Für mehr Nachhaltigkeit in der betrieblichen Vereinbarkeitspolitik: Kommunikationslücke schließen
Frankfurt (ots)
- Ergebnisse der gemeinsamen Arbeitgeberbefragung der berufundfamilie Service GmbH und des Netzwerkbüros "Erfolgsfaktor Familie"
Über 44 Mio. Menschen gehen in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nach. Nicht alle von ihnen sind Eltern oder leben in klassischen Mutter-Vater-Kind-Familien - und doch haben sie Vereinbarkeitsbedarfe. Mit ihrer gemeinsamen Befragung von 25 Arbeitgebern vermitteln die berufundfamilie Service GmbH und das Netzwerkbüro "Erfolgsfaktor Familie" einen Eindruck davon, wie es auf der Kulturebene der Organisationen in Deutschland um die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben steht, wer die vorrangigen Nutznießer*innen der aktuellen Angebote sind und an wen diese kommuniziert werden. "Vereinbarkeit hat viele Adressen" titelte die Arbeitgeberbefragung, die unter dem Dach des berufundfamilie Scouts von Mai bis Juli 2021 durchgeführt wurde.
Zukünftig wichtiger denn je: Allen Beschäftigtengruppen Vereinbarkeitsangebote machen
33,3 Prozent der befragten Organisationen ist es schon jetzt sehr wichtig und 42,9 Prozent wichtig, allen Beschäftigtengruppen Vereinbarkeitsangebote zu unterbreiten. Keiner der Arbeitgeber bezeichnete dies als unwichtig. Die Relevanz wird nach Einschätzung der Arbeitgeber noch zunehmen: So meinten 66,7 Prozent von ihnen, dass es in fünf Jahren sehr wichtig sein wird, allen Mitarbeitenden Maßnahmen zur Vereinbarkeit anbieten zu können. Weitere 23,8 Prozent gehen davon aus, dass dies wichtig sein wird. Unwichtig wird dies hingegen voraussichtlich weiterhin keine Organisation finden.
Beschäftigte mit Familienaufgaben im engeren Sinne im Fokus betrieblicher Vereinbarkeitsangebote
Ausnahmslos alle Beschäftigtengruppen in die betriebliche Vereinbarkeitspolitik zu integrieren, hat demnach bei den Organisationen einen hohen Stellenwert. Im aktuellen Angebotsportfolio spiegelt sich dies jedoch nur teilweise wider. So haben die Arbeitgeber für folgende Beschäftigtengruppen keine Vereinbarkeitsangebote konzipiert: Beschäftigte mit Verantwortung für Haustiere (36,8 Prozent), Mitarbeitende in Fernbeziehungen (26,3 Prozent), Singles (26,3 Prozent), Beschäftigte mit Ehrenämtern (26,3 Prozent) und Beschäftigte, die soziale Verantwortung für Nicht-Familienmitglieder übernehmen wie z.B. Nachbar*innen, Freund*innen (ebenfalls 26,3 Prozent).
Doch auch wenn es keine expliziten Angebote für diese Gruppen gibt - sie sind implizite Nutznießer*innen von vorhandenen Vereinbarkeitslösungen. Bedeutet: Sie nutzen Maßnahmen bzw. können diese nutzen, auch wenn diese nicht speziell für ihre Beschäftigtengruppe gestaltet wurden. Bei den Lösungen handelt es sich etwa um allgemeine Angebote, die unabhängig von der Beschäftigtengruppe nutzbar sind, wie Angebote zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsorts. Es können zudem Maßnahmen sein, die für andere Beschäftigtengruppen konzipiert wurden, jedoch in der Nutzung anderen Gruppen offenstehen. Von ihnen profitieren nach Einschätzung der Arbeitgeber vor allem alleinerziehende Väter (63,2 Prozent) und Beschäftigte mit Pflegeaufgaben nach Pflegegrad (ebenfalls 63,2 Prozent).
Die Mitarbeitendengruppe, für die die meisten Arbeitgeber explizite Vereinbarkeitsangebote - also speziell für sie gestaltete Lösungen - haben, sind Mütter (68,4 Prozent). Gefolgt werden sie von Vätern (47,4 Prozent). Darin schließt sich die Gruppe der pflegenden und die der potenziell pflegenden Beschäftigten an (mit jeweils 42,1 Prozent).
Herausforderung und Chance zugleich: Durchdringende Kommunikation
Oliver Schmitz, Geschäftsführer der berufundfamilie Service GmbH, ordnet die Befragungsergebnisse in die Praxis ein: "Nicht für jede einzelne Beschäftigtengruppe spezifische Vereinbarkeitslösungen zu haben, ist per se nicht verwerflich. Offen gestanden, ist dies auch gar nicht möglich, da sich die Vereinbarkeitsbedarfe unterschiedlicher Beschäftigtengruppen durchaus ähneln und eine Zuspitzung der Maßnahmen auf einzelne Zielgruppen schwer möglich ist. So kann der Wunsch nach Arbeitszeitflexibilisierung bei Beschäftigten mit einem Ehrenamt oder Mitarbeitenden, die in einer Fernbeziehung leben, genauso groß sein, wie bei Beschäftigten, die Kinder betreuen oder eine*n Angehörigen pflegen. Was zählt, ist, dass Arbeitgeber Ehrenamtler*innen und Singles wie Beschäftigte mit familiären Aufgaben im engeren Sinne als Zielgruppe von Vereinbarkeitsangeboten begreifen und diese auch aktiv in die Kommunikation dazu einbeziehen. Denn erst, wenn ausnahmslos alle Beschäftigten sich angesprochen fühlen und jede*r weiß, dass sie*er Vereinbarkeitsangebote nutzen kann, wirkt die familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik nachhaltig. Eine kommunikative Durchdringung, die für breite Akzeptanz sorgt, ist unabdingbar für die gelebte Vereinbarkeit."
