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Verlust der Sinnlichkeit: Wenn Ernährung zum Lebensmittelpunkt und Statussymbol wird
Dr. med. Stippel, Chefärztin der Oberberg Fachklinik Konraderhof, klärt auf

Berlin (ots)

Geschmacksexplosion und Symphonie der Sinne - Essen kann eine wahrhaft sinnliche Erfahrung und eine der schönsten Nebensachen der Welt sein. Für Menschen, die an einer Essstörung leiden, wird sie allerdings zum belastenden Lebensmittelpunkt. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung leiden rund fünf Millionen Menschen in Deutschland an einer Essstörung. Dr. med. Andrea Stippel, Ärztliche Direktorin und Chefärztin der Oberberg Fachklinik Konraderhof, informiert über die Erkrankung, die zunehmende Häufigkeit, verkehrte Vorbilder und Behandlungsmöglichkeiten.

Magersucht, Ess-Brech-Sucht, exzessives Essen

Im Wesentlichen werden drei Arten von Essstörungen unterschieden: Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und Binge Eating Disorder (exzessives Essen). "Die allgemein bekannteste Essstörung ist die Magersucht, obwohl sie seltener auftritt als Bulimie oder die Binge Eating-Störung", erklärt Dr. Stippel. "Magersucht ist die psychische Erkrankung mit der höchsten Mortalitätsrate", so die Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie weiter. Bis Betroffene ihre Essstörung als ernsthafte psychosomatische Krankheit begreifen, vergeht oft eine lange Leidenszeit. Sie verheimlichen ihr gestörtes Essverhalten meist sehr geschickt und streiten ihrem Umfeld gegenüber vehement ab, mit der Ernährung Probleme zu haben. Betroffenen wird eine Essstörung häufig erst dann bewusst, wenn die negativen Folgen für den Körper und die Psyche bereits gravierend sind.

Lockdowns führten zur Zunahme von Essstörungen

Die sozialen Einschränkungen während der Pandemie waren für viele Kinder und Jugendliche eine Belastung. Zahlen[1] belegen, dass in Deutschland immer mehr Kinder an Essstörungen erkrankten. Die Zahl der Kinder zwischen 10 und 14 Jahren, die wegen einer Essstörung stationär behandelt werden müssen, stieg 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 21 Prozent, in der Altersgruppe 15 bis 17 Jahre waren es 17 Prozent. "Der Schweregrad der Erkrankung hat zugenommen, das Alter der Erkrankten ist gesunken", so die Expertin.

Gestörtes Selbstbild, falsches Vorbild

Auch das Thema Ernährung ist dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen. "Ernährung dient heute oft nicht mehr ausschließlich der Erhaltung des Körpers und der Energiezufuhr, sondern wird zum Ausdruck der eigenen Identität sowie zu einem Statussymbol", erklärt Dr. Stippel. Dies zeigt sich durch die Vielzahl an Ernährungsformen und -trends. Die eigene Ernährung ist für manche Teil der eigenen Weltanschauung - ernährt man sich gesund, ökologisch, fair, nachhaltig usw. "Jugendliche setzen sich mit den Themen der Zeit auseinander und das sollen sie auch. Problematisch wird es, wenn Ernährung das Leben bestimmt. Wenn Essen und Sport als Leistungsaspekte immer mehr in den Vordergrund rücken und Menschsein nicht mehr als solches zählt, sondern nur noch wichtig ist, was man schafft, gemäß dem Motto 'Du bist, was du isst'".

Soziale Medien können zur Entwicklung einer Essstörung beitragen durch zweifelhafte Vorbilder und Schönheitsideale, Verharmlosung der Krankheit, riskante Challenges oder perfekt scheinende Bilder von favorisierten Influencerinnen und Influencern.

Behandlung von Essstörungen

Die Sinnlichkeit des Essens - es zu sehen, zu riechen, zu schmecken oder beim Biss zum Beispiel in ein knuspriges Brötchen auch zu hören - geht den Betroffenen verloren. "In der Therapie wollen wir die Perspektive verändern, Essen soll wieder zu einer Erfahrung mit allen Sinnen werden", sagt Dr. Stippel. Eine Essstörung bedarf einer professionellen Behandlung. Bei der vollstationären Therapie einer Magersucht in der Oberberg Fachklinik Konraderhof können die Patientinnen und Patienten Abstand zu ihrem Alltag und damit zu ihrem Krankheitsbild gewinnen. Die Klinik wird zum geschützten Raum, in dem das Leben jenseits der Erkrankung ohne störende Einflüsse von außen geübt und ausprobiert werden kann.

