"Bist du Chris?"
Deutschland ohne Hepatitis C: Bundesweite Aufklärungskampagne gestartet
Berlin (ots)
Die Deutsche Leberstiftung, die Deutsche Leberhilfe e.V. und das Arzneimittelunternehmen Gilead Sciences GmbH haben die Initiative pro Leber gegründet und eine bundesweite Aufklärungskampagne gestartet. Das Ziel: Die Öffentlichkeit über die Hepatitis C aufzuklären und damit die Voraussetzung für eine Eindämmung oder Eliminierung dieser Infektionskrankheit zu schaffen. Denn das Wissen in der Bevölkerung über Risiken und Behandlungsmöglichkeiten ist gering.
Ein Deutschland ohne Hepatitis C? Dieses Szenario war bis vor kurzem noch undenkbar. Doch dank einer neuen Generation von direkt antiviral wirkenden Kombinationstherapien lässt sich die Erkrankung inzwischen fast immer heilen. Dies eröffnet die Chance, die Hepatitis C massiv einzudämmen oder sogar zu eliminieren, wie es sich die Bundes-regierung beziehungsweise die Weltgesundheitsorganisation WHO als Ziel gesetzt haben.(1,2) Bis 2030 soll dieses Ziel erreicht sein.
Hepatitis C ist eine chronische Infektionskrankheit der Leber, die schwere gesundheitliche Folgen nach sich ziehen und lebensbedrohlich verlaufen kann. Die WHO schätzt, dass weltweit rund 71 Millionen Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert sind, etwa 399.000 sterben jährlich an den Folgen.(3) Für Deutschland gehen Experten von etwa 250.000 infizierten Menschen aus, genaue Zahlen gibt es nicht.(4)
Viele wissen nicht, dass sie infiziert sind
Professor Dr. Michael P. Manns, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberstiftung, Klinik-Direktor an der Medizinischen Hochschule Hannover sowie Vorsitzender der Initiative pro Leber, schätzt, dass 40 % der HCV-infizierten Menschen in Deutschland nichts von ihrer Erkrankung wissen. Wesentliches Ziel der neu gegründeten Initiative ist daher, dass sich möglichst viele Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko testen lassen. "Nur wer weiß, dass er krank ist, kann auch behandelt werden. Und nur wer behandelt wird, hat eine Chance auf Heilung. Ein einfacher Bluttest kann Klarheit schaffen", so der Leberexperte.
Manns betont, dass die Therapie mit den neuen direkt wirkenden antiviralen Substanzen (Direct-Acting Antivirals, DAA) einen Paradigmenwechsel in der Hepatitis-C-Behandlung herbeigeführt hat. "Mit den neuen Medikamenten lassen sich in der Regel innerhalb von 8 bis 24 Wochen Heilungsraten von 95 % und mehr erzielen - bei guter Verträglichkeit und unabhängig vom Genotyp der infizierenden Viren."(5,6)
HCV: Zehnmal so ansteckend wie HIV
Das Hepatitis-C-Virus wird in erster Linie durch Blut-zu-Blut-Kontakt übertragen(7) und ist dabei etwa zehnmal so ansteckend wie das Humane Immunschwäche-Virus HIV.(8) Bis vor gut 20 Jahren war einer der wesentlichen Übertragungswege die Transfusion von kontaminiertem Blut, doch seit 1992 werden in Deutschland Blutprodukte auf HCV-Antikörper getestet, bevor sie zum Einsatz kommen.(9) Heute infizieren sich immer noch Menschen durch unzureichend sterilisierte Medizingeräte, durch mit Blutkontakt assoziierte Sexualpraktiken, durch Tätowierungen und Piercings, die mit nicht sterilisierten Instru-menten/Materialien durchgeführt wurden.(10) Das Virus kann in seltenen Fällen auch durch eine Schwangerschaft auf das Baby übertragen werden.(10) In vielen Fällen bleibt der Übertragungsweg jedoch unbekannt.(7)
Die Krankheit ist heilbar. Das wissen nur 32 Prozent
"Heilung braucht Erkenntnis," so fasst Professor Claus Niederau, Vorstandsmitglied der Deutschen Leberhilfe e.V. und Direktor der Klinik für Innere Medizin, St. Joseph-Hospital, Oberhausen, die Ausgangsbasis der Kampagne "Bist du Chris?" zusammen. "Wir sehen gewaltige Fortschritte in der Behandlung der Hepatitis C mit in der Regel 95-prozentiger Heilungschance für die meisten Patienten. Wir haben damit die Möglichkeit, die Krankheit zu eliminieren. Die Initiative pro Leber tritt an, um diese Fortschritte und Chancen bestmöglich zu erschließen."
