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„Spritz dich schlank“ bleibt eine Illusion

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Einweg-Spritzen mit dem Wirkstoff Semaglutid helfen bei der Gewichtsreduktion – sind jedoch ohne Verhaltensänderung keine Wunderwaffe gegen Adipositas, mahnt der Frankfurter Adipositas-Arzt Dr. Plamen Staikov.

Frankfurt-Sachsenhausen. Es ist ein nicht ungefährlicher Trend, der gerade in den sozialen Netzwerken für Furore sorgt: Vor allem auf TikTok zeigen Menschen, wie sie mit der vermeintlichen „Abnehmspritze“ Ozempic ihr Gewicht reduziert haben. Angefeuert wurde der Hype vor allem durch Tesla-Gründer Elon Musk, der durch „Wegovy“, wie das Medikament in den USA heißt, binnen kurzer Zeit die Kilos purzeln ließ. Das Medikament mit dem Wirkstoff Semaglutid wurde ursprünglich für die Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt. Doch es kann auch beim Abnehmen helfen. Denn Semaglutid führt bei Menschen ohne Diabetes zu einer Gewichtsreduktion von etwa 15 Prozent, wie Studien belegt haben.

„Spritz dich schlank“ – ist es wirklich so einfach? „Nein, denn die Spritze ist kein Lifestyle-Produkt“, mahnt Dr. Plamen Staikov. Er ist Chefarzt des Adipositas-Zentrums am DGD Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt am Main, betreut zahlreiche Patienten und nimmt jährlich mit seinem Team rund 1000 Adipositas-Operationen vor. „Ozempic und Co. können eine recht effektive Ergänzung bei der konservativen Behandlung zur Gewichtsreduzierung sein“, verdeutlicht der Mediziner.

Wie funktioniert Semaglutid? „Das Medikament wirkt ähnlich wie das körpereigene Hormon GLP-1“, sagt Dr. Staikov. Es regt in der Bauchspeicheldrüse die Insulin-Produktion an, senkt so den Blutzuckerspiegel – im Gehirn kommt dadurch die Botschaft an: Ich bin satt. In der Folge verliert der Patient Gewicht.

Verhaltenstherapie, Ernährungsumstellung und ein Plus an Bewegung sorgen laut Staikov in der Regel zu einer Gewichtsabnahme von etwa fünf Prozent. „Mit den Medikamenten ist jedoch ein Gewichtsverlust zwischen 10 und 15 Prozent des Körpergewichts binnen ein bis eineinhalb Jahren möglich“, erläutert Staikov. Damit könne beispielsweise eine 1,70 Meter große Person und einem Gewicht von 90 Kilo – was einem Body-Mass-Index (BMI) von knapp über 30 entspricht – „14 bis 15 Kilo abnehmen und somit in die Nähe seines Normalgewichts kommen“. Patienten, die allerdings wesentlich mehr auf die Waage bringen, drittgradig adipös mit einem BMI von über 40 seien, „müssten 30 bis 40 Prozent ihres Körpergewichts reduzieren. Das ist wesentlich mehr, als die Medikamente leisten können. Dort ist eher eine Operation angezeigt.“

Dr. Plamen Staikov verdeutlicht, dass Semaglutid-Präparate „auf keinen Fall ohne ärztliche Beratung“ angewendet werden sollten. Denn die Medikamente haben auch Nebenwirkungen: Dazu gehören etwa Übelkeit und Erbrechen ebenso, wie Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase. In Tierversuchen sei zudem ein potenziell erhöhtes Risiko für bestimmte Schilddrüsenkrebsarten festgestellt worden. Und auch die Langzeitwirkung ist noch nicht erforscht – Ozempic ist in Deutschland seit 2018 zugelassen, Wegovy gar erst seit Januar 2022.

Staikov verdeutlicht zudem: „Wer denkt, er könne sich einfach etwas spritzen und muss sich dann um nichts mehr sorgen, weil das Medikament ohnehin dafür sorgt, dass er Gewicht verliert, der irrt: Die Spritze ersetzt keinesfalls eine gesunde Ernährung und mehr Bewegung. Ohne Verhaltensänderung geht es nicht – schon gar nicht auf lange Sicht.“ Denn auch das hätten Studien gezeigt: Wer das Medikament absetze, ohne seine Gewohnheiten zu ändern, nehme auch schnell wieder deutlich zu.

Der Social-Media-Trend führt noch zu einem weiteren unerwünschten Nebeneffekt: Die Menschen, die das Medikament tatsächlich benötigen – also Diabetiker – bekommen es gerade wesentlich schwieriger. Denn durch den Hype ist die Nachfrage so groß, dass der Hersteller Novo Nordisk bereits zeitweise Lieferverzögerungen eingeräumt hat. „Der Hersteller arbeitet schon an einer Erhöhung der Kapazität“, weiß Staikov, die Liefersituation sei zwar etwas angespannt, „wird sich aber bis Mitte des Jahres bestimmt normalisieren“, sagt der Mediziner.

Er weist noch auf einen Punkt hin: „Das rezeptpflichtige Medikament, das einmal wöchentlich mit einem Einweg-Pen gespritzt wird, wird für Nicht-Diabetiker nicht von der Krankenkasse bezahlt.“ In den USA kosten die Injektionen mit dem – gegenüber Ozempic höher dosierten – Wegovy derzeit gut 1000 US-Dollar pro Monat. Staikov geht davon aus, dass das Medikament in Deutschland günstiger sein wird, rechnet aber dennoch mit „hohen, dreistelligen Beträgen“ für die Behandlung. Das könne sich nicht jeder leisten.

Sein Fazit: „Die Behandlung mit Semaglutid kann für manche Patienten sinnvoll sein – aber sie muss dringend ärztlich überwacht werden. Und eins ist klar: Die Spritze ist kein Lifestyle-Produkt. Spritz dich schlank funktioniert so nicht.“

Über die DGD Krankenhaus Sachsenhausen gGmbH:

Das DGD Krankenhaus Sachsenhausen ist ein diakonisches Akutkrankenhaus, das jährlich rund 40.000 stationäre und ambulante Fälle versorgt. Die Klinik ist nicht nur ein Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Frankfurt, das an der Notfallversorgung der Region teilnimmt: Sie ist ein zertifiziertes Referenzzentrum für Adipositaschirurgie, eine zertifizierte „5 Sterne-Behandlungseinrichtung“ für Menschen mit Diabetes (BVKD) und hat außerdem Schwerpunkte in der minimal-invasiven gynäkologischen Chirurgie (MIC III-Zentrum), der Interventionellen Radiologie und der Gastroenterologie. In der Abteilung für Geburtshilfe kommen rund 800 Babys pro Jahr auf die Welt. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die invasive Kardiologie mit zertifizierter Chest-Pain-Unit sowie einer Herzkatheteranlage. Zum Krankenhaus zählen für die sektorenübergreifende Versorgung der Patienten auch das MVZ Sachsenhausen, das MVZ Radiologie Sachsenhausen, die MEDIPARG GmbH sowie die stationäre Langzeitpflege Füreinanderdasein GmbH mit ihrer Beatmungspflege. Die DGD Krankenhaus Sachsenhausen gGmbH ist nach DIN ISO 9001:2015 zertifiziert.

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