Befragt, an wen sich ihre Kommunikation zu den Vereinbarkeitsangeboten richtet, antworteten Zweidrittel (66,7 Prozent) der Organisationen, dass sie alle Beschäftigtengruppen allgemein ansprechen. Als konkrete Zielgruppen nannten sie vorrangig Mitarbeitende, die familiäre Aufgaben im engeren Sinne haben: So gaben 71 Prozent der Organisationen an, dass sie das Thema Vereinbarkeit direkt an Mütter kommunizieren. Die Väter sind bei Zweidrittel (66,7 Prozent) gezielt in der Ansprache. 47,6 Prozent der Arbeitgeber nannten sowohl alleinerziehende Mütter als auch alleinerziehende Väter als kommunikative Zielgruppe. Jeweils 42,9 Prozent adressieren Beschäftigte mit Pflegeaufgaben nach Pflegegrad und Beschäftigte in der informellen Pflege. Immerhin bei jedem dritten Arbeitgeber (33,3 Prozent) werden Beschäftigte mit potenziellen Pflegeaufgaben direkt angesprochen.
Neben einem breiten Mittelfeld, das u.a. Menschen mit Behinderungen, Regenbogen- und Patchworkfamilien sowie ältere Beschäftigte umfasst, die am Übergang von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand stehen, gibt es eine Reihe von Beschäftigtengruppen, die in der direkten Kommunikation zum Thema Vereinbarkeit eher abgeschnitten sind: Beschäftigte, die sich derzeit in der Planung befinden, zukünftig mehr familiäre Verantwortung zu übernehmen (9,5 Prozent), LGBT*IQ (9,5 Prozent), Beschäftigte mit Fluchthintergrund (4,8 Prozent), Beschäftigte mit Ehrenämtern (4,8 Prozent), Mitarbeitende in Fernbeziehungen (4,8 Prozent), Großeltern (4,8 Prozent).
Weitere Ergebnisse - auch in Form einer Präsentation - sind auf der Website der berufundfamilie Service GmbH abrufbar: https://bit.ly/30UTPqy
Veranstaltungsreihe "Vielfalt hat viele Adressen"
"Vielfalt hat viele Adressen" ist auch der Titel der webbasierten Veranstaltungsreihe, die die berufundfamilie Service GmbH und das Netzwerkbüro "Erfolgsfaktor Familie" im November 2021 starteten. Bis Anfang März 2022 läuft die Serie, die allen vereinbarkeits- und vielfaltsinteressierten Vertreter*innen von Unternehmen, Institutionen und Hochschulen kostenfrei offensteht. Hier die kommenden Termine:
13.12.2021, 10.00 - 11.00 Uhr
Wer, wie, was? - Ein neuer Blick auf Beschäftigte und ihre Vereinbarkeitsbedarfe (Ergänzender Termin)
12.01.2022, 11.00 - 12.00 Uhr
02.02.2022, 14.00 - 15.00 Uhr
02.03.2022, 11.00 - 12.00 Uhr
Mehr als 'copy and paste' - Inspirierende Praxisbeispiele integrierender Vereinbarkeitspolitik
Informationen zu Inhalten und Anmeldung unter: https://bit.ly/3ECzq87
Die berufundfamilie Service GmbH ist Dienstleister und Think Tank im Themengebiet Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben. Sie begleitet erfolgreich Unternehmen, Institutionen und Hochschulen bei der Umsetzung einer nachhaltigen familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik und der Gestaltung familiengerechter Forschungs- und Studienbedingungen. Ihr zentrales Angebot ist das audit berufundfamilie bzw. audit familiengerechte hochschule, das von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung initiiert wurde. Das audit ist das strategische Managementinstrument, welches Arbeitgeber dazu nutzen, ihre Personalpolitik familien- und lebensphasenbewusst aufzustellen und ihre Arbeitgeberattraktivität zu stärken. Seit 1998 wurden über 1.800 Arbeitgeber mit dem Zertifikat zum audit ausgezeichnet. www.berufundfamilie.de
Das Unternehmensnetzwerk "Erfolgsfaktor Familie" wurde 2007 vom Bundesfamilienministerium und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag als zentrale Plattform für familienfreundliche Unternehmen gegründet. Seither wächst es kontinuierlich und umfasst mehr als 8.000 Mitglieder, vom Kleinstbetrieb bis zum DAX-Unternehmen. Das Netzwerkbüro unterstützt mit seinen Angeboten vor allem kleine und mittlere Betriebe bei der praktischen Umsetzung einer familienbewussten Personalpolitik. www.erfolgsfaktor-familie.de
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