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"Licht an im Club": Was passiert bei chemischen Reaktionen?

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"Licht an im Club": Was passiert bei chemischen Reaktionen?

Wenn Moleküle bei chemischen Reaktionen neue Verbindungen eingehen, befinden sie sich für unvorstellbar kleine Zeiträume in so genannten Übergangszuständen: nicht mehr in ihren Ausgangsstrukturen, noch nicht verbunden zu den Reaktionsprodukten. Was genau in diesem Schwebezustand passiert, ist bislang unklar. Ein Professor der Universität Kassel möchte dies nun aufklären - die Ergebnisse wären von grundlegender Bedeutung für chemische Prozesse im Allgemeinen.

Prof. Dr. Jochen Mikosch verdeutlicht seine Forschung mit einem Bild: „Man kann sich chemische Reaktionen wie Verbindungen von Paaren in einem Tanzclub vorstellen. Bislang hat die Wissenschaft die Tänzerinnen und Tänzer nur vor dem Club untersucht, nämlich beim Hineingehen und beim Herauskommen. Daraus hat man rückgeschlossen, wer wie mit wem getanzt hat. Jetzt machen wir das Licht im Club an.“

Das Ziel: Wer versteht, was genau bei den chemischen Verbindungen vor sich geht, kann sie genauer steuern. Eines Tages könnte diese Grundlagenforschung dazu führen, die chemische Industrie grüner zu machen, etwa indem weniger Abfall anfällt.

Vor wenigen Monaten ist Mikosch mit einer sogenannten Heisenberg-Professur an die Universität Kassel gewechselt. Diese Professuren werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert und stellen eine große Auszeichnung dar. Für die Uni Kassel hat er sich entschieden, weil es hier einen Schwerpunkt in Atom-, Molekül- und Optischer Physik mit renommierten und gut ausgestatteten Forschungsgruppen gibt. Flaggschiff des Instituts für Physik ist der gerade verlängerte Sonderforschungsbereich „ELCH“. Das Projekt „c-TSD-p“ bringt er von seiner vorherigen Position am Max-Born-Institut in Berlin mit. Es wird vom Europäischen Forschungsrat ERC mit rund zwei Mio. Euro finanziert.

Bislang stand das so genannte Startzeit-Dilemma einem genauen Verständnis der Umlagerungen von Molekülen während der Übergangszustände im Wege. Kurz gesagt: Die Reaktionspartner treffen sich örtlich und zeitlich mehr oder weniger zufällig. Das macht es schwer, sie mittels Laserpulsen zu kontrollieren.

Um dieses Problem zu lösen, kombiniert Mikosch zwei Techniken: Zunächst werden die Reaktionspartner in einem elektrisch geladenen Ausgangskomplex in eine definierte Anordnung zueinander gebracht. Mithilfe eines ultrakurzen Laserpulses wird die chemische Reaktion freier Reaktionspartner dann kontrolliert ausgelöst. Zweitens werden mit einem weiteren, zeitverzögerten Laserpuls die Bindungselektronen weggesprengt. Die übrigbleibenden, positiv geladenen Fragmente stoßen sich dann voneinander ab und ergeben ein Abbild des Übergangszustands. Die Dynamik wird zeitaufgelöst abgebildet, indem die Verzögerung zwischen den beiden Laserpulsen verändert wird. Damit wollen Mikosch und sein Team die Strukturänderungen während chemischer Reaktion abbilden. Übertragen auf das Bild des Clubs bedeutet das: Man bestimmt, an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt sich die Tanzpartner treffen und filmt dann, was passiert.

Mikosch nutzt für seine Forschung die Attosekunden-Technik, die weltweit bislang erst eine kleine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beherrscht. Dabei werden Prozesse auf unvorstellbar kurzer Dauer kontrolliert. Eine Attosekunde entspricht 0,000000000000000001 Sekunden – eine Zahl mit 18 Nachkommastellen. Für diese Technik plant und baut Mikosch mit seiner Arbeitsgruppe „Strukturelle Molekulare Dynamik“ an der Universität Kassel ein ganz neues Laserlabor. Rohbau und Versorgungsleitungen sind bereits fertiggestellt, und im Frühjahr sollen dort die ersten Experimente starten.

Für Mikosch ist die Professur in Kassel eine Rückkehr: Er legte 1997 am Wilhelmsgymnasium sein Abitur ab. Schon während dieser Zeit war er im Astronomischen Arbeitskreis (einem der Wegbereiter des Schülerforschungszentrums Nordhessen) aktiv und nahm mit eigenen Forschungsprojekten an Schüler-Wettbewerben wie dem Kasseler Umweltpreis teil. Seine wissenschaftliche Karriere führte ihn über Freiburg, England, Kanada und Berlin nun zurück nach Nordhessen. „In Kassel hat sich in den vergangenen Jahren ein starkes Forschungscluster in optischer Physik und Nanowissenschaften gebildet. Das bietet für meine Forschungen hervorragende Anknüpfungspunkte.“

Info: Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Jochen Mikosch "Schnelle(r) Reisen mit kleinen Molekülen" am 19.1.2023, AVZ, Hörsaal 100, 16 Uhr

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Sebastian Mense
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