"Internationalisierung bedeutet Gastfreundschaft für alle": Akademischer Jahresempfang der Hochschule Bremerhaven lotet Voraussetzungen für den Zuzug ausländischer Studierender und Fachkräfte aus
Viele Menschen fühlen sich da am wohlsten, wo sie sich gut auskennen. Ulrich Kameni Ngango Veigne gehört nicht dazu. Geboren und aufgewachsen ist er in einer kleinen Stadt in Kamerun, seit fünf Jahren lebt er in Deutschland. Heute studiert er Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Bremerhaven. Wie Hochschule und Seestadt attraktiver für Studierende und Fachkräfte aus dem europäischen und internationalen Ausland werden können, war Thema des Akademischen Jahresempfangs an der Hochschule Bremerhaven. Er stand unter dem Motto "we build this city - Hochschule Bremerhaven international".
Bremerhaven - Viele Menschen fühlen sich da am wohlsten, wo sie sich gut auskennen. Ulrich Kameni Ngango Veigne gehört nicht dazu. Geboren und aufgewachsen ist er in einer kleinen Stadt in Kamerun, seit fünf Jahren lebt er in Deutschland. Heute studiert er Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Bremerhaven. „Ich hatte kurz an der technischen Universität Clausthal studiert, und da war mir die Uni zu theoretisch. Und dann hatte ich mich entschieden, an einer Hochschule weiter zu studieren.“ Er reiste durch Deutschland und schaute sich verschiedene Städte an, bald nahm er Kontakt mit der Hochschule Bremerhaven auf. „Ich habe viele Infos bekommen und habe mich sicher gefühlt“, erinnert er sich. „Ich wusste, an der Hochschule Bremerhaven engagieren sich nette Leute für uns Studierende.“ Auch die Stadt gefiel dem jungen Mann auf Anhieb gut, erzählt er: „Ich wollte was Kleines, wo aber auch was los ist!“ Es mache ihn sehr glücklich, seinen Freunden „seine Hochschule“ zu zeigen. „Es ist schon ziemlich toll in Bremerhaven, ich fühle mich hier wohl.“
„Transformation und Fortschritt finden nicht in der Komfortzone statt“
Ulrich Kameni Ngango Veigne teilt seine Erfahrungen anlässlich des Akademischen Jahresempfangs der Hochschule Bremerhaven mit etwa 80 Hochschulangehörigen und Gästen aus der lokalen Politik und Wirtschaft. „We build this city – Hochschule Bremerhaven international“ ist das Motto. Und trotz der kommunikativen Atmosphäre, den verführerischen Schnittchen und Getränken, wurde der Abend irgendwie durch die angesprochenen Themen auf eine positive Art ... unbequem! Ganz so, wie es Hochschulrektor Prof. Dr. Dr. Alexis Papathanassis geplant hat: „Transformation und Fortschritt finden nicht in der Komfortzone statt“, stellt er in seiner Begrüßung fest. Vielmehr führten Unwohlsein und Unzufriedenheit zu Fortschritt. „Und wenn das Unwohlsein zur Gewohnheit wird, dann entsteht Innovation.“ Etwas ungewöhnlich ist auch die Dramaturgie des Abends: Christine Renske Müller, Qualitätsmanagerin an der Hochschule Bremerhaven, moderiert die Diskussion. Sie hat sich für das innovative „Fishbowl“-Format entschieden: Die Podiumsgäste räumen nach einer gewissen Zeit ihren Platz und geben ihn an Gäste aus dem Plenum ab, sobald diese sich melden, um mitzudiskutieren. Und so weiter. Die zwei zentralen Fragen des Abends: Wie kann die Hochschule Bremerhaven Studieninteressierte aus dem europäischen und internationalen Ausland als Studierende für einen ihrer spezialisierten und praxisorientierten Studiengänge gewinnen? Und welche Karrieremöglichkeiten bieten die Firmen und Institutionen in der Region den hochqualifizierten Absolvent:innen nach ihrem Studium? Schnell wird klar, dass es mehr braucht, als nur englischsprachige Studiengänge, um der demografischen Entwicklung zu trotzen und um dringend benötigte Fachkräfte für ein Leben in Bremerhaven zu begeistern.
Kurze Wege und ein familiäres Miteinander
Ein wichtiger Faktor dafür, dass er sich an der Hochschule und in der Stadt wohlfühlt, sei das familiäre Miteinander, betont Wirtschaftsinformatikstudent Ulrich Kameni Ngango Veigne. „Nach der Coronapandemie, als wir alle wieder auf den Campus zurückkehrten, saß ich plötzlich mit dem Rektor in der Mensa an einem Tisch“, erinnert er sich. Die kurzen Wege und das Gefühl, nicht nur keine Matrikelnummer zu sein, sondern als Studierende:r eng mit Dozent:innen und Kommiliton:innen verbunden zu sein, schätzt auch Hillary Chandra. Die junge Frau kommt ursprünglich aus Jakarta und studiert in Bremerhaven Biotechnologie der Marinen Ressourcen. „Hier an der Hochschule sind alle sehr lieb und haben mir bei der Studienwahl und der Anmeldung sehr geholfen.“ Um ihre Eltern finanziell zu entlasten, arbeitet sie nach den Vorlesungen als Minijobberin.
Auch viele ihrer Kommiliton:innen jobben in der Stadt, etwa in der Gastronomie, im Hafen sowie im Einzelhandel. „„Rund 90 Prozent der internationalen Studierenden sind darunter. Diese Mindestlohnjobber schaffen Leistungen, die wichtig für die lokale Wirtschaft sind“, weiß Prof. Dr. Dr. Gerhard Feldmeier. Der Dekan des Fachbereichs 2 für Management und Informationssysteme und frühere Konrektor für Internationalisierung an der Hochschule Bremerhaven rechnet weiter vor, dass ausländische Studierende laut einer Umfrage im Jahr 2017 rund 680 Euro monatlich in Bremerhaven ausgegeben haben, für Miete, Verpflegung und Freizeit. „Wenn man das hochrechnet, ist das gar nicht wenig.“ Bemerkenswert sei, dass etwa 85 Prozent aller ausländischen Studierenden in der Stadt Bremerhaven wohnen, „weit mehr als die gesamte Studierendenschaft der Hochschule“.
„Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist das Thema“
Doch nach dem erfolgreichen Studienabschluss scheinen die hochqualifizierten jungen Menschen, die keinen deutschen Pass haben, an eine unsichtbare Wand zu stoßen. „Trotz der sinkenden Nachfrage nach Hochschulbildung in ganz Deutschland entscheiden sich die Studierenden für Bremerhaven, wegen der Bildungsqualität und des Profils der Hochschule, und verlassen die Stadt nach dem Abschluss, um woanders zu arbeiten“, fasst Hochschulrektor Prof. Dr. Dr. Alexis Papathanassis das Problem zusammen. Er zeigt das Ergebnis einer 2018 unter von gut 4300 in internationalen Studierenden beantworteten Umfrage von „Study in Germany“: Demnach gaben 70 Prozent der Befragten an, nach dem Studium in Deutschland bleiben zu wollen. Doch nur 40 Prozent von ihnen gaben an, nach dem Abschluss einen Arbeitsplatz in Deutschland bekommen zu haben. „Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist das Thema“, schließt Papathanassis aus dem Ergebnis, was Dr. Frank Thoss nur bestätigen kann. Thoss ist bei der Handelskammer Bremen-Bremerhaven zuständig für die Bereiche Industrie, Innovation, Umwelt und Tourismus. „Wir brauchen die Einwanderung von Fachkräften“, betont er. „Die Hochschule Bremerhaven hat ihr Angebot auf die lokale Wirtschaft ausgerichtet und ist sehr gut mit den Unternehmen und Institutionen in der Region vernetzt.“ Etliche Absolvent:innen seien „wichtiger Nachwuchs“ für die wissenschaftlichen Institute und Organisationen in der Seestadt, beispielsweise für das Alfred-Wegener-Institut. „Es ist unglaublich wichtig, dass wir diese 70-40-Regel brechen!“ Sein Vorschlag: mehr Förderung und ein breites Angebot an Sprachkursen.
Auch das Freizeit- und Kulturangebot der Stadt ist ein wichtiger Faktor, um in Bremerhaven dauerhaft gut anzukommen, da sind sich an diesem Abend alle einig. „Während sich Ältere in Bremerhaven und Umzu den Traum vom Eigenheim erfüllen können, ist für junge Leute noch Luft nach oben“, stellt Thoss fest. „Studierende wohnen oft in Bremerhaven, aber später ziehen sie weg – viele hocheingruppierte Angestellte im öffentlichen Dienst arbeiten hier, wohnen aber in Bremen und zahlen dort auch ihre Steuern“, stimmt ihm Elena Schiller zu. Sie engagiert sich bei den Grünen Bremerhaven in den Bereichen Diversität und Integration.
„Am Ende bedeutet Internationalisierung Gastfreundschaft für alle“
Ein Beispiel dafür, dass Integration ganz spielerisch klappen kann, ist die internationale Fußball-AG der Hochschule Bremerhaven. „Hier trainieren deutsche und internationale Studierende einmal in der Woche gemeinsam“, stellt Prof. Dr. Dieter Heimann, Studiendekan an der Hochschule Bremerhaven, ein kleines Erfolgsbeispiel vor. „Sprachbarrieren gibt es kaum. Und ganz automatisch führt die gemeinsame Freude am Bewegen dazu, dass man nicht in der eigenen Blase bleibt, sondern sich integriert und angenommen fühlt“. Genau darum gehe es, fasst Hochschulrektor und Gastgeber Prof. Dr. Dr. Alexis die Diskussion zusammen: Das wichtigste Thema sei der Zugang zum Arbeitsmarkt. „Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass Sprachbarrieren abgebaut werden. Wir müssen Internationals den Zugang hier leichter machen. Denn am Ende bedeutet Internationalisierung Gastfreundschaft für alle!“
Mit Begeisterung studieren, lehren und forschen – dafür steht die Hochschule Bremerhaven. In mehr als 20 praxisnahen und innovativen Studiengängen profitieren die rund 3.000 Studierenden von der engen Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft und modernen Lehr- und Lernansätzen. Die zahlreichen Forschungsaktivitäten der „Hochschule am Meer“ wurden bereits vielfach ausgezeichnet und unterstützen nachhaltige Entwicklungen in der Region und darüber hinaus.
Pressekontakt: Hochschule Bremerhaven Isabelle Epplé An der Karlstadt 8 27568 Bremerhaven iepple@hs-bremerhaven.de presse@hs-bremerhaven.de