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Margarete von Wrangell: 100 Jahre erste ord. Professorin Deutschlands

Margarete von Wrangell: 100 Jahre erste ord. Professorin Deutschlands
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GEMEINSAME PRESSEMITTEILUNG VON UNIVERSITÄT HOHENHEIM, MWK, LaKoG und VBWW

Margarete von Wrangell:

100 Jahre erste ordentliche Professorin Deutschlands

Pionierin für Frauen in der Wissenschaft und herausragende Forscherin / Festakt mit Ministerin Petra Olschowski MdL zum 100. Jubiläum der Berufung an die Uni Hohenheim

Es war ein steiniger Weg: Margarete von Wrangell wurde vor 100 Jahren als erste Frau auf eine ordentliche Professur in Deutschland berufen. Die Agrikulturchemikerin musste sich über viele Hindernisse hinwegsetzen. Als Professorin für Pflanzenernährung lehrte und forschte sie an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Am 27. März 2023 würdigen die Universität Hohenheim, die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an den wissenschaftlichen Hochschulen Baden-Württembergs (LaKoG), der Verband Baden-Württembergischer Wissenschaftlerinnen (VBWW) und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) die beeindruckende Forscherin mit einem Festakt an der Universität Hohenheim. Ihr Wirken ist noch heute spürbar, auch durch ihre wegweisenden Erkenntnisse zur Phosphatdüngung.

24,1 Prozent aller Professuren an den Universitäten Baden-Württembergs waren 2021 weiblich besetzt – so die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes. 25 Jahre zuvor lag der Frauen-Anteil bei lediglich 5,5 Prozent. Vor 100 Jahren war sogar diese Zahl noch unvorstellbar: Im Jahr 1923 wurde erstmals in Deutschland eine Frau auf eine ordentliche Professur berufen – die Chemikerin und Botanikerin Margarete von Wrangell an der Universität Hohenheim.

Frauen wie Margarete von Wrangell legten den Grundstein dafür, dass Frauen in der Wissenschaft immer sichtbarer und erfolgreicher werden. Das hebt der Rektor der Universität Hohenheim Prof. Dr. Stephan Dabbert in seiner Begrüßung an der Jubiläumsfeier hervor. „Entscheidend ist jedoch in der heutigen Zeit, dass wir uns aktiv für die Gleichstellung einsetzen. Bei uns an der Universität Hohenheim wirken zum Beispiel die aktive Rekrutierung von Frauen und das Programm MentHo (Mentoring Hohenheim). Der Frauenanteil in der Professorenschaft lag bei uns 2021 mit 27,8 Prozent zwar sogar über dem Landesdurchschnitt, doch damit können wir uns nicht zufrieden geben.“

Trotz aller Fortschritte sieht auch Wissenschaftsministerin Petra Olschowski nach wie vor erheblichen Handlungsbedarf: „Ein Jahrhundert nach Deutschlands erster ordentlicher Professorin sind wir noch weit von einer Parität von Frauen und Männern in der Wissenschaft und an unseren Hochschulen entfernt – aber erfolgreiche Gleichstellung muss unser Ziel sein“, so Petra Olschowski. Der Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt, dass selbst in den Ingenieurwissenschaften paritätische Frauenanteile möglich sind. „Gerade in den MINT-Fächern brauchen junge Frauen hierzulande mehr Vorbilder: Deshalb zählt jede zusätzliche Professorin. Für eine positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Baden-Württembergs sind wir auf unsere hochqualifizierten Frauen angewiesen!“ Das Land unterstütze diese Gleichstellungsziele unter anderem mit strukturellen Maßnahmen und individuellen Frauenförderprogrammen.

Namensgeberin für ein gleichstellungspolitisches Landesprogramm

Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Hohenheim Prof. Dr. Ute Mackenstedt formuliert ehrgeizige Ziele: „Bei den Studierenden hatten wir im Wintersemester 2021/22 rund 58 Prozent Studentinnen, bei den Promovierenden lag der Frauenanteil bei 54 Prozent. Wir streben auch auf Ebene der Professur eine paritätische Besetzung an.“

Dr. Dagmar Höppel (VBWW) und Dr. Birgid Langer (LaKoG) betonen, dass es auch auf Landesebene – bei allen Erfolgen – noch Luft nach oben gibt. In der Vergangenheit sei das Margarete von Wrangell-Programm ein wertvoller Baustein zur Frauenförderung gewesen, das die Habilitation von qualifizierten Wissenschaftlerinnen fördert. Das Land Baden-Württemberg hatte es 1997 erstmals ausgeschrieben. „Das Landesprogramm hat seitdem viel zur Förderung exzellenter Nachwuchswissenschaftlerinnen beigetragen“, legt Dr. Höppel dar. „Rund 60 Prozent der Fellows haben eine Professur erhalten, 90 Prozent sind in der Wissenschaft verblieben.“

Margarete von Wrangells steiniger Weg zum Erfolg

Margarete von Wrangells Pionierleistung sei beachtlich, erklärt Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern, Historikerin an der Universität Heidelberg. „Sie war in erster Linie Wissenschaftlerin und nicht Frauenrechtlerin. Doch der Wert von Netzwerken, auch Frauennetzwerken, in denen sie sich engagierte, war ihr sehr bewusst. Sie waren eine Ressource für sie als erste ordentliche Professorin Deutschlands. Als erste Frau in dieser Position hatte sie gegen massiven Widerstand zu kämpfen.“

