Können Pantoffeltierchen Krebs heilen?
Münster (Westf.) (ots)
Jeder kennt sie vom Biologie-Unterricht, hat sie als Schüler schon einmal unter dem Mikroskop gesehen: Wimperntierchen, ähnlich wie Pantoffeltierchen, die in jedem gewöhnlichen Gewässer vorkommen - "Tetrahymena" so die korrekte biologische Bezeichnung. Jetzt ist Forschern mit Hilfe der Einzeller ein Durchbruch im Kampf gegen Krebs gelungen: Das Biotechnologieunternehmen CILIAN AG hat den neuen Antikörper CiMab® entwickelt, der Krebszellen vernichtet. Erste Studienergebnisse belegen eine zirka 17-fach höhere Wirksamkeit als alternative Antikörper, die sich derzeit im Markt befinden. Die Ergebnisse wurden jetzt im amerikanischen Wissenschaftsjournal mAbs veröffentlicht. Außerdem sind Produktionskosten und Sicherheitsrisiken bei dem Herstellungsverfahren geringer als beim aktuellen Standard.
Antikörper sind ein wichtiger Teil der Immunabwehr. Sie erkennen körperfremde, schädliche Strukturen, wie Viren oder Bakterien, binden an diese und markieren sie so für unser Immunsystem zur Zerstörung. Moderne Ansätze der Krebstherapie nutzen diese Prozesse: Im Labor werden Antikörper erzeugt, die nicht an Viren oder Bakterien, sondern an Krebszellen binden. Der Erfolg solcher Verfahren ist jedoch bislang begrenzt: Die geläufige Produktion von so genannten therapeutischen monoklonalen Antikörper ist sehr teuer und findet in anfälligen Zellkulturen statt. Damit besteht ein - wenn auch geringes - Risiko der Verunreinigung während des Herstellungsprozesses. Ein weiteres Problem besteht in der schwachen Wirksamkeit: Eine vernünftige krebszerstörende Wirkung konnte bislang nur mit hohen Dosen von Antikörpern erzielt werden. Dadurch steigen Produktionskosten und die Gefahren von Nebenwirkungen.
Die Forscher des Biotechnunternehmens CILIAN AG haben jetzt in einem wissenschaftlichen Artikel ein neues Produktionsverfahren vorgestellt. Mit Hilfe von Wimperntierchen werden Antikörper gegen Krebs hergestellt, die laut ersten Studien wesentlich wirkungsvoller und günstiger in der Produktion sind.
Wimperntierchen revolutionieren den Antikörperherstellungsprozess
Als Grundlage der Entwicklung diente ein Antikörper, der bereits am Markt existiert. Diesen hat CILIAN geringfügig modifiziert. "Wir konnten die Eigenschaften des Antikörpers wesentlich verbessern. CiMab® bindet sehr gut an sein Ziel-Gen, einen bestimmten Rezeptor auf der Oberfläche von Krebszellen. Das haben wir mit der Studie bewiesen", erklärt Dr. Marcus Hartmann, wissenschaftlicher Vorstand der CILIAN AG. "Was wir auch zeigen konnten, ist, dass unser Antikörper nicht nur seine Zielzellen erkennt, sondern dass die Wechselwirkung mit dem Immunsystem verstärkt wurde. Der Antikörper ist also dazu fähig, bestimmte Schalter im Immunsystem umzulegen, die dann später dazu führen, dass natürliche Killerzellen die Krebszellen besser erkennen und töten."
17-fach höhere Wirkung als bei herkömmlichen Antikörpern
Die Vorteile gegenüber der herkömmlichen Herstellung sind bahnbrechend für die Krebsbekämpfung. "Beim Testen der Wirkung unserer Antikörper aus Wimperntierchen im Reagenzglas haben wir herausgefunden, dass die Fähigkeit des Antikörpers, der Krebszelle zu schädigen - die sogenannte Zytotoxizität - um den Faktor 17 höher ist, als bei vergleichbaren Antikörpern, die in Zellkulturen hergestellt wurden", so Hartmann. Dadurch, dass der verbesserte Antikörper eine höhere Wirkung aufweist, kann er in Zukunft geringer dosiert werden. Das Resultat: ein positiver Einfluss auf den Therapieverlauf des Patienten und auf die Produktionskosten.
Sichere Produktion: Forscher stehen mit Jeans und Hemd im Labor
Im Biologieunterricht wird bereits auf die Natürlichkeit der Wimperntierchen aufmerksam gemacht: Es sind Organismen, die überall in der freien Natur vorkommen und für den Menschen völlig harmlos sind. Aus diesem Grund bieten sie optimale Bedingungen für einen sicheren Herstellungsprozess. Da herkömmliche Antikörper bislang in anfälligen Zellkulturen hergestellt werden, bietet die Produktion aus harmlosen Wimperntierchen mehr Sicherheit: Die Gefahr von Verunreinigungen mit beispielsweise Viren im Herstellungsprozess sind wesentlich geringer. Auch hinsichtlich von Nebenwirkungen ist Hartmann sicher: "Wir gehen davon aus, dass keine Nebenwirkungen auftreten werden. Denn wir haben die Grund-Struktur eines bereits am Markt getesteten Antikörpers, der bereits alle Zulassungshürden genommen hat, übernommen und lediglich Zuckerstrukturen an der Moleküloberfläche verbessert."
Mit dem gleichen Verfahren hat CILIAN bereits Impfstoffe gegen Grippe und Malaria sowie Medikamente bei Pankreaserkrankungen entwickelt.
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