Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland
PM Faksimile - „Buchdruck“: Der dreiste Betrug an der Haustür
Was macht man mit 100 000 Euro? Den Hauskredit abbezahlen, sich ein teures Auto gönnen oder gar eine Weltreise machen? Ideen gibt es viele. Was aber wohl den Wenigsten in den Sinn kommt: Das Geld in Bücher zu investieren. Für Kenner sind wirklich wertvolle Druckwerke sicherlich eine gute Art der Geldanlage. Laien aber sollten die Finger davonlassen. Zu oft hat sich der erworbene Schatz als wertloses Massenprodukt entpuppt. Betrüger-Banden in ganz Europa haben sich auf genau diese Masche spezialisiert. In einem aktuellen Fall, der dem Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland vorliegt, zahlte ein Mann ganze 109 000 Euro an ein österreichisches Unternehmen. Er kaufte sogenannte „Faksimile“ – Nachdrucke alter Bücher. Diese waren und sind aber nicht annähernd den bezahlten Preis wert. Das wusste der Verbraucher bei Vertragsunterzeichnung natürlich nicht. Doch nun ist das Geld erstmal weg und der Ärger mit dem Unternehmen beginnt. Anlass für das EVZ über diese Masche aufzuklären.
Bücher, die Eindruck machen
Auf Laien wirken die Druckerzeugnisse hochwertig und vor allem hochpreisig. Antike Bibeln, Atlanten oder Partituren – die angeblich originalgetreuen Nachbildungen historischer Werke werden von unseriösen Verlagsmitarbeitern direkt an der Tür, oder im Vorfeld per Telefon angepriesen. Die im Überreden geschulten Verkäufer kommen oft zu zweit zu den Kunden. Das Ziel? Im Doppelpack können sie mehr (Kauf-) Druck aufbauen. Besonders betagtere und leichtgläubige Menschen werden Opfer dieser Masche. Um auch Zweifler zu überzeugen, werden selbstgemachte Zertifikate vorgelegt, die den exklusiven Eindruck unterstützen sollen. Das Versprechen: Die Bücher sind limitiert und deshalb selten – da ist Wertzuwachs garantiert. Und wenn die Geldreserven für einen Kauf nicht ausreichen, vermitteln die Buchvertreter sogar Kredite direkt an der Haustür. Mitunter von renommierten Bankinstituten.
Gewinn durch Buchreihen – lügen wie gedruckt
Noch mehr Gewinn versprechen komplettierte Buchreihen. Fehlen Ausgaben einer vermeintlichen Serie, werden Verbraucher dazu gedrängt, diese für viel Geld zu erwerben. Die entstandene, vervollständigte Buchreihe soll im Anschluss direkt als Ganzes sehr gewinnbringend weiterverkauft werden. Eine leere Versprechung. Hat der Kunde erstmal gekauft, ändert sich nicht viel. Der Sammler hat nur noch mehr Geld ausgegeben und besitzt nun ein weiteres Buch, auf dem er sitzen bleibt.
Digitales Buchregister: teuer und doch wertlos
Doch auch für diesen Fall haben die dubiosen Händler eine vermeintliche Lösung: Um den Verkauf voranzubringen, wird Buchbesitzern für viel Geld ein Vertrag mit einer Online-Datenbank verkauft. Liebhaber und Sammler würden sich dort tummeln und aktiv nach solchen „Schätzen“ suchen. Gewinner des Vertrages sind aber letztlich nur die die Betrüger. Bis zu 3000 Euro fordern diese für ihre Leistung. Ein Abnehmer für die Bücher findet sich dennoch nicht.
Ein Buch mit sieben Siegeln?
Doch egal, was Betroffene unternehmen, die Realität bleibt: „Diese Bücher sind einfach so gut wie wertlos“, betont Karolina Wojtal, Juristin und Co-Leiterin des EVZ Deutschland. „Unter Umständen haben sie einen Liebhaberwert, aber objektiv betrachtet, sind sie nur das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind.“ Dennoch lassen sich viele blenden. Und ist ein Vertrag erstmal unterzeichnet, gibt es nur ein kleines Zeitfenster um zu intervenieren: „Man hat bei einem Haustürgeschäft nur 14 Tage Widerrufsrecht ab der vollständigen Lieferung der Ware“, betont die Juristin. Oft vertrauen sich Betroffene aber erst wesentlich später jemandem an. Dann wird es kniffelig. Denn auch wenn der Betrug offensichtlich erscheint. „Dem Verkäufer muss Arglist nachgewiesen werden. Und das ist vor Gericht sehr schwer.“ Stammt der Verkäufer aus dem europäischen Ausland, hilft das Team des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland gerne kostenlos weiter. „Wir sehen uns den Fall an und beraten, wie am besten vorzugehen ist“, erklärt Wojtal.
Damit es aber gar nicht erst so weit kommt, ist präventive Aufklärung wichtig.
Die Moral von der Geschichte?
Besonders älteren Familienmitgliedern sollte man die Sinne schärfen. „Es ist nicht unhöflich ‚Nein‘ zu sagen,“ erläutert Wojtal. „Es gibt keine Pflicht, man muss solche Händler nicht in die eigenen vier Wände lassen.“ Häufig seien die Opfer dieser Masche aber „zu gut erzogen“, um ‚Gäste‘ vor der Tür stehen zu lassen, oder gar rauszuschmeißen. Manche freuen sich auch einfach über die Gesellschaft. Genau das nutzen die Täter für sich.
Besteht aber tatsächlich Interesse an Büchern (oder anderen „Haustür-Waren“), sollten die Verkäufer um ein erneutes Treffen gebeten werden – so bleibt Zeit, sich Beistand dazu zu holen. Denn was Wojtal wirklich ärgert: „Die Menschen werden zuhause völlig überrumpelt und das scheint tatsächlich System zu haben. Das ist höchst verwerflich.“
Doch letztlich ist Kommunikation der Schlüssel. Viele Opfer, denen der Betrug bewusst wird, schämen sich. Statt Hilfe zu suchen, schweigen sie und machen mitunter einfach weiter. Andere bleiben bis zu ihrem Ableben in dem Glauben wirklich hochwertige Bücher zu erstehen. Meist in bester Absicht haben Betroffene zum Teil jahrelang Bücher gekauft und gesammelt. Das Ziel: Die Hinterbliebenen mit dem „wertvollen Erbe“ zu überraschen.
Überrascht sind die meisten Familienmitglieder dann wahrscheinlich tatsächlich – aber wohl eher von dem Kalkül und der Heimtücke der Verkäufer.
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