Neue Geschäftsmodelle für die Fertigungsindustrie
Neue Geschäftsmodelle für die Fertigungsindustrie
Im jetzt abgeschlossenen BMBF-Projekt entwarf X-INTEGRATE nutzungsdauerbasierte Pay-per-X-Modelle zur Flexibilitätssteigerung in der Produktion
Viele Fertigungsbetriebe sind sich unsicher, wie genau sie ihr etabliertes in ein digitales Geschäftsmodell transformieren können. Wo bislang der Verkauf von Maschinen und Dienstleistungen im Fokus stand, treten neben diese etablierten Modelle nun nutzungsabhängige Pay-per-use- oder datengetriebene Services. Entwickelt wurden sie im Projekt ZuPro2Flex des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Die hohe Komplexität seitens der Anlagen, Prozesse und Produkte sowie die Angst vor dem Know-how-Verlust durch eine Weitergabe von Produktionsdaten hemmten bisher die Einführung solcher neuen Geschäftsmodelle. Der Individualisierungsgrad für die Überwachung von Maschinen und Prozessen ist oft so hoch, dass die Einführung von Digitalisierungslösungen schwierig sein kann. Alte, stark angepasste Anlagen mit Legacy-Protokollen stehen in den Werkshallen neben Industrie-4.0-fähigen Maschinen der neuesten Generation. So herrscht, was Plattformen und Formate angeht, große Heterogenität. Durchgängige Digitalisierung bräuchte in einem Industriebetrieb aber größtmögliche Interoperabilität aller Daten.
Diese Hemmnisse zu beseitigen, war das Ziel des jetzt abgeschlossenen Projektes „Zustandsbewertung und Prozessassistenz für nutzungsdauerbasierte Geschäftsmodelle zur Flexibilitätssteigerung in der Produktion“ (ZuPro2Flex) des BMBF, in dem X-INTEGRATE Pay-per-X-Geschäftsmodelle für den Maschinenbau weiterentwickelte. Sie gehen über das reine Pay-per-Use hinaus und bemessen die Maschinenabrechnung nicht nur nach Nutzung, sondern anhand weiterer Kennzahlen. Maschinenbauer erhalten damit eine Einführungsmethode für Digitalisierungslösungen an die Hand.
„Im Projekt haben wir bekannten Hemmnisse aus technologischer und wirtschaftlicher Perspektive adressiert und Lösungen für die Wahrung der Geschäftssicherheit bei der Bestimmung und Übermittlung von abrechnungsrelevanten Daten entwickelt, sowie für die Einführung und Planung von digitalen Geschäftsmodellen für bestehende Produktarchitekturen und eine Realisierung entsprechender Überwachungs- und Assistenzsysteme“, berichtet Stephan Pfeiffer, Prokurist, Head of Consulting & Software Services bei X-INTEGRATE.
Die entstandenen Lösungen wurden im Projekt für fünf Produkte (Fertigungskapazität einer Warmformanlage, Drahtziehanlage, Induktionserwärmer, Hydraulikaggregat und -service) technisch-wirtschaftlich erprobt und validiert.
Eine möglichst hohe Geschäftssicherheit auf allen Seiten ist für digitale Geschäftsmodelle zentral. Dabei steht die Frage im Raum, welche Daten Geschäftsgeheimnisse sind und welche in digitalen Services und zur Abrechnung weitergegeben werden können. Ohne vertrauensvolle Datenlogistik werden diese Geschäftsmodelle kaum akzeptiert werden. Im Projekt wurde deshalb ein digitaler Notar (Abbildung 1) entwickelt und erprobt. Dieser bildet eine neutrale Instanz in Hard- und Software und ist direkt an der Maschine verortet. Der digitale Notar wandelt die Produktions- und Maschinendaten in neutrale Indizes um, welche dann für die Abrechnung weitergeleitet werden – ohne Know-how preiszugeben. Somit können auch komplexe Angebote sicher und nachvollziehbar abgerechnet und die Geschäftssicherheit gewahrt werden.