Die Oberberg Fachklinik Konraderhof kann durch die Zusammenarbeit mit anderen Kliniken Kinder und Jugendliche ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 12,5 aufnehmen und betreut auch Kinder und Jugendliche, die wegen eines schlechten allgemeinen Gesundheitszustandes aufgrund der Essstörung im Krankenhaus behandelt und überwacht werden müssen. Der BMI misst das Verhältnis von Körpergröße und Gewicht und ist ein grober Richtwert, um das Körpergewicht einzuschätzen. Bei Kindern und Jugendlichen werden zudem alters- und geschlechtsspezifische pädiatrische Norm- und Vergleichskurven zur Beurteilung des Gewichts und des Gewichtsverlaufs herangezogen. Neben der Beobachtung des Gewichtes geht es aber vor allem auch um die Behandlung von quälenden, kreisenden Gedanken, Bewegungsunruhe und der Körper- und Emotionswahrnehmung.

Auch eine teilstationäre Behandlung kann für Betroffene eine Option sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Patientin oder der Patient medizinisch stabil und in der Lage ist, das letzte Abendessen zuhause allein bzw. mit Unterstützung der Eltern, einzunehmen. Die teilstationäre Therapie kann von Beginn der Therapie an erfolgen oder sich an einen stationären Aufenthalt anschließen. Des Weiteren kann ein Hometreament im Rahmen einer intensiven ambulanten Nachsorge (HaNso) stattfinden, wenn die Familien in einem engeren Umkreis der Klinik wohnen. Das HaNso Setting ermöglicht, dass die Betroffenen weitgehend in ihrem Lebensumfeld verbleiben. Therapeutische Maßnahmen und Verhaltensänderungen können sofort in den Alltag übertragen und "geübt" werden und helfen, kreisende Gedanken um das Essen loszulassen und den Alltag nachhaltig zu normalisieren.

Veranstaltungshinweis:

Am 24. August 2022 in der Zeit von 15.00 Uhr bis 17.15 Uhr lädt Dr. med. Andrea Stippel, Ärztliche Direktorin und Chefärztin der Oberberg Fachklinik Konraderhof, zu einem Symposium ein. Priv.-Doz. Dr. med. Sarah Hohmann vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim wird einen Vortrag zum Thema "Psychose und ihre Behandlung mit dem Soteria-Konzept" halten. Univ.-Prof. Dr. med. Beate Herpertz-Dahlmann von der RWHT Aachen referiert über "Neue Wege aus der Magersucht - aktuelle Erkenntnisse aus Grundlagenforschung und Klinik?".

Die Veranstaltung findet vor Ort in der Oberberg Fachklinik Konraderhof in Hürth statt. Eine Anmeldung unter konraderhof@oberbergkliniken.de wird erbeten. Drei Fortbildungspunkte sind bei der Ärztekammer Nordrhein beantragt.

Weitere Informationen zur Oberberg Fachklinik Konraderhof:

https://www.oberbergkliniken.de/fachkliniken/konraderhof

Mehr über Essstörungen:

https://www.oberbergkliniken.de/krankheitsbilder/essstoerungen#

Über die Oberberg Gruppe: Die Oberberg Gruppe mit Hauptsitz in Berlin ist eine vor mehr als 30 Jahren gegründete Klinikgruppe mit einer Vielzahl an Fach- und Tageskliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an verschiedenen Standorten Deutschlands. In den Kliniken der Oberberg Gruppe werden Erwachsene, Jugendliche und Kinder in individuellen, intensiven und innovativen Therapiesettings behandelt. Darüber hinaus existiert ein deutschlandweites Netzwerk aus Oberberg City Centers, korrespondierenden TherapeutInnen und Selbsthilfegruppen.

[1] https://ots.de/JGmRjE

Pressekontakt:

HOSCHKE & CONSORTEN (oberberg@hoschke.de) www.oberbergkliniken.de

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