alle Bereiche: Lehre, Forschung und organisatorische Abläufe. Der Finanzbedarf beziffere sich auf 100 Millionen Euro im Jahr allein für die Universitäten (ohne Medizin), davon mindestens 50 Millionen Euro dauerhaft über die Legislaturperiode hinaus, so eine Hochrechnung der Landesrektorenkonferenz.
„Klimaziele sind ohne Investition in Hochschulbau nicht erreichbar“
Trotz des Shutdowns habe es 2020 einige wichtige Baufortschritte auf dem Campus gegeben. Dazu gehörten der erste Teil des Phytotechnikums, das in den kommenden Jahren zum wahrscheinlich größten Hightech-Forschungsgewächshaus Europas ausgebaut werde. Außerdem die neue Landesanstalt für Bienenkunde in zeitgemäßer Holzbauweise.
„Dabei handelt es sich nicht nur um wichtige Infrastruktur für die Forschung. Die Gebäude sind auch in ihrer Energieeffizienz wegweisend“, berichtete Prof. Dr. Dabbert. Allerdings dominierten auf dem Campus weiterhin Sanierungsstau und Altbestände mit einem aus der Zeit gefallenen energetischen und baulichen Zustand.
Der Hochschulbau erweise sich deshalb als zentrale Stellschraube für einen klimaneutralen Campus. „Solange kräftige Investitionen und eine verbesserte Organisation des Hochschulbaus noch ausstehen, bleibt die angestrebte Klimaneutralität bis 2040 illusorisch“, schloss der Rektor.
Um die wichtigen Klimaziele zu erreichen, bedürfe es laut der Landesrektorenkonferenz ab dieser Legislaturperiode eine Pilotphase mit jährlich zusätzlich 200 Millionen Euro für Forschungsgebäude und -infrastruktur der Universitäten. Daraus solle jeder Universität ein Baubudget mit eigener Prioritätensetzung gestellt werden.
„Forschung fährt trotz Einschränkungen Erfolge ein“
Auch in der Forschung führte die Corona-Pandemie zu Einschränkungen, aber nicht zum Stillstand. Als Beispiel für herausragende Erfolge nannte der Rektor die Verleihung des prestigeträchtigen ERC Synergy Grants für die Systembiologin Prof. Dr. Waltraud Schulze. Im Herbst 2020 hätten die Universität Hohenheim und das Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart das gemeinsame „Kompetenzzentrum Biodiversität und integrative Taxonomie“ (KomBioTa) eingerichtet, das als eine zentrale Säule des Landes im Kampf gegen den Artenschwund fungiere. Ende 2020 sei der Startschuss für die Realisierung einer Bioraffinerie-Farm auf der Versuchsstation Unterer Lindenhof gefallen, die in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) betrieben werde.
Außerdem legte die Universität ein ungewöhnliches Programm für Corona-relevante Forschung auf: Forschende können bis zu 5.000 Euro Anschubfinanzierung für Projekte beantragen, die Pandemien als globale Herausforderung im Fokus haben.
Spitzenstellung der universitären Promotion muss erhalten bleiben
Anlässlich von Gedankenspielen, das Promotionsrecht teilweise auf Hochschulen für Angewandte Wissenschaft (HAW) auszuweiten, warnte Prof. Dr. Dabbert davor die Standards zu verwässern, die das Land bislang auch wirtschaftlich so erfolgreich gemacht hätten. So lasse sich an Publikationen und Forschungsgeldern objektiv belegen, dass der Forschungsfortschritt durch Hochschulen fast ausschließlich durch die Universitäten vorangetrieben werde.
Bei qualitätsgeprüften, internationalen und begutachteten Publikationen komme eine durchschnittliche HAW-Professur auf etwa drei Prozent der Veröffentlichungsleistung einer Universitätsprofessur. Bei den Forschungsgeldern, die die Deutschen Forschungsgemeinschaft nach strengen Kriterien vergibt, entspräche die Quote pro durchschnittlicher HAW-Professur 0,3 bis 0,4 Prozent der Universitätsprofessur (je nachdem, ob Medizin mitgerechnet werde, oder nicht).
Als Quellen nannte der Rektor die jährlichen Kennzahlen des Wissenschaftsministeriums zu Publikationen (jährlich über 25.000 Publikationen von Landesuniversitäten gegenüber 730 Veröffentlichungen der HAWs in Baden-Württemberg) und die Daten des statistischen Landesamtes für DFG-Forschungsmittel (365 Mio. Euro für die Landesuniversitäten zzgl. 116 Mio. Euro für die Universitätsmedizin gegenüber 1,4 Mio. Euro für die Landes-HAWs).
„Für Ausnahme-Professuren an HAWs mit universitätsähnlicher Forschungsleistung ist bereits eine Durchlässigkeit im System geschaffen: Seit 2018 können international sichtbare Professorinnen und Professoren einer HAW als assoziierte Forschungspersönlichkeiten an einer Universität verlässlich und gleichberechtigt auch Promotionen betreuen“, erklärte Prof. Dr. Dabbert. So habe auch die Universität Hohenheim insgesamt bisher schon vier forschungsstarke HAW-Professuren assoziiert.
Sein Fazit: „Als Hochschulen für Angewandte Wissenschaft leisten die HAWs einen gesellschaftlich wichtigen Beitrag, wenn es darum geht, die Lücke zwischen Forschung und Produktentwicklung zu schließen. Diese Arbeitsteilung sollte gestärkt werden. Ein „Dr. HAW“ bringt das Land hingegen international nicht weiter.“
Text: Klebs
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