Da Produktionssysteme individuell sind, muss auch das neue Geschäftsmodell an das jeweilige technische System angepasst werden. Durch eine in ZuPro2Flex entwickelte Systematik zur Analyse der Pay-per-X-Readiness-Maschinen kann geprüft werden, welche Potenziale und Risiken bestehen. So wird eine frühzeitige Bewertung möglich. Eine virtuelle Testumgebung macht die Methode und die Informationen online verfügbar.
Erprobt wurde die entstandenen Geschäftsmodelle in drei Pilotanlagen, um passende und geschäftssichere Lösungen zu etablieren. Die Use-Cases orientieren sich an konkreten Lieferanten-Kunden-Beziehungen:
Im Use-Case „Prozess und Anlage“ wurden gleich zwei Geschäftsmodelle am Beispiel einer Warmformanlage für Pressteile erprobt. Zum einen geht es darum, über den Ansatz Pay-per-stroke, ein plattformbasiertes Geschäftsmodell, flexibel freiwerdende Anlagenkapazitäten verfügbar zu machen. Zum anderen werden Teile der Warmformanlage selbst (hier das Erwärmungssystem) als Pay-per-X bereitgestellt. Für das Gelingen dieser beiden Geschäftsmodelle ist eine Prozess- und Anlagenüberwachung notwendig. Dementsprechend liegt der Fokus speziell auf der Entwicklung der notwendigen Sensorik sowie auf der Entwicklung von Konzepten zur Datenhaltung und -sicherheit.
Der Use-Case „Maschine und Komponente“ beschreibt eine Drahtziehmaschine mit einem pay-per-X-finanzierten Hydraulikaggregat, wobei die Kosten in Abhängigkeit vom Nutzungsverhalten des Maschinenbetreibers ermittelt werden. Hierfür wird der in ZuPro²Flex entwickelte digitale Notar verwendet. Auch hier ist Transparenz für Prozess und Zustand essenziell.
Im Use-Case „Maschine und Service“ werden digitale Serviceleistungen und Maschinenoptimierungen mit dem Ziel der Betriebseffizienzsteigerung und Risikominimierung realisiert. Im Zentrum steht ein Pay-per-efficiency-Geschäftsmodell. Insbesondere die digitale Assistenz für Mitarbeitende an komplexen Produktionssystemen und die Integration in übergeordnete Maschinen und Anlagen stellen Schwerpunkte bei der Entwicklung und Umsetzung dieses Use-Case dar.
Das ZuPro2Flex-Konsortium ist sich einig: Nur durch eine konsequente Verknüpfung der entstandenen Lösungen und die Möglichkeit ihrer agilen Anpassung werden künftig digitale Geschäftsmodelle für komplexe Produktionssysteme realisierbar. Dass dies gelingen kann und wie Realisierungen aussehen, hat ZuPro2Flex gezeigt. Als dessen wertvollster Bestandteil kann die systematische Vermaschung der Lösungen und deren Abgleich mit sich ständig ändernden Randbedingungen in der Produktionstechnik gesehen werden.
Stephan Pfeiffer: „Das Projekt hat eine Vielzahl an Impulsen und Ergebnissen geliefert, welche wir in unsere Services und Beratungsangebote einbinden werden. Wir werden das Vorgehensmodell weiter aufwerten und die Software-Assets um neue Funktionen erweitern. Auch nach Projektende wird das erweiterte Netzwerk Kooperationen ermöglichen und so digitale Initiativen beschleunigen.“
Über X-INTEGRATE
Die X-INTEGRATE GmbH aus Köln begleitet Kunden bei der Erschließung neuer Geschäftschancen durch optimierte, automatisierte und integrierte Prozesse. Das Beratungs- und Softwareentwicklungsunternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Geschäftsprozesse durch Automatisierung zu optimieren und neue Geschäftsmodelle mit innovativer Technologie zu unterstützen. Hierfür integriert es heterogene Datenbestände und Applikationen, analysiert Geschäftsabläufe mit Prozessmethoden und automatisiert sie mit technischen Workflows, bereitet Geschäftsentscheidungen mittels Data Science vor oder automatisiert diese ganz. Beim Einsatz innovativer Technologien zur Geschäftsprozessoptimierung verbindet X-INTEGRATE Expertise in Prozessmanagement und -automation, Entscheidungsanalytik und bodenständiger IT-Integration.
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