„Von Wrangells Forschung, unter anderem mit Nobelpreisträgerin Marie Curie, erregte großes Aufsehen, so dass sie 1920 an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim habilitiert wurde“, berichtet die Expertin. „Doch ihre Forschungsleistung war nicht der alleinige Grund für ihre spätere Berufung: Die Düngemittel-Industrie stellte der Reichsregierung 75 Millionen Mark zur Errichtung eines Instituts für Pflanzenernährung zur Verfügung – gebunden an die Person von Wrangells.“

Als sie verlangte, auch einen ordentlichen Lehrstuhl übertragen zu bekommen, regte sich Widerstand im Hohenheimer Lehrerkonvent. Ihre späteren Kollegen bezweifelten bei einer Senatssitzung, „ob eine Frau in der Lage sei, ein Institut mit größerem männlichen Personal zu leiten.“ Anfeindungen gab es auch auf fachlicher Ebene: Kurz vor ihrer Ernennung wurden Plagiats-Vorwürfe laut, die jedoch im Sande verliefen.

Margarete von Wrangell machte daraufhin ihren Einfluss in Berlin geltend und überging damit den Hohenheimer Lehrerkonvent. „Das württembergische Ministerium reagierte: Hohenheim erfuhr zuerst aus der Presse von einem Erlass, nach dem von Wrangell mit Wirkung vom 1. Januar 1923 zur ordentlichen Professorin ernannt worden sei.“ Sie war für lange Zeit die einzige in Hohenheim – erst 1974 gab es mit Prof. Dr. Leonore Blosser-Reisen wieder eine ordentliche Professorin an dieser Universität.

Wegweisende Forschung, die noch heute aktuell ist

„Margarete von Wrangells Herz schlug ganz und gar für die Wissenschaft – und ihre Erkenntnisse waren richtungsweisend“, betont Prof. Dr. Torsten Müller. Er leitet das Fachgebiet Düngung und Bodenstoffhaushalt an der Universität Hohenheim. Zusammen mit Prof. Dr. Uwe Ludewig vom Fachgebiet Ernährungsphysiologie der Kulturpflanzen steht er damit in der Nachfolge der Pionierin.

Von Wrangell beschäftigte sich vornehmlich mit Phosphor – neben Stickstoff eines der wichtigsten Elemente für Düngemittel. „Sie erkannte, dass schwer lösliche Phosphate im Boden in pflanzenverfügbare Formen umgewandelt werden können“, erklärt der Agrarwissenschaftler. „Aufgrund dieser Erkenntnis konnte die Phosphatdüngung in Deutschland reduziert und optimiert werden. Das machte die deutsche Landwirtschaft damals unabhängiger von importierten Rohphosphaten.“

Denn Phosphat ist ein endlicher Rohstoff. Noch heute kommt die landwirtschaftliche Produktion weltweit nicht ohne zusätzliches Phosphat aus, das in natürlichen Lagerstätten abgebaut werden muss. „Gelingt es nicht, diese Ressource nachhaltiger zu nutzen, steuert die Menschheit auf eine ernste Krise zu. Phosphor ist als Nährstoff für Pflanzen, Tiere und Menschen unersetzlich.“

Die Universität Hohenheim arbeitet daher noch heute in zahlreichen Projekten daran, Phosphat ressourcenschonend einzusetzen und aus nachhaltigen Quellen zu gewinnen – aus Bioabfällen, häuslichem Abwasser oder Gärresten aus der Biogasanlage. „Unser Ziel ist eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft im Sinn der Bioökonomie“, schließt Prof. Dr. Müller.

HINTERGRUND: Zur Person Prof. Dr. Margarete von Wrangell

Die deutsch-baltische Adlige Margarete von Wrangell kommt am 7. Januar 1877 in Moskau auf die Welt und wächst in Reval (heute Tallinn) in Estland auf. Zunächst wird sie Lehrerin für Naturwissenschaften, doch dies füllt sie nicht aus. Ihre Berufung findet sie durch den Besuch eines Ferienkurses in Botanik an der Universität Greifswald. Sie schreibt sich als eine der ersten Studentinnen an der Universität Tübingen ein und promoviert 1909 in Chemie.

Anschließend forscht sie unter anderem mit dem Nobelpreisträger Sir William Ramsay in London und der Nobelpreisträgerin Marie Curie in Paris. 1912 übernimmt sie die Leitung der Versuchsstation des Estländischen Landwirtschaftlichen Vereins in Reval.

Während der russischen Oktoberrevolution flieht sie 1918 an die Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim, wo sie 1920 habilitiert wird. Es ist die erste Hohenheimer Habilitation überhaupt. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich intensiv mit dem Einsatz von Mineraldüngern und erwirbt sehr schnell ein beachtliches wissenschaftliches Renommee. Dabei gilt ihr Hauptaugenmerk dem Phosphat – damals wie heute ein knapper Rohstoff.

1921 erhält die Reichsregierung 75 Mio. Mark von der Düngemittel-Industrie zur Errichtung eines Instituts für Pflanzenernährung. Dieser Fonds ist an Margarete von Wrangell gebunden. Gegen den Widerstand mancher Hohenheimer Professoren wird sie 1923 nicht nur Institutsleiterin, sondern entsprechend ihrer Forderung auch zur ersten ordentlichen Professorin Deutschlands berufen. Ihr Institut leitet sie bis zu ihrem frühen Tod am 31. März 1932. Noch heute bildet es, mittlerweile aufgegangen im Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, eine wichtige Säule der agrarwissenschaftlichen Forschung an der Universität Hohenheim.

Pressebilder: https://www.uni-hohenheim.de/pressemitteilung?tx_ttnews[tt_news]=58385

Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim

http://www.uni-hohenheim.de/presse

Text: Elsner

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