Nach einer repräsentativen GfK-Umfrage (GfK SE 2017), die die Initiative durchgeführt hat, kennt aber nur eine Minderheit der Befragten diese Chancen. Lediglich 32 % haben davon gehört, dass die meisten Patienten komplett geheilt werden können. Ein weiteres Problem: viele unterschätzen die Erkrankung. "Obwohl 78 % wissen, dass sich jeder anstecken kann, denken nur 7 %, dass sie jemals Kontakt zu dem Virus gehabt haben könnten." Viele Menschen erkennen offenbar nicht, wie relevant die Erkrankung für sie sein kann. Und die Umfrage enthüllt weitere Wissenslücken. So weiß nur rund ein Drittel (34 %), dass man sich gegen Hepatitis C nicht impfen lassen kann und nur jeder zweite (50 %) hat Kenntnis davon, dass die Krankheit oft asymptomatisch verläuft; die Infektion also lange unbemerkt bleiben kann.
Warum "Chris"?
Chris ist eine international gebräuchliche, häufige und populäre Form eines weiblichen oder männlichen Vornamens. Mit dem Kampagnen-Motto möchte die Initiative dem Irrglauben entgegentreten, dass Hepatitis C eine Infektion ist, die nur "andere" betrifft, und die Lebererkrankung von ihrem Stigma befreien. Weiter sollen Menschen motiviert werden, sich über das potenzielle Infektionsrisiko zu informieren, mit ihrem Arzt zu sprechen und sich gegebenenfalls testen zu lassen. Über Medienarbeit, TV-Spots, Anzeigen und Online-Plattformen wird auf Risikokonstellationen für eine Infektion aufmerksam gemacht. Darüber hinaus hofft Niederau auf rege Unterstützung durch die Hausärzte: "Sie sind die erste Anlaufstelle für gesundheitliche Probleme, kennen ihre Patienten meist gut, können sie beraten und einen Bluttest in die Wege leiten."
Wie wichtig es ist, dass sich möglichst viele Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko testen lassen, unterstreicht eine gesundheitsökonomische Analyse, der Eco-Hep-Report. Er zeigt, dass eine Eliminierung der Hepatitis C in Deutschland bis 2030 möglich ist und die Ziele der Bundesregierung sowie der WHO realistisch sind - vorausgesetzt, dass die Zahl der Hepatitis-C-Diagnosen steigt, die Patienten konsequent behandelt und Neuinfektionen durch Präventionsmaßnahmen verhindert werden.(4) Der Modellrechnung zufolge könnte die Zahl der Patienten dann ab dem Jahr 2025 auf unter 1.000 fallen.(4) Darüber hinaus lässt die Analyse den Schluss zu, dass eine Elimination der Hepatitis C auch kosteneffektiv wäre. Dem finanziellen Mehraufwand in den Jahren 2015 bis 2024 stehen nämlich Einsparungen in Höhe von 1,9 Mrd. EUR in den Jahren 2025 bis 2040 gegenüber(4) - eine Win-Win-Situation für Patienten, Kostenträger und Gesellschaft.
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Literatur
1 Bundesministerium für Gesundheit. Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen http://ots.de/6swof [Letzter Zugriff Mai 2017]
2 Combating Hepatitis B and C to Reach Elimination by 2030. Advocacy brief. http://ots.de/89fcN [Letzter Zugriff Mai 2017]
3 World Health Organisation (WHO). Global Hepatitis Report 2017
4 Leberhilfe-Projekt. Der Eco-Hep Report. http://www.leberhilfe-projekt.de/das-eco-hep-modell.html [Letzter Zugriff: März 2017]
5 Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Aktuelle Empfehlung zur Therapie der chronischen Hepatitis C, Dezember 2016 https://www.dgvs.de/wissenkompakt/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/hepatitis-c/ [Letzter Zugriff: Mai 2017]
6 Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen (Bng). Empfehlungen des bng zur Therapie der chronischen Hepatitis C; Update Dezember 2016. http://www.bng-gastro.de/mitglieder/infos/leitlinienempfehlungen/details/bng-empfehlung-zur-therapie-der-chronischen-hepatitis-c-2016.html [Letzter Zugriff Mai 2017]
7 Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 30/2015
8 Winnock M et al. J Antimicrob Chemother 2004; 53: 936-946
9 Robert Koch-Institut. GBE Themenheft Hepatitis C, RKI 2016
10 World Health Organisation (WHO). Media Centre Hepatitis C Fact sheet No164. Available at: http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs164/en/ [Letzter Zugriff Mai 2017]
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