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Kreuzfahrt: Auf einem Meer von Problemen (PM)

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Kreuzfahrt – auf einem Meer von Problemen

Statt 18 Tage Traum-Kreuzfahrt: Hitze, Frust und Krankheit. Es war eine ärgerliche und vor allem teure Erfahrung, die ein Paar aus Rheinland-Pfalz Anfang des Jahres machen musste. Es wollte der deutschen Kälte entfliehen, buchte eine Kreuzfahrt bei einem Anbieter in Irland und machte sich auf den Weg nach Südeuropa. Von dort ging es in wärmere Gefilde. So weit, so gut. Doch auf dem Schiff angekommen, wünschte sich das Paar schnell wieder nach Hause. Ein aktueller Fall des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) Deutschland, der die Frage aufwirft: Was tun, wenn die Kreuzfahrt buchstäblich baden geht?

Die Urlaubspläne erleiden Schiffbruch

Bereits direkt nach dem Boarding auf das Kreuzfahrtschiff fiel dem Paar auf, dass die meisten Einrichtungen an Bord geschlossen waren: Der Pool durfte trotz Hitze nicht genutzt werden, Entspannen im Dampfbad oder dem Wellness-Bereich war nicht möglich, und viele weitere Angebote wie Tischtennisplatte und Dartbereich waren gesperrt. Auch am Buffet gab es Restriktionen. Selbstbedienung? Fehlanzeige. Von Tag zu Tag wuchs das Misstrauen der Passagiere, doch es dauerte einige Tage, bis das Paar letztlich den Grund erfuhr: Auf dem Schiff grassierten Magen-Darm-Erreger. Und das wohl schon bei vorausgegangenen Touren – also noch bevor sie das Schiff überhaupt betreten hatten. Die getroffenen Vorsichtsmaßnahmen halfen dem deutschen Pärchen nicht. Auch sie erkrankten für sieben Tage. Und abgesehen von ihnen auch das Gros der übrigen Passagiere. Summa summarum blieben dem Paar drei von 18 teuer bezahlten Urlaubstagen ohne Krankheit und ohne Restriktionen. Sicherlich nicht der Urlaub, den sie sich erhofft hatten. Deshalb sollte ihnen das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland helfen. Doch was steht Kreuzfahrtpassagieren überhaupt zu?

Maren Dopp, Pressereferentin beim EVZ, fragt bei der Juristin Felicitas Wühler nach.

Guten Tag Frau Wühler. Ein bedauernswerter Fall, der das EVZ hier erreicht hat. Vielleicht vorweg die Frage: Was meinen Sie, was macht den Fall so besonders?

„Das Schiff an sich…es gibt halt kein Entkommen [lacht]. Nein, im Ernst. Ich habe auf einem Kreuzfahrtschiff eben nicht die Möglichkeit mich selbst zu versorgen, oder kurzfristig woanders hinzugehen. Die nächste Stadt oder ein anderes Restaurant sind meilenweit entfernt. Es besteht also eine besondere Abhängigkeit zum Schiff und seinem Angebot. Noch mehr, als es bei einem Hotel der Fall wäre. Wenn dann etwas schief geht, wie in diesem Fall, sind die Passagiere ziemlich alternativlos.“

Das klingt nach dem Gegenteil von Traumurlaub. Aber wie verhält man sich in einer solchen Situation am besten?

„Für Kreuzfahrten gilt Pauschalreiserecht. Also rate ich, wie auch bei einem Hotelurlaub mit Flug, dokumentieren Sie so viel wie möglich. Machen Sie Fotos, Gedächtnisprotokolle oder besorgen Sie sich im Idealfall eine Bescheinigung oder Diagnose des Schiffsarztes. Im vorliegenden Fall gab es sogar eine Unterschriftenliste von insgesamt 30 Passagieren. Das ist eine gute Idee. Wichtig ist auch immer, sich per Mail direkt beim Reiseveranstalter und nicht bloß am Infoschalter des Schiffes zu beschweren. Auf diese Weise hat man zum einen etwas Schriftliches in der Hand. Zum anderen gibt man dem Veranstalter auf diesem Weg die Möglichkeit Maßnahmen zu ergreifen – wenn das in seiner Hand liegt.“

Und wann ‚liegt es in seiner Hand‘?

„Eine schwierige, aber juristisch zentrale Frage: Krank zu werden ist ja zunächst einmal ein normales Lebensrisiko. Dafür kann ein Veranstalter in aller Regel nichts. Also bestehen auch keinerlei Ansprüche. Wenn aber, wie hier, so viele Menschen erkranken, spricht das für ein grundlegendes Problem. Das ändert die Sachlage. Und das wiederum führt zumindest zu einer Reisepreisminderung. Genauso wie die Tatsache, dass versprochene Einrichtungen und Angebote nicht genutzt werden konnten.“

Stichwort Reisepreisminderung: Sucht man im Internet nach diesem Begriff, stolpert man über kurz oder lang zwangsläufig über die ‚Würzburger Tabelle‘. Darin steht, was mir bei welchem Mangel zusteht, richtig?

„Das habe ich schon öfters gehört. Verbraucher glauben, sie können in der Tabelle nach einem ähnlichen Fall suchen und das Ergebnis einfach auf ihren eigenen Reisemangel übertragen. Das ist aber ein Irrglaube. Die ‚ Würzburger Tabelle‘ für Mängel bei Kreuzfahrten, wie auch die ‚ Frankfurter Tabelle‘ für allgemeine Reisemängel sind lediglich Auflistungen von Einzelurteilen und deren Ausgang. Sie sind durchaus ein Richtwert und können einem eine erste Einschätzung geben. Direkt übertragbar sind diese Urteile aber nicht. Ein Beispiel: Ratten sind im Hotel grundsätzlich ein Reisemangel und führen demnach zu einer Preisminderung. Im konkreten Fall kann das aber anders beurteilt werden. In einem Fall in dem sich „nur“ einmal eine Ratte über den Balkon ins Zimmer verirrt hatte, urteilte das Gericht, dass das hinnehmbar sei. Also gab es keine Reisepreisminderung. Daran sieht man: Es ist am Ende der Richter, der entscheidet. Wenn ein Fall aber ohne Gericht geklärt werden soll, kann die Tabelle durchaus eine Argumentationshilfe gegenüber dem Veranstalter sein.“

Ok, das Beispiel mit den Ratten leuchtet mir ein. Unser Fall ist aber doch deutlich dramatischer...

„…das stimmt. Trotzdem ist eine Einschätzung im Vorfeld, losgelöst vom Einzelfall, immer schwierig. In diesem konkreten Fall hat der Reiseveranstalter aber tatsächlich außergerichtlich anerkannt, dass es einen Mangel gab und war zu einer Teilerstattung des Reisepreises bereit. Nach der Beratung und einer Einschätzung eines meiner Kollegen, haben die Verbraucher das Angebot letztlich angenommen. Auf diesem Weg haben sie ohne langes Gerichtsverfahren zumindest ein kleines Trostpflaster für den ins Wasser gefallenen Traumurlaub bekommen.“

Das juristische Team des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) Deutschland hilft bei solchen und anderen Fragen oder Problemen mit grenzüberschreitendem Bezug gerne kostