"Die meisten Stromanbieterwechsel führen in die Sackgasse"
Berlin (ots)
Seit Jahren empfehlen Verbraucherschützer, den Stromanbieter zu wechseln. Doch ein einmaliger Stromanbieterwechsel löst das eigentliche Problem nicht. Nach einigen Monaten muss man seinen Tarif erneut überprüfen, um im Folgejahr nicht deutlich mehr berechnet zu bekommen. Schließlich setzen noch immer viele Stromanbieter auf Trägheit und berechnen treuen Kunden mehr als wechselwilligen Kunden. Dieses Problem wollen sogenannte Tarifaufpasser lösen, die Stiftung Warentest einem Langzeittest unterzogen hat. Ein Gespräch mit Arik Meyer, Gründer des ersten Tarifaufpassers SwitchUp.de.
Herr Meyer, wir alle wissen, wir sollten endlich den Strom- und Gasanbieter wechseln - doch Sie sagen: das bringt nichts. Wie meinen Sie das?
Es wäre schön, wenn man einmal den Anbieter wechseln könnte und damit die Sorgen um seinen Tarif los wäre. Doch das ist leider zu kurz gedacht - viele Strom- und Gasanbieter berechnen ihren treuen Kunden noch immer deutlich mehr als neuen Kunden. Nach dem günstigen ersten Vertragsjahr wird es meist ganz schnell wieder teurer. Insofern führt ein einmaliger Stromwechsel genauso in die Sackgasse, wie gar nichts zu unternehmen. Um wirklich sicherzugehen, dass einem nicht zu viel berechnet wird, muss man seinen Strom- und Gastarif jährlich überprüfen.
Darauf haben die meisten Menschen natürlich keine Lust - was den Anbietern noch mehr in die Hände spielt. Laut der Bundesnetzagentur verharren 69 Prozent der Haushalte bei ihrem Grundversorger, viele davon im teuersten Stromtarif. Für mich durchaus nachvollziehbar: Der Markt ist kompliziert, es gibt bundesweit 1200 Stromanbieter, pro Stadt 300-400 Tarife und dutzende Fachbegriffe, die einem da um die Ohren geworfen werden - wer wäre da nicht überfordert? Konsequenz: Treuen Stromkunden werden jährlich hunderte Euro mehr berechnet als wechselwilligen Kunden.
Sie haben deshalb vor 5 Jahren als Erster in Deutschland einen sogenannten Tarifaufpasser ins Leben gerufen. Was ist dabei anders als bei einem Stromvergleich über die klassischen Vergleichsportale?
Vergleichsportale helfen, sich einen Überblick zu verschaffen, indem sie alle Tarifangebote auflisten. Eine gute und praktische Möglichkeit, einen Strompreisvergleich vorzunehmen. Man ist jedoch selbst gefordert, sich auf der Basis einen sicheren Anbieter mit fairen Konditionen herauszusuchen. Ebenso muss man dieses Spiel dann jährlich wiederholen, um sicher zu gehen, dass man auch im Folgejahr nicht zu viel berechnet bekommt. Tarifaufpasser richten sich an Menschen, die darauf keine Lust haben und trotzdem sichergehen wollen, dass ihnen nicht zuviel berechnet wird. Dazu überprüft ein Tarifaufpasser Jahr für Jahr automatisch, ob man noch immer im richtigen Tarif ist. Sobald ein besserer Strom- oder Gastarif aufgespürt wird, wird man vollautomatisch ins beste Tarifangebot gewechselt - ohne, dass man selbst etwas tun muss.
Wie kann man sich das konkret vorstellen? Geht es nur um eine Erinnerung? Oder was macht ein Tarifoptimierer wie SwitchUp noch?
