In Italien sind überdurchschnittlich viele Menschen gestorben
Berlin (ots)
In einem vielfach geklickten und kommentierten Posting auf Facebook vom 15. April 2020 kritisiert ein Nutzer die Corona-Maßnahmen in Deutschland als überzogen und fordert, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wieder hochzufahren. Unter anderem heißt es, in Ländern wie Italien würden aktuell "nicht mehr Menschen als ohne den Corona Virus [sic!]" sterben. In den Krankenhäusern in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis seien nur neun Prozent der Intensivbetten belegt und selbst bei der Grippewelle 2017/18 mit etwa 25 000 Toten sei kein Krankenhaus überlastet gewesen (https://perma.cc/6LLE-7HCA).
BEWERTUNG: In Italien sind im März und im April 2020 deutlich mehr Menschen gestorben als in den Vergleichsmonaten der Vorjahre. In Bonn sind mehr als neun Prozent der Intensivbetten belegt, diese Zahl bezieht sich nur auf Corona-Patienten. Die Aussage, in der Grippesaison 2017/18 seien keine Krankenhäuser überlastet gewesen, trifft nicht zu.
FAKTEN: Das Netzwerk EuroMOMO veröffentlicht jeden Donnerstag für mehrere europäische Länder und Regionen Daten dazu, ob mehr Menschen in einer bestimmten Woche gestorben sind, als in diesem Zeitraum zu erwarten wäre. Der Fachbegriff dafür lautet Übersterblichkeit. (http://dpaq.de/IttuH)
Im Facebookpost wird behauptet, die Zahl der Todesfälle pro Tag in Italien bewege sich trotz der Corona-Pandemie auf einem normalen Niveau. EuroMOMO verzeichnete jedoch bereits Ende März eine "besonders hohe Übersterblichkeit" in Italien. (http://dpaq.de/abDuG)
Im Bulletin für die 14. Kalenderwoche (30. März bis 5. April) heißt es, es zeige sich ein "deutlicher Anstieg" der Übersterblichkeit "in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie". In einigen Ländern gebe es sogar eine besonders hohe Übersterblichkeit, vor allem bei Menschen über 65 Jahren, aber auch in der Gruppe der 15- bis 64-Jährigen. (http://dpaq.de/Adag4)
Am Beispiel der Stadt Bonn ist in dem Posting zudem die Rede von einer Auslastung der örtlichen Intensivbetten von neun Prozent. Diese neun Prozent (Stand: 8. April 2020) beziehen sich jedoch nur auf die Auslastung durch Corona-Patienten. Andere Intensivpatienten wurden dabei nicht berücksichtigt (http://dpaq.de/xo9v1).
In der Saison 2017/18 war Deutschland einer ungewöhnlich starken Grippewelle ausgesetzt (http://dpaq.de/pG2uu). Angeblich war trotzdem "nicht ein Krankenhaus überlastet", heißt es im Facebookbeitrag. Tatsächlich gab es im März 2018 Berichte über Krankenhäuser, die Operationen verschieben und mehr Menschen abweisen mussten (http://dpaq.de/r3keq).
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Links:
Post auf Facebook: https://www.facebook.com/wolfgang.kolz.94/posts/1350880355103399 (archiviert: https://perma.cc/6LLE-7HCA)
Informationen zu EuroMOMO: https://www.euromomo.eu/about_us/history.html (archiviert: http://dpaq.de/IttuH)
EuroMOMO-Bulletin für Kalenderwoche 13, veröffentlicht am 2. April: https://www.euromomo.eu/bulletin_pdf/2020/2020_13_bulletin.pdf (archiviert: http://dpaq.de/abDuG)
EuroMOMO-Bulletin für Kalenderwoche 14, veröffentlicht am 9. April: https://www.euromomo.eu/bulletin_pdf/2020/2020_14_bulletin.pdf (archiviert: http://dpaq.de/Adag4)
Bericht über Intensivbetten in Bonn: https://www.express.de/bonn/corona-krise-intensivbetten--bonner-muessen-sich-keine-sorgen-machen-36527302 (archiviert: http://archive.vn/20vdT)
Artikel zur Grippewelle 2017/18: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/106375/Grippewelle-war-toedlichste-in-30-Jahren (archiviert: http://archive.ph/gp8OQ)
Bericht über die Grippewelle 2017/18: https://www.merkur.de/welt/grippe-verursacht-an-vielen-stellen-probleme-zr-9699319.html (archiviert: http://archive.vn/GFo7l)
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