AOK-Gesundheitsreport 2023: Familiäre Belastungen erhöhen gesundheitliche Risiken von Kindern
2 Documents
AOK-Gesundheitsreport 2023: Familiäre Belastungen erhöhen gesundheitliche Risiken von Kindern
Rund die Hälfte der bei der AOK Rheinland/Hamburg versicherten Kinder und Jugendlichen wächst in Haushalten mit außergewöhnlichen Belastungen auf und trägt ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Probleme. Die Gesundheitskasse fordert, Kinder stark zu machen und ihre Resilienz zu fördern.
Sind Eltern gesundheitlich besonders belastet, wirkt sich das oft auf die Verfassung ihrer Kinder aus. Auswertungen der AOK Rheinland/Hamburg zeigen, dass Kinder chronisch kranker Eltern ein deutlich höheres Risiko für eigene gesundheitliche Auffälligkeiten tragen. Die Analysen der Gesundheitskasse weisen auch nach, wie viele Familien sich mit solchen Problemen arrangieren müssen: Jedes zweite bei der AOK versicherte Kind wächst in einem Haushalt mit mindestens einer familiären Belastungssituation auf. Viele Tausende Kinder allein zwischen Rhein und Ruhr sind also betroffen, wie der neue Gesundheitsreport der AOK Rheinland/Hamburg bestätigt.
Der Gesundheitsreport 2023 richtet seinen Fokus auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Anspannungen, Stress oder Schmerzen schränken viele Väter und Mütter in ihrer Elternrolle ein. Jedes fünfte Kind (20 Prozent) lebt mit einem Elternteil zusammen, das unter psychischen Störungen leidet. Fast genauso viele Kinder (18 Prozent) haben körperlich erkrankte Väter oder Mütter. Außerdem können sozioökonomisch prekäre Familienverhältnisse verhindern, dass Kinder unbeschwert und gesund aufwachsen – allein davon sind 31 Prozent der bei der AOK Rheinland/Hamburg versicherten Kinder und Jugendlichen betroffen, deren Gesundheitsdaten nun ausgewertet wurden. Analysiert wurden Daten aus dem Jahr 2021.
Die anhaltende psychische Störung eines Elternteils beeinflusst die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen von allen familiären Belastungssituationen am stärksten. In diesen Fällen liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Auffälligkeit insgesamt um 29 Prozent höher als bei anderen Kindern und Jugendlichen.
Insbesondere Verhaltens- und Essstörungen treten deutlich häufiger auf, hier sind die Werte sogar um knapp 70 Prozent erhöht.
„Die ersten Jahre im Leben eines Menschen sind prägend. Die Familie ist für Kinder der wichtigste soziale Bezugspunkt und Bildungsort. Fehlt es hier an Unterstützung und Hilfestellungen auf dem Weg zum Erwachsensein, kann das weitreichende Folgen nach sich ziehen, auch weil die Kinder ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen“, sagt Günter Wältermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. Er fordert deshalb eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, um Familien zu unterstützen. Insbesondere diejenigen, die sich in herausfordernden Situationen befinden, bräuchten mehr Orientierung und eine zugewandte Begleitung, um sich im komplexen Gesundheitssystem besser zurechtzufinden. „Es gibt bereits zahlreiche Unterstützungsangebote, die viele Betroffene aber schlicht nicht kennen“, führt Wältermann aus. Von besonderer Bedeutung sei auch die Stärkung der Vorsorgeuntersuchungen, bei denen Entwicklungsstörungen möglichst früh erkannt und behandelt werden können.
Kinder stark machen, Resilienz fördern
Der Gesundheitsreport der AOK Rheinland/Hamburg zeigt: Mehr als jedes vierte Kind unter sechs Jahren (27 Prozent) aus einem Haushalt mit Arbeitslosengeld-II-Bezug verpasste 2021 eine in dem Jahr empfohlene Vorsorgeuntersuchung (U-Untersuchung). Die Wahrscheinlichkeit ist 64 Prozent höher als bei Kindern aus besser gestellten Familien. „Die Förderung der Gesundheitskompetenz sollte so früh wie möglich beginnen. Kitas und Schulen müssen Orte sein, an denen Gesundheitskompetenz vermittelt wird“, fordert Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg. Die AOK Rheinland/Hamburg bietet bereits zahlreiche Präventionsangebote in Kitas, Kindertagespflege und Schule. Darunter „Joko, du und ich“, das die Eltern-Kind-Bindung stärkt und das seelische Wohlbefinden von Zwei- bis Dreijährigen fördert. Oder auch „Gesund macht Schule“ für Kinder im Grundschulalter.