Ja, es geht um deutlich mehr, denn mit einer Erinnerung alleine wäre es nicht getan. Schließlich hilft eine Erinnerung nur sehr eingeschränkt. Denn wer hat schon Lust, sich nach einem Jahr erneut mit seinem Strom- und Gastarif auseinanderzusetzen? Daher bekommt man von einem Tarifaufpasser nicht nur eine Erinnerung, sondern dieser wird von selbst aktiv und sorgt für einen vollautomatischen Wechsel in den besten Tarif. Dazu überprüft ein Tarifaufpasser rechtzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist alle verfügbaren Tarifangebote im Markt. Quasi ein jährlicher Strom- und Gasvergleich per Autopilot. Ist ein besseres Angebot verfügbar, wird man über die Ersparnis informiert und 7 Tage später automatisch der Wechsel in den günstigeren Tarif veranlasst, ohne dass man selbst etwas zu unternehmen braucht. Ebenso werden Tarifaufpasser bei Strom- und Gaspreiserhöhungen aktiv, berechnen die Mehrkosten und wehren die Preiserhöhung durch eine erneute Tarifoptimierung automatisch ab.
Was kostet es mich, einen Wechseldienst wie SwitchUp in Anspruch zu nehmen?
Während einige Tarifaufpasser im Markt einen Teil der Ersparnis als Gebühr berechnen, ist der Strom und Gas Tarifaufpasser von SwitchUp komplett kostenfrei. Wir finanzieren uns, genauso wie die klassischen Vergleichsportale, über eine kleine Provision vom neuen Anbieter. Mit anderen Worten: Man zahlt keinen Cent mehr als bei den klassischen Vergleichsportalen, bekommt aber unsere jährliche Tarifüberprüfung und unseren automatischen Optimierungsservice kostenfrei dazu.
Ein Wechselservice für Strom- und Gastarife, der sogar kostenfrei sein soll, klingt zu schön, um wahr zu sein - wo ist der Haken?
Diese Frage wird uns in der Tat sehr häufig gestellt. Schließlich sind wir es gewöhnt, dass viele Unternehmen einseitig zu ihren Gunsten und auf Kosten ihrer Kunden agieren. Wir möchten mit SwitchUp den Beweis antreten, dass ein fairer Umgang mit Kunden das viel bessere Geschäftsmodell ist. Dabei geht es vor allem um Vertrauen. Wir investieren jeden Tag viel Energie und Herzblut, um den Beweis zu erbringen, dass wir das Vertrauen der Menschen, die unseren Tarifaufpasser nutzen, auch tatsächlich wert sind. Und, ja, wir sind nicht perfekt! Wir stehen aber zu unseren Fehlern und lassen niemanden bei Problemen alleine im Regen stehen. Intern messen wir unsere eigene Leistung daran, wie viele der Menschen, für die wir auf deren Tarife aufpassen, unseren Tarifaufpasser ihr ganzes Leben lang nutzen.
Stiftung Warentest nennt Sie den Marktführer und hat Sie als "sehr empfehlenswert" eingestuft - wie groß ist denn der Markt der Wechselhelfer?
Neben SwitchUp gibt es mittlerweile rund ein Dutzend weiterer Strom und Gas Tarifaufpasser in Deutschland. Der Fokus liegt dabei auf Nicht-Wechslern, also Verbrauchern, die bislang vor dem Wechsel ihres Strom- und Gasanbieters zurückgeschreckt sind und noch immer in der Grundversorgung stecken. Dies macht sich auch in unserer Nutzerstruktur bemerkbar: Mehr als zwei Drittel der SwitchUp-Nutzer haben wenig bis keine Erfahrung beim Strom- und Gaswechsel. Insofern scheint es, dass viele der bislang passiven Verbraucher das Modell der kontinuierlichen Unterstützung und Optimierung zu schätzen wissen. Dies spiegelt sich auch in der Nachfrage wider: Tarifaufpasser sind das schnellst wachsende Segment im Strommarkt. Wir können dies auch an unseren Wachstumszahlen erkennen: Seit Anfang des Jahres liegt unser Wachstum bei 120 Prozent gegenüber dem Vorjahr und wir kommen der in den letzten Wochen weiter stark gestiegenen Nachfrage kaum hinterher. Gleichzeitig befinden sich 69 Prozent der Haushalte in Deutschland noch immer beim Grundversorger und viele dieser Verbraucher haben von Tarifaufpassern noch nichts gehört. Daher ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach einer neuen Lösung auch künftig weiter zunehmen wird.
Die Strom- und Gas-Beschaffungspreise an der Börse sind in den letzten Wochen stark eingebrochen. Wieso geben Anbieter die Preisvorteile nicht an ihre Kunden weiter?
