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Verband der Chemischen Industrie (VCI)

Sinn für die Realitäten verloren
Bericht des Umweltausschusses des Europaparlamentes über das Weißbuch "Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik" der EU-Kommission

Frankfurt/Main (ots)

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI)
sieht die erfolgreiche Reform der Chemikalienpolitik in Europa stark
gefährdet, wenn die extremen Forderungen des Umweltausschusses
umgesetzt werden sollten. Sie gehen weit über die Vorschläge im
Weißbuch der EU-Kommission und die Position des Rates der
Umweltminister hinaus. Die Anträge des Umweltausschusses setzen so
die langfristige Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der
europäischen Branche aufs Spiel und überfordern vor allem
mittelständische Unternehmen auf breiter Front. "Mit solchen
Vorstellungen wird die Reform, die auch wir für notwendig halten, von
Anfang an zum Scheitern verurteilt", erklärte der
Hauptgeschäftsführer des VCI, Dr. Wilfried Sahm.
Am 16. Oktober hatte der Ausschuss für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik des Europäischen Parlaments
seinen Entschließungsantrag zum Weißbuch der EU-Kommission
verabschiedet. Basis für die Entscheidung war der Entwurf der
schwedischen Berichterstatterin Inger Schörling (GRÜNE/Freie
Europäische Allianz). Sowohl der Industrieausschuss als auch der
Rechtsausschuss des Europaparlaments haben wesentlich ausgewogenere
Stellungnahmen verabschiedet. Sie wurden vom Umweltausschuss jedoch
nicht oder kaum berücksichtigt.
Der Bericht des Umweltausschusses wird Mitte November dem
Europaparlament in Straßburg zur Verabschiedung vorgelegt. "Wir
hoffen sehr, dass die überzogenen Anforderungen des Umweltausschusses
modifiziert oder abgelehnt werden, um die Ziele einer ausgewogenen
und tragfähigen EU-Chemikalienpolitik nicht zu gefährden",
unterstreicht Sahm.
Die chemische Industrie unterstützt die politischen Zielsetzungen
des EU-Weißbuchs. Diese lassen sich jedoch nur mit praktikablen
Verfahren erreichen. Die deutsche Chemie hat Vorschläge für
entsprechende Regelungen entwickelt. Sie bietet an, diese in der
Praxis in Pilotprojekten gemeinsam mit den Behörden zu erproben.
Sahm: "Wir müssen zu konstruktiven Lösungen kommen. Da helfen uns
realitätsfremde Ideen vom grünen Tisch wenig."
Nachfolgend nimmt der VCI zu zentralen Punkten aus dem
Entschließungsantrag vom Umweltausschuss des Europaparlamentes
Stellung:
Die Ausdehnung der Registrierpflicht auf Stoffe, von denen weniger
als 1 Tonne pro Jahr produziert werden, überfordert das neue System:
Der Umweltausschuss fordert eine Ausdehnung der Registrierpflicht
auf alle Stoffe unterhalb der Produktionsschwelle von 1 Tonne pro
Jahr. Schon die im Rahmen der EU-Altstoffverordnung festgelegte
Registrierung von Stoffen mit einer Produktionsmenge von über 10
Tonnen pro Jahr und die ständige Aktualisierung der Daten konnten in
der Praxis sowohl von der Industrie als auch den Behörden kaum
bewältigt werden. Die im Weißbuch der EU-Kommission vorgesehene
Registrierung von mehr als 30.000 Stoffen mit einem
Produktionsvolumen von über 1 Tonne pro Jahr ist ohne Frage ein
ehrgeiziges Ziel. Es stellt für Unternehmen und Behörden eine enorme,
weltweit zudem einmalige Aufgabe dar. Zunächst sollte man versuchen
dieses Ziel zu erreichen, bevor zusätzliche Verschärfungen gefordert
werden.
Die Ausdehnung des Zulassungsverfahrens macht das System
unpraktikabel:
Der Bericht fordert eine Ausdehnung des Zulassungsverfahrens auf
weitere Stoffgruppen. Danach müsste zum Beispiel Alkohol in
Brillenputztüchern oder Scheibenreinigern ein Zulassungsverfahren
durchlaufen. Das im Weißbuch vorgeschlagene Zulassungsverfahren ist
bereits mit einem sehr hohen bürokratischen Aufwand sowohl für die
Industrie als auch die Behörden verbunden. Kleine und
mittelständische Unternehmen werden damit ohnehin große Probleme
haben. Es ist zu erwarten, dass das Zulassungsverfahren zu
erheblichen Entscheidungsverzögerungen, hohen Kosten,
Flexibilitätsverlusten, Innovations- sowie
Wettbewerbsbeeinträchtigungen für die Industrie führt. Die
Einbeziehung weiterer Stoffgruppen in das Zulassungsverfahren werden
das gesamte System kollabieren lassen, weil dann 30 bis 50 Prozent
aller 30.000 Stoffe zulassungspflichtig würden.
Die zeitliche Befristung der Zulassung gefährdet die
Rechtssicherheit
Auch die im Bericht geforderte zeitliche Befristung der Zulassung
ist unnötig, da ohnehin jede Änderung der Anwendungen sowie jede
zusätzliche Erkenntnis über die Stoffe den Behörden zu melden sind.
Die Behörden können jederzeit auf Basis dieser Zusatzinformationen
neue Entscheidungen treffen.
Das Substitutionsgebot für gefährliche Stoffe ist unrealistisch
Der Bericht fordert einen Ersatz aller gefährlichen Stoffe ohne
Analyse der Konsequenzen beziehungsweise der Berücksichtigung von
Vor- und Nachteilen. Das Prinzip der Nachhaltigkeit wird sträflich
vernachlässigt, wenn statt der sicheren Anwendung von Stoffen nur das
Eigenschaftsprofil von Stoffen im Vordergrund steht. Sehr oft sind
nämlich gerade die gefährlichen Eigenschaften eines Stoffes
notwendig, um einen bestimmten Nutzen zu erzielen.
Keine zusätzliche Bürokratie und Kosten durch Doppelprüfungen
Der Bericht fordert "Peer Reviews" für die von den Unternehmen
gelieferten Stoffdaten. Die Prüfung dieser Daten ist jedoch Aufgabe
der verantwortlichen Behörden. Eine zusätzliche Prüfung durch Dritte
ist unnötig und führt zu einem erheblichen  Mehraufwand.
Keine Offenlegung von wertvollen firmeneigenen Daten
Die Industrie unterstützt das Ziel, Öffentlichkeit und Verbraucher
über die Eigenschaften und Verwendung von Chemikalien zu informieren.
Die Forderungen des Berichts, wichtige Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse, wie zum Beispiel Produktionsvolumen und
Verwendungsarten, als nicht vertraulich zu deklarieren,
beeinträchtigt die wirtschaftliche Basis - insbesondere von
mittelständischen Unternehmen. Wettbewerber erhalten damit freien
Zugang zu sensiblen Informationen.

Kontakt:

Manfred Ritz
VCI-Pressestelle
Telefon: 069/2556-1550
Mobil: 0177-667-1462
E-Mail: ritz@vci.de

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