MEDICA VISION: Kompetenzzentren für die Medizintechnik arbeiten an Alternativen zur "maschinellen" Behandlung von Schwerstkranken
Düsseldorf (ots)
Die weltgrößte Medizinmesse MEDICA 2003 wird vom 19. bis 22. November in Düsseldorf wieder zum Treffpunkt aller Experten aus Arztpraxis, Klinikum, Handel und Industrie. Unter den rund 3.800 Ausstellern aus 65 Nationen werden allerdings nicht nur Unternehmen sein, die ihre neuesten Produkte und Dienstleistungen für die ambulante und stationäre Versorgung vorstellen, sondern auch zahlreiche renommierte Forschungsinstitute und Hochschulen. Zum Beispiel gewähren im Rahmen der Sonderschau MEDICA VISION erstmals alle acht deutschen Kompetenzzentren in der Medizintechnik Einblicke in ihre aktuellen Arbeiten an spannenden Themen der Zukunft.
So soll der Öffentlichkeit in Vortragsveranstaltungen zur MEDICA VISION (Halle 3, Stand G92) eine noch wenig bekannte und doch sehr bedeutende Seite der Bionik sowie auch des lebenden Organersatzes näher gebracht werden. Denn wenn bislang von technischem Ersatz für menschliche Gliedmaßen und Organe (Bionik) gesprochen wurde, machten oft Superlative Schlagzeilen. Erst kürzlich etwa feierten die Medien einen beinamputierten Triathleten, dem eine computergesteuerte Beinprothese die Teilnahme am Nautica-Malibu-Triathlon in Kalifornien ermöglicht. Was den Meisten allerdings nicht bewusst ist: Technischer Organersatz ist vielfach keine Frage der Rekorde, sondern eine Frage auf Leben und Tod! Wenn die Transplantation eines Organs, etwa eines Herzens oder einer Leber, bei einem sterbenskranken Patienten nicht möglich ist, dann sind Maschinen oft die allerletzte Hoffnung.
Die Zeit der plumpen Großgeräte ist dabei längst vorbei, wie zum Beispiel neue Verfahren zeigen, die in Zukunft bei einem oft tödlichen Leberversagen eingesetzt werden könnten. Ein von Dr. Ralf Tönjes von der Arbeitsgruppe "Xenogene Zelltherapeutika" des Paul Ehrlich-Instituts koordinierte Vortragsreihe der MEDICA VISION wird sich damit beschäftigen. Zu einem tödlichen Leberversagen kann es nach einer Vergiftung mit Knollenblätterpilzen kommen, aber auch bei einer schweren Virusinfektion der Leber, einer Hepatitis. Im schlimmsten Fall kann solchen Patienten heute nur noch eine Lebertransplantation helfen, doch möglicherweise lässt sich ein solch drastischer Eingriff in Zukunft vermeiden, wenn die Leberfunktion eine Zeit lang ersetzt werden kann, bis sich das geschädigte Lebergewebe wieder erholt hat.
Moderne Technik und natürliches Gewebe
Eine Möglichkeit dazu sind Bioreaktoren, bei denen moderne Technik und natürliches Gewebe eine Symbiose eingehen. "Um die Funktion des Organs, etwa der Leber, zu ersetzen, benutzen Bioreaktoren Leberzellen von Tieren, meist von Schweinen", so Tönjes. Prinzipiell könnten jedoch auch menschliche Leberzellen verwendet werden, eine interessante Variante, falls es einmal gelingen sollte, Lebergewebe in größerem Umfang aus menschlichen Stammzellen zu züchten. Bioreaktoren, die in Deutschland noch nicht im normalen medizinischen Alltag eingesetzt werden, leiten das Blut des Patienten an den Leberzellen des Schweins vorbei. Dabei wird es von den normal arbeitenden Zellen einerseits entgiftet, andererseits mit Nährstoffen versorgt. "Die Technik wird in den USA und in einzelnen Fällen auch in Deutschland unter strenger Kontrolle eingesetzt, doch es gibt noch sehr viele Fragezeichen", so Tönjes. So könnten Viren aus den Schweinezellen, zum Beispiel Grippeviren oder in das Erbgut der Schweine integrierte Viren (Retroviren), auf Menschen übertragen werden. Auch kann es zu unerwünschten Abwehrreaktionen kommen, denn schließlich handelt es sich bei den Schweinezellen um fremdes Gewebe.
Doch die Leber ist nur eines von vielen Organen, denen Maschinen in lebensbedrohlichen Situationen zur Seite springen können. Ein anderes Beispiel ist die Lunge. Auf den Intensivstationen der Gegenwart ist künstliche Beatmung noch immer gleich bedeutend mit Furcht einflößenden Maschinen, die auf quietschenden Rollen an das Patientenbett gefahren werden.
Die Lungenmaschine soll ersetzt werden
Doch es geht auch anders. Wissenschaftler vom Institut für biomedizinische Technologien an der Universität Aachen etwa arbeiten zusammen mit Kollegen aus aller Welt an einem System, das das Blut eines Patienten mit Sauerstoff versorgen kann, ohne dass eine echte künstliche Beatmung vorgenommen werden muss, die das Lungengewebe nachhaltig schädigen kann. Ein solches System, ECMO (extrazelluläre Membranoxygenierung) genannt, gibt es bereits, doch sind diese Geräte technisch sehr kompliziert, und es wird für sie sehr viel Personal benötigt.
Was die Aachener Forscher anstreben ist dagegen klein und elegant. Das System, für das sie kürzlich einen Preis im Innovationswettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erhalten haben, soll mit Hilfe eines Katheters vom Bein aus implantiert werden. Es wird dann in die untere Hohlvene geschoben und dort entfaltet. Das Blut strömt an kleinen Faserbündeln vorbei, die dafür sorgen, dass es Sauerstoff aufnimmt und Kohlendioxid abgibt. Nebenbei ist auch noch ein Pumpsystem integriert, das das Herz entlastet und das verhindert, dass sich Blut hinter dem Implantat staut. Der Mini-Oxygenator steht stellvertretend für einen Trend, der die gesamte Medizintechnik erfasst hat: Kleiner heißt die Devise. Andere Beispiele werden in einer Vortragsreihe zur Entwicklung von Gesundheitstechnologien vorgestellt, die ganz im Zeichen des Kleinen steht. Sie wird von Professor Thomas Schmitz-Rode von der Universität Aachen koordiniert. Unter anderem wird es um Herzpumpen gehen, aber auch um Hörgeräte und Navigationshilfen für minimalinvasive Chirurgen.
Informationen zur MEDICA und zu den beteiligten Ausstellern können abgerufen werden über das Internet: www.medica.de
Auf der Internetseite www.kompetenznetze.de sind unter dem Punkt Medizintechnik weitere Inormationen zu den Kompetenzzentren in der Medizintechnik zu finden.
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