Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
Revolutionierung des Vogelmonitorings: Pilotprojekt des HLNUG kombiniert Klangattrappen und Audio-Echtzeiterkennung
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PRESSEMITTEILUNG
Revolutionierung des Vogelmonitorings: Kombination von Klangattrappen und Audio-Echtzeiterkennung
Gemeinsames Pilotprojekt vom HLNUG und trackIT Systems für eine verbesserte Erfassung von heimlichen Vogelarten
Wiesbaden, 22.11.2024 – Die Erfassung von heimlichen Vogelarten gestaltet sich häufig schwierig. Manche Arten haben beispielsweise nur kleine Aktivitätsfenster im jahres- und tageszeitlichen Verlauf, so dass deren Erfassung über klassische Monitoringmethoden nicht immer gelingt. Die Folge ist, dass über das Vorkommen von heimlichen Vogelarten oftmals keine zuverlässige Aussage getroffen werden kann und Daten zu den Arten fehlen.
Um das Monitoring solcher schwer erfassbaren Vogelarten zu verbessern, hat die hessische Vogelschutzwarte im Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) bereits im Frühjahr 2023 ein Pilotprojekt zur automatischen Vogelerfassung mit der Firma Avicon gestartet. Dabei wurden an 15 Standorten ferngesteuerte Aufnahmegeräte angebracht, welche rund um die Uhr die Vogelstimmen in ihrer Umgebung aufzeichneten. Das hatte zur Folge, dass dabei sehr große Datenmengen generiert wurden: Insgesamt wurden 12.000 Stunden aufgezeichnet, gespeichert und ausgewertet. Die Auswertung der Tonspuren erfolgte mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz.
Dieses Verfahren wird nun im Rahmen eines gemeinsamen Pilotprojekts der Vogelschutzwarte und trackIT Systems GmbH weiterentwickelt. Bei dem Pilotprojekt zum Monitoring von Kleineulen wird erstmalig ein neu entwickeltes automatisches Erfassungssystem getestet, welches die Echtzeiterkennung von Vogelstimmen und den Einsatz von remote ansteuerbaren Klangattrappen kombiniert.
Dies hat gleich mehrere Vorteile: Durch die Erkennung von Vogelstimmen in Echtzeit wird eine Aufnahme nur dann gespeichert, wenn die zu erfassenden Vogelarten – im Falle des Pilotprojektes Eulenarten – über die eingesetzte KI erkannt werden. Dadurch können die erfassten Datenmengen deutlich reduziert werden, was sowohl Speicherplatz als auch Energie spart. Die Klangattrappen wiederum, können dazu beitragen, dass besonders seltene und heimliche Vogelarten angelockt werden und dann über das automatische Erkennungssystem erfasst werden.
Für den kombinierten Einsatz der Klangattrappen wurden die Geräte zusätzlich zum Mikrofon mit Lautsprechern ausgestattet, um Eulen über zeitlich gesteuerte in einem vorgegebenen Rhythmus abgespielte, artspezifische Rufe anzulocken. In der Pilotphase des Monitorings in Vogelschutzgebieten werden die Geräte mit Klangattrappen jeweils in Gebieten mit und ohne bekanntem Vorkommen getestet. Ziel ist es herauszufinden, ob die eingesetzten Klangattrappen in der Lage sind, eine Antwort der Zielarten zu erzeugen. Dabei wurden die Geräte so programmiert, dass die Käuze nicht mehr als nötig zum Gesang animiert werden. Dennoch zeigen vorläufige Auswertungen, dass Geräte mit Klangattrappe ca. drei Mal mehr Raufußkauzrufe pro Stunde aufgenommen haben als Geräte ohne Klangattrappe.
Für die Echtzeitauswertung der Vogelstimmen arbeiten die Geräte mit einer Künstlichen Intelligenz (KI), die an der Philipps-Universität Marburg im Fachbereich Mathematik und Informatik entwickelt wurde und von trackIT Systems im Rahmen eines Kooperationsvertrages eingesetzt wird. Die KI ist in der Lage, die Aufnahmen zeitgleich auszuwerten und die Detektionsqualität zu beurteilen, sodass am Ende nur Aufnahmen mit hoher Qualität gespeichert werden. Die Aufnahmen und ihre Verifizierung können auch in Echtzeit über einen Server mitverfolgt werden, mit dem jedes Gerät per SIM-Karte kommuniziert. So können die Geräte auch jederzeit umprogrammiert, ein- oder abgeschaltet werden.
Weitere Einsatzmöglichkeiten von technischen Geräten und künstlicher Intelligenz im Naturschutzmonitoring wurden im Rahmen der Landesnaturschutztagung des HLNUG am 5. November 2024 in der Kongresshalle in Gießen vorgestellt und diskutiert. Dass das Thema aktuell ist, zeigte die große Resonanz auf die Veranstaltung: Rund 500 Personen nahmen vor Ort teil und 300 weitere Personen verfolgten die Tagung online.
Hintergrund
Das Zentrum für Artenvielfalt (ZfA) am Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) erfasst Tier- und Pflanzenarten. Im Aufgabenbereich der Vogelschutzwarte liegt das Vogelmonitoring in Hessen. Zu den wichtigsten Beobachtungsprogrammen gehören das Monitoring der häufigen und seltenen Brutvogelarten, das Monitoring in den EU-Vogelschutzgebieten (SPA-Monitoring , SPA: special protection area) und das Monitoring rastender Wasservögel. Ziel dieser landesweit laufenden Programme ist es, fundierte Aussagen zur Bestandsgröße und Entwicklung der hessischen Vogelwelt treffen zu können, insbesondere in den EU-Vogelschutzgebieten. Die Vogelschutzwarte arbeitet im Rahmen aller Programme intensiv sowohl mit amtlichen als auch mit ehrenamtlichen Vogelkundlern zusammen.
Die Daten aus den Monitoringprogrammen ermöglichen es, Aussagen über die Trends und den Erhaltungszustand vieler hessischer Brut- und Zugvogelarten zu treffen, die nicht zuletzt die Grundlage zur Aktualisierung der Roten Liste und zur Erfüllung der EU-Berichtspflicht gemäß EG-Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) bilden. Vogelarten und ihre Bestandsentwicklungen werden darüber hinaus auch als Indikatoren für die Artenvielfalt in ihrem jeweiligen Lebensraumtyp herangezogen. So spielen die Bestandsentwicklungen von Rebhuhn (Perdix perdix), Feldlerche (Alauda arvensis) & Co eine entscheidende Rolle für die Berechnung des bundesweiten Nachhaltigkeitsindikators „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ für den Teilbereich „Agrarland“, in dem sie die Güte des Lebensraums „Feldflur“ in Hessen widerspiegeln sollen.
Weiterführende Informationen:
hlnug.de/themen/naturschutz/vogelschutzwarte/monitoring
hlnug.de/themen/naturschutz/vogelschutzwarte/forschung
trackit.systems/akustische-erfassung/
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