Das ist eine berechtigte Frage. Die Stromeinkaufspreise sind in den ersten drei Monaten diesen Jahres um 17 Prozent gefallen, zuletzt aufgrund von Corona sehr dramatisch. Bei Gaspreisen sind die Beschaffungskosten im gleichen Zeitraum sogar um 20 Prozent gefallen. Viele der 674 Grundversorger, die seit Jahresbeginn die Strompreise erhöht haben, hatten als Begründung für die Erhöhung vor allem auf die gestiegenen Einkaufspreise verwiesen. Trotz der jetzigen Senkungen halten Stromanbieter an den Preiserhöhungen weiter fest. Und das obwohl zahlreiche Strompreiserhöhungen erst noch zum 1. Mai erfolgen und Anbieter somit die gefallenen Stromkosten noch berücksichtigen könnten. Dass sich viele Verbraucher darüber ärgern, ist nachvollziehbar.
Aufgrund von Corona arbeiten immer mehr Menschen von zuhause. Steigt dann nicht auch unweigerlich der Stromverbrauch?
Absolut richtig, durch die Quarantänemaßnahmen aufgrund von Corona verbringen wir alle zwangsläufig mehr Zeit zuhause. Und immer mehr Arbeitgeber haben auf Home-Office umgestellt. Folglich steigt der heimische Stromverbrauch. Gleichzeitig gelten für viele Haushalte seit Jahresbeginn höhere Stromkosten, mit einer Steigerung von durchschnittlich 6,8 Prozent. Für einen typischen Haushalt entstehen alleine dadurch Mehrkosten von rund 70 Euro im Jahr. Aufgrund des höheren Stromverbrauchs durch Corona-Quarantänemaßnahmen in Verbindung mit den jüngst erfolgten Strompreiserhöhungen werden die jährlichen Mehrkosten schnell 100 Euro übersteigen. Neben dem Mehrverbrauch durch mehr Zeit vorm Fernseher führt auch die zusätzliche Computernutzung im Home-Office zu einem steigenden Verbrauch.
Herr Meyer, Sie haben bereits 2004 die Hörbuch-Downloadplattform Audible in Deutschland gestartet und über viele Jahre aufgebaut - wie kommt es, dass Sie danach ausgerechnet im Strommarkt gelandet sind?
Offengestanden bin ich selber als Stromkunde in diesen Markt gestolpert und hätte nie gedacht, dass ich mich irgendwann mal beruflich mit Stromtarifen beschäftige. Bei meinem Versuch, den Stromanbieter erstmalig zu wechseln, wurde ich von meinem schön klingenden Anbieter Löwenzahn Energie nach Strich und Faden über den Tisch gezogen. Gleich zu Beginn fingen die Probleme an und kurze Zeit später ging der Anbieter insolvent und mein per Vorkasse bezahltes Geld war weg. Das wirklich Paradoxe war jedoch: Es war schlussendlich günstiger für mich, dass der Stromanbieter insolvent ging. Der Grund: Ich hatte nichtsahnend einen sogenannten Pakettarif abgeschlossen, der - wie ich erst im Nachgang merkte - eine AGB-Klausel beinhaltete, dass ich für jede zusätzlich verbrauchte Kilowattstunde Strom 50 Prozent Mehrkosten bezahlen musste. Das war für mich der Auslöser, SwitchUp zu gründen. Ich wollte einfach nicht akzeptieren, dass es keine einfachere Möglichkeit gibt, meinen Stromanbieter zu wechseln - ohne Gefahr zu laufen, in eine von zahlreichen Stolperfallen zu treten. Schließlich will ich als Kunde doch einfach nur fair behandelt werden.
Aber wenn alle Strom- und Gasanbieter faire Angebote machen, machen Sie sich dann mit Ihrem Wechselservice nicht selbst überflüssig?
Ja, das ist korrekt. Für mich wäre das allerdings ein schönes Problem. Denn es hätte gezeigt, dass die Energie und Leidenschaft, mit der wir für mehr Fairness gekämpft haben, gut investiert war. Und da es zahlreiche weitere Märkte gibt, in denen es alles andere als fair zugeht, gibt es für einen Tarifaufpasser wie SwitchUp auch künftig mehr als genug zu tun.
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Céline Iding, presse@switchup.de
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