JAHRESTAGUNG KERNTECHNIK 2000, Bonn
Pressekonferenz des Präsidenten Dr. Otto Majewski
Bonn (ots)
Sehr geehrte Damen und Herren von der Presse,
ich darf Sie herzlich begrüßen und freue mich, dass Sie in dieser wichtigen Phase für die deutsche Kernenergie den Weg nach Bonn zur Jahrestagung Kerntechnik 2000 gefunden haben.
Um eines gleich vorwegzunehmen: Zu Einzelheiten der laufenden Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Kernkraftbetreibern möchte und werde ich mich - mit Rücksicht auf das beiderseitig vereinbarte Stillschweigen - heute nicht äußern. Ich will es hier bei dem in letzter Zeit häufig zitierten Bild vom "Licht am Ende des Tunnels" belassen.
Verhandlungsgegenstand in den Gesprächen zwischen Bundesregierung und KKW-Betreibern ist ein pragmatischer Kompromiss über den gesicherten Betrieb der bestehenden Kernkraftwerke, über Entsorgungsfragen, die Handhabung der atomrechtlichen Aufsicht und über die Laufzeiten unserer Anlagen.
Verhandlungsgegenstand ist definitiv nicht "der Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie". Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Bundesregierung langfristig einen solchen Ausstieg anstrebt, wollen dabei aber nicht helfen.
Worum geht es? Für uns als Betreiber geht es vor allem um einen politischen Kompromiss: Wir sind bereit, definierte Laufzeiten oder Strommengen für bestehende KKW zu akzeptieren, wenn der Schutz der Anlagen vor "politischen Störfällen" und eine stabile Entsorgungssituation gewährleistet sind.
Unser Verständigungsinteresse folgt aus der nüchternen Analyse politischer Mehrheitsverhältnisse und unternehmerischer Realitäten: Es geht uns um den Interessenschutz unserer Aktionäre, um langfristig gesicherte Arbeitsplätze und unsere Position in einem immer härter werdenden Markt.
Die heimischen Kernkraftwerke stärken unsere Position im europäischen Wettbewerb und sichern damit Tausende Arbeitsplätze. Der von manchen erhoffte "Ausstieg durch den Wettbewerb" findet nicht statt. Vielmehr ist die Stromerzeugung auf Kernenergiebasis 1999 - im ersten vollen Jahr des Stromwettbewerbs - hierzulande um rund 5 % auf knapp 170 Milliarden Kilowattstunden gestiegen. Von den zehn produktivsten Anlagen weltweit standen im vergangenen Jahr allein sieben in Deutschland. Das ist der Grund, warum wir eine Einigung mit der Politik anstreben.
Von der Notwendigkeit eines pragmatischen Kompromisses ist die Frage nach der energiepolitischen Sinnhaftigkeit einer möglichen Einigung zu unterscheiden. Diese Frage ist allein von der Politik zu beantworten. Die Verantwortung für die wirtschafts-, technologie- und klimapolitischen Folgen ihrer Energiepolitik trägt die Bundesregierung.
Es gehört zu den traurigen Begleiterscheinungen der Nabelschau, die wir seit Jahren in der nationalen Kernenergiediskussion betreiben, dass uns der Blick für die großen internationalen Trends verloren geht.
Dass Kernenergie auch im Jahr 2000 Perspektive und Zukunft hat, zeigt ein Blick über die Landesgrenzen.
Während bei uns 30- oder 35-jährige Laufzeiten zur energiepolitischen "Gretchenfrage" erhoben werden, hat die US-amerikanische Aufsichtsbehörde NRC im März die Betriebsgenehmigung des US-KKW Calvert Cliffs von 40 auf 60 Jahre verlängert. Rund 45 weitere KKW haben entsprechende Anträge angekündigt und zum Teil bereits eingereicht. In zahlreichen Ländern dieser Welt gehen in diesen Tagen neue Reaktoren ans Netz (Frankreich - Civaux-2; Indien KKW Blöcke 11 und 12; Südkorea - 15. KKW; Brasilien - Reaktor Angra-2; Tschechien - Temelin; Slowakei - Mochovce). In Indien und Japan werden vier neue KKW in Angriff genommen.
Auch außerhalb Deutschlands erweist sich die Kernenergie als zentrales Asset im Stromwettbewerb:
In den USA wurden bereits stillgelegte Reaktoren reaktiviert und ans Netz genommen; die Erzeugung von Strom auf Kernenergiebasis nahm in den letzten beiden Jahren insgesamt um mehr als 15 % zu. Großbritannien steigerte den Anteil der Kernenergie an seiner Stromerzeugung in den vergangenen zehn Jahren um sieben Prozentpunkte auf nunmehr 29 %.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Kernenergie gilt im Übrigen nicht nur für weitgehend abgeschriebene Anlagen. Die deutsch-französische Entwicklung des Europäischen Druckwasser-Reaktors (EPR) hat es ermöglicht, die Kapitalkosten für Neuanlagen drastisch zu senken. Der EPR bietet von Anfang an volle Wettbewerbsfähigkeit mit fossilen Erzeugungsarten. Die Tatsache, dass wir in den letzten Jahren keine Neubauvorhaben in Angriff genommen wurden, hat daher - entgegen einer Vermutung aus der Bundesregierung - nichts mit einem angeblichen freiwilligen Ausstieg der Energiewirtschaft zu tun. Sie ist vielmehr schlicht darauf zurückzuführen, dass nach heutigem Erkenntnisstand frühestens 2010/2015 neue Erzeugungskapazitäten benötigt werden.
Der international zu beobachtende Trend hin zur Kernenergie stützt sich aber nicht nur auf ihre Wirtschaftlichkeit. Auch die wachsende Bedeutung der Klimaproblematik spielt hier eine Rolle.
Das CO2-Minderungsziel für die Europäische Union beträgt laut Kioto-Protokoll 8 %. Dieser Wert ist im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 zu erreichen und entspricht einer jährlichen Reduzierung um rund 250 Mio. Tonnen Kohlendioxid.
Innerhalb der EU hat sich Deutschland zu einer Minderung um 21 % verpflichtet - in etwa 200 Mio. Tonnen CO2 p.a.. Deutschland trägt damit mehr als 3/4 der Netto-Minderungslast der Gemeinschaft. Heute vermeiden die deutschen Kernkraftwerke 100 bis 170 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr (je nach Substitutionsmethode). Die These des Bundesumweltministers, "der Ausstieg sei Voraussetzung für effektiven Klimaschutz" ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Diese Auffassung wird im Übrigen nicht nur von den deutschen Betreibern, sondern auch von der Energiekommissarin der EU, Frau Loyola de Palacio, geteilt. Frau de Palacio hat unterstrichen, dass ein Erreichen der Kioto-Klimaziele für Europa bei Verzicht auf die Kernenergie unmöglich ist. Auch Kommissionspräsident Prodi hat eindringlich auf die Verschärfung des Klimaschutzproblems für den Fall eines deutschen Ausstiegs hingewiesen.
Fazit:
Die deutschen Kernenergie-Betreiber sind Realisten. Wir sind deshalb bereit zur pragmatischen Einigung mit der Bundesregierung auf einer fairen Geschäftsgrundlage. Genauso nüchtern und ebenso deutlich ist unsere energiepolitische und volkswirtschaftliche Würdigung der Kernenergiepolitik des Bundes. Die Energiewirtschaft hat hierzu ihre klare Position, und wir werden sie auch künftig deutlich zu Gehör bringen.
Hinweis für Redaktionen: Die Tagung dauert bis Donnerstag, den 25.5.2000. Die Pressestelle ist in dieser Zeit zu erreichen unter Tel.: 02 28/81 08-7 14; Fax: 02 28/81 08-7 60.
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