Vorständin Sabine Deutscher appelliert an die Politik, der Empfehlung des Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz zu folgen. Dieser fordert, das Bildungssystem in die Lage zu versetzen, Gesundheitskompetenz so früh wie möglich im Lebenslauf zu fördern. „Die persönlichen Beeinträchtigungen und Belastungen der Menschen durch mangelnde Gesundheitskompetenz sind erheblich. Übergewicht, chronische Erkrankungen oder späte Diagnosen von Erkrankungen und Entwicklungsstörungen sind nur einige Beispiele“, sagt Sabine Deutscher. Auch für das Gesundheitssystem seien Folgen absehbar, wenn es einem beträchtlichen Teil der Kinder und Jugendlichen an dem Wissen über ein gesundheitsbewusstes Leben fehlt. „Jeder Cent, der in die Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen gesteckt wird, ist eine Investition in die Zukunft des einzelnen Kindes und in die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitssystems. Denn resiliente Kinder werden gesunde Erwachsene.“
Familiäre Belastungen machen sich in der Entwicklung früh bemerkbar
Familiäre Belastungen können sich bereits im frühesten Entwicklungsstadium bemerkbar machen. So ist das Risiko für eine Schädigung des Fötus‘ bei psychisch erkrankten Eltern doppelt so hoch, bei suchtkranken Eltern sogar acht Mal so hoch wie bei Eltern ohne Belastungen. Und auch in finanziell schlechter gestellten Familien zeigen sich häufiger gesundheitliche Probleme beim ungeborenen Kind: In Haushalten, die Arbeitslosengeld II beziehen, ist das Risiko zweieinhalbmal so hoch. Die Gesundheitskompetenz der Eltern ist in diesen Familien oft geringer. Sowohl geringe Kenntnisse als auch fehlende finanzielle Mittel spielen bei der Lebensführung eine Rolle. Die Lebensführung wirkt sich bereits in der Schwangerschaft auf den Fötus aus und setzt sich später im Leben des Kindes fort.
Neben den Auswirkungen familiärer Belastungssituationen beleuchtet der Gesundheitsreport auch Entwicklungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Ausgewertet wurden Störungen der Sprachentwicklung, der motorischen Entwicklung und des Sozialverhaltens sowie Anpassungsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Adipositas.
Diagnosen von Sprachentwicklungsstörungen in der Pandemie gestiegen
Beim Blick auf die Entwicklungs- und Verhaltensstörungen von Kindern zeigt sich, dass diagnostizierte Sprach- und Sprechentwicklungsstörungen im Jahr 2021 am weitesten verbreitet waren. Bei zwölf Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren lag eine Diagnose vor. Das ist ein deutlicher Anstieg (10 Prozent) seit Beginn der Pandemie. Auch bei Adipositas lassen sich Folgen der Pandemie ablesen: 6,8 Prozent der AOK-versicherten Kinder ab dem 3. Lebensjahr haben starkes Übergewicht. Ihr Anteil ist seit Pandemiebeginn um 13 Prozent gestiegen.
ADHS fällt meist im Grundschulalter auf
Knapp fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen ab sechs Jahren haben die Diagnose einer ADHS. Diese wird rheinlandweit meist im Grundschulalter diagnostiziert. „Wenn die Kinder lange stillsitzen und konzentriert einer Aufgabe folgen müssen, fallen die Symptome von ADHS oft erstmals deutlich auf. ADHS ist für das Kind und sein Umfeld sehr belastend und kann zu Schwierigkeiten beim Lernen, dem Freunde finden oder im Familienalltag führen. Dies kann lebenslange Folgen haben. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche während ihres Aufwachsens regelmäßig ärztlich untersucht werden“, erklärt Deutscher. Für ihre Versicherten zahlt die AOK Rheinland/Hamburg sogar die Teilnahme an den U10- und U11-Vorsorgeuntersuchung, die im Alter zwischen acht und elf Jahren durchgeführt werden, um die Lücke zwischen den im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen vorgegebenen Vorsorgeuntersuchungen (U1 bis U9) bis zur J1, die im Alter von 13 Jahren stattfindet, zu überbrücken.
AOK Rheinland/Hamburg fordert mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit
„Der Gesundheitsreport belegt, dass alle Bemühungen, die Gesundheitskompetenz von klein auf zu stärken, richtig und wichtig sind. Beginnend mit einem spielerischen Zugang bei den Kleinsten und schulischen Bildungsangeboten. Es bedarf aber auch eines lebenslang begleitendenden niedrigschwelligen Zugangs zu Informationen und Hilfen, für diejenigen, die sie benötigen“, bilanziert AOK-Vorstand Günter Wältermann.
Hinweis für die Redaktionen:
Die AOK Rheinland/Hamburg ist mit über drei Millionen Versicherten die größte Krankenversicherung in NRW und die zweitgrößte in Hamburg.
Für den Gesundheitsreport werden überwiegend Routinedaten von Versicherten der AOK Rheinland/Hamburg ausgewertet. Rechnet ein Leistungserbringer seine Leistungen mit der Krankenkasse ab, übermittelt er eine Vielzahl an abrechnungsrelevanten Informationen, z.B. behandelte Krankheiten und erbrachte Leistungen. Diese Angaben können in Hinblick auf die gesundheitliche Lage und Gesundheitsversorgung analysiert werden.
Den kompletten Gesundheitsreport 2023 finden Sie hier.
Pressestelle AOK Rheinland/Hamburg – Die Gesundheitskasse Kasernenstraße 61 40213 Düsseldorf Telefon 0211 8791- 28219 presse@rh.aok.de www.aok.de/rh www.facebook.com/AOKRH