Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) gGmbH
Wortmeldung: Neuer Fahrplan zum Schutz der biologischen Vielfalt
KNE-Wortmeldung, 13.01.2025
Neuer Fahrplan zum Schutz der biologischen Vielfalt –
Nationale Biodiversitätsstrategie adressiert auch die naturverträgliche Energiewende
Wie kann die Biodiversität in Deutschland geschützt werden? Das Bundeskabinett hat dazu einen Beschluss verabschiedet, der auch Vorgaben für eine naturverträgliche Energiewende enthält. Das KNE begrüßt, dass die vorgestellte Biodiversitätsstrategie die Energiewende mitdenkt und betont, dass die Ziele nun rasch und konsequent umgesetzt werden sollten.
Die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030 (NBS 2030) verfolgt das ambitionierte Ziel, den Verlust der Biodiversität in Deutschland bis 2030 zu stoppen. Damit setzt die NBS 2030 die auf der Weltnaturkonferenz 2022 in Montreal beschlossene globale Vereinbarung des „Global Biodiversity Framework“ (GBF) auf nationaler Ebene um. Die Strategie formuliert zahlreiche Handlungsfelder und Ziele, von denen mehrere thematisieren, wie negative Auswirkungen auf die Biodiversität verringert und Ökosystemleistungen erhalten werden können. Ein erster Aktionsplan sieht auch Maßnahmen für eine naturverträgliche Energiewende vor.
Am 18. Dezember 2024 hat das Bundeskabinett die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030 verabschiedet, die den Schutz der Biodiversität mit insgesamt 64 Zielen in 21 Handlungsfeldern in einem ersten Aktionsplan konkretisiert. Dieser listet auch konkrete Maßnahmen auf, die von 2025 bis 2027 den naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen sollen. Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) fasst die wesentlichen Inhalte zusammen und ordnet die Bedeutung dieser Maßnahmen ein.
Wie können erneuerbare Energien ausgebaut und gleichzeitig die Biodiversität geschützt werden?
In der NBS 2030 (S. 67) ist der „Naturverträgliche Ausbau erneuerbarer Energien“ als Ziel 14.1 formuliert. Hier werden fünf zentrale Punkte benannt:
- die naturverträgliche Standortwahl und die Verfahren der Flächenauswahl,
- die Anlagenerrichtung und -gestaltung,
- die Betriebsführung,
- das Repowering und der entsprechende Rückbau sowie
- der naturverträgliche Netzausbau.
Generell sollen naturbelassene oder sonstige naturschutzfachlich wertvolle Gebiete oder wertvolle landwirtschaftlich genutzte Flächen in möglichst geringem Umfang für den Ausbau der erneuerbaren Energien genutzt werden. Dies gilt besonders für den Bau „konventioneller Freiflächen-Photovoltaik mit großem Flächenbedarf“. Der Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) soll verstärkt auf vorbelastete oder bereits versiegelte Flächen gelenkt werden.
Um die kurzfristigen Ausbauziele zu erreichen, wird aber auch eine Nutzung naturbelassener und landwirtschaftlicher Flächen notwendig sein. Mit Anlagentypen wie der Agri-Photovoltaik können beispielsweise Stromproduktion und Landwirtschaft miteinander kombiniert werden. Die „Nutzung von Flächen für mehrere verträgliche Zwecke (Mehrfachnutzung)“ soll daher als Grundsatz im Raumordnungsgesetz verankert werden. Um Flächen für Naturschutz oder Landwirtschaft langfristig zu erhalten, soll durch Anwendung von § 9 Abs. 2 Baugesetzbuch die Flächeninanspruchnahme zeitlich auf die Dauer der Nutzung zur Energiegewinnung begrenzt werden. Ist die Folgenutzung im Rahmen der Bauleitplanung festgelegt, können die Flächen nach Ende der energetischen Nutzung wieder für ihren ursprünglichen Zweck genutzt werden, sofern kein Repowering erfolgt.
Aktionsplan listet konkrete Schritte auf
Der verabschiedete Aktionsplan nennt zur Umsetzung der naturverträglichen Energiewende fünf Maßnahmen (14.1.1 bis 14.1.5):
- Prüfung der Etablierung weitergehender Standards und Empfehlungen für die naturverträgliche Gestaltung von EEG-geförderten PV-Anlagen bis 2025. Für nicht durch das EEG geförderte PV-Anlagen werden entsprechende Standards geprüft.
- Prüfung und ggf. Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Steigerung der Erzeugungseffizienz, insbesondere bei Windenergie und Photovoltaik bis 2026.
- Definition von Mindeststandards für eine bedarfsgerechte, intelligente Steuerung bestehender und neuer Anlagen (On-/Offshore) sowie Ergreifung von ersten Maßnahmen zu deren Umsetzung bis 2026.
- Entwicklung von Kriterien für die Ausweisung naturverträglicher Standorte bzw. von Steuerungskonzepten für die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten und Gebieten mit vergleichbarem Vorrang, soweit sie die tatsächliche Durchführung von Planungen unterstützen und beschleunigen (bis 2026).
- Erarbeitung von Konzepten für populationsstützende Maßnahmen für die von erneuerbaren Energien besonders betroffenen Arten bis 2027. Sofort und über 2027 hinaus Umsetzung von Maßnahmen für die besonders betroffenen Arten, deren Lebensräume und deren Vernetzung, finanziert durch das Nationale Artenhilfsprogramm.
Wie bewertet das KNE diese Maßnahmen?
Effizienzsteigerung und Artenschutz sollten Hand in Hand gehen
Die sogenannten Mindestkriterien für EEG-geförderte PV-Freiflächenanlagen im Zusammenhang mit der NBS 2030 zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen (Maßnahme 14.1.1) ist sinnvoll, um einerseits die Praxistauglichkeit der Vorgaben und andererseits ihre Wirkung auf das Erreichen der Biodiversitätsziele zu überprüfen. Im Zuge der Änderungen des EEG wurde in vielen Institutionen bereits die Übertragbarkeit von Mindeststandards auch auf nicht geförderte Anlagen diskutiert. Ein solcher Standard, der lokale Besonderheiten berücksichtigt, wäre ein wichtiger Ausgangspunkt, um die Planungsprozesse für alle Akteure nachvollziehbar zu gestalten und vergleichbare Rahmenbedingungen für Projektierer und Kommunen zu schaffen. Um Solarparkflächen stärker als bisher für die Steigerung der biologischen Vielfalt zu nutzen, sollten alle Möglichkeiten der Förderung von Biodiversität auf ihre Anwendbarkeit im Solarpark geprüft und konsequent genutzt werden.
Effizienzsteigerungen bei der Erzeugung von erneuerbarem Strom (Maßnahme 14.1.2) sind naturverträglich möglich. Durch verbesserte Wirkungsgrade und Leistungen werden weniger Anlagen und Flächen benötigt und der Naturhaushalt wird entlastet. Effizienzsteigerungen und technologischer Fortschritt sollten stets die Bedürfnisse des Naturschutzes berücksichtigen, um zu vermeiden, dass sie sich negativ auf den Naturhaushalt auswirken. Ein Solarpark sollte beispielsweise weiterhin auch als Habitat für Arten und Lebensgemeinschaften der Agrarlandschaft geeignet sein. Bei der Windenergie können neben größeren und leistungsstärkeren Anlagen optimierte Abschaltzeiten die Effizienz steigern (Maßnahme 14.1.3). Dabei sollten betroffene Vogel- und Fledermausarten aber nicht stärker gefährdet werden.
Konsequent naturverträgliche Standorte bevorzugen
Bei der Ausweisung naturverträglicher Standorte (Maßnahme 14.1.4) für die Windenergie sollten bevorzugt konfliktarme Gebiete ermittelt und in die Planung einbezogen werden. Gebiete zum Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt sowie Gebiete mit Vorkommen beispielsweise windenergiesensibler Arten können so gezielt von der Nutzung ausgeschlossen werden. Wissenschaftliche Studien und eine Vielzahl von Arbeitshilfen geben Hinweise auf naturverträgliche Standorte für PV-FFA (vgl. KNE 2024). Sie bieten den Kommunen eine gute Grundlage, ihre Standortkonzepte für den Ausbau der Solarenergie naturverträglich zu entwickeln. Weitere naturschutzfachliche Konflikte lassen sich so vermeiden.
Das Nationale Artenhilfsprogramm (Maßnahme 14.1.5) sollte primär für Umsetzungsmaßnahmen eingesetzt werden. So können Arten, die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffen sind, am besten geschützt und gefördert werden. Projekte, die direkt populationsstützende Wirkungen entfalten und gleichzeitig potenzielle Konflikte mit dem Ausbau erneuerbarer Energien minimieren, sollten priorisiert werden. Das sollte auch für Maßnahmen gelten, die aus anderen Förderprogrammen finanziert werden, zum Beispiel dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt oder dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz.
Die jährliche Erfassung der Umsetzung der Maßnahmen und die Zwischenevaluation der Strategie im Jahr 2027 erfordern eine rasche Weiterentwicklung von Indikatoren. Der vorgesehene zweite Aktionsplan kann auf den erreichten (Teil-) Zielen und der überprüften Wirksamkeit der Maßnahmen aufbauen und im Hinblick auf das Zieljahr 2030 bei Bedarf nachsteuern.
Die Zeit zur Umsetzung ist knapp, konsequentes Handeln wichtig
Das KNE begrüßt, dass die naturverträgliche Energiewende Eingang in die Handlungsfelder der NBS 2030 gefunden hat. Es ist wichtig, dass die möglichen positiven Zusammenhänge von Umbau der Energieerzeugung und Sicherung und Verbesserung der biologischen Vielfalt in Deutschland herausgestellt werden. Die fünf Maßnahmen zur Umsetzung der naturverträglichen Energiewende greifen die aktuell erfolgversprechendsten Ansätze auf.
Der Zeitplan der NBS 2030 ist ambitioniert, zumal es in vielen Handlungsfeldern deutlich vorangehen muss. Es bleiben nur wenige Jahre, um die gesetzten Ziele bis 2030 zu erreichen. Umso dringlicher ist eine beherzte und konsequente Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen durch Bund, Länder und Kommunen.
- Hier gelangen Sie zur Wortmeldung online und zum Download.
Fachkontakt
Kathrin Schwarz
Referentin Biodiversität in der Energiewende
kathrin.schwarz@naturschutz-energiewende.de
Anke Ortmann Leiterin Presse und Öffentlichkeitsarbeit Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende KNE gGmbH Neue Grünstraße 18, 10179 Berlin T.: +49 30 7673738-12 presse@naturschutz-energiewende.de www.naturschutz-energiewende.de
Das 2016 gegründete Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) ist eine von der Umweltstiftung Michael Otto getragene und vom Bundesumweltministerium finanzierte Einrichtung. Zweck der gemeinnützigen GmbH ist die Unterstützung einer naturverträglichen Energiewende vor Ort. Das KNE bietet Beratung und umfangreiche Fachinformationen an, es organisiert Dialog und Austausch, und vermittelt, wenn es beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu Konflikten kommt, speziell ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren.
Das KNE bei Linkedin. X: @KNE_tweet. Der KNE- YouTube-Kanal. Der KNE-Podcast.
Sitz der Gesellschaft: Berlin Geschäftsführender Direktor: Dr. Torsten Raynal-Ehrke Registergericht: Amtsgericht Charlottenburg | HRB: 178532 B
Sollten Sie keine Informationen mehr von uns erhalten wollen, senden Sie uns bitte eine Email an presse@naturschutz-energiewende.de .
Diese Pressemitteilung enthält möglicherweise bestimmte in die Zukunft gerichtete Aussagen, die auf den gegenwärtigen Annahmen und Prognosen der Geschäftsführung der KNE gGmbH und anderen derzeit verfügbaren Informationen beruhen. Die KNE-Geschäftsführung beabsichtigt nicht und übernimmt keinerlei Verpflichtung, derartige zukunftsgerichtete Aussagen zu aktualisieren und an zukünftige Ereignisse oder Entwicklungen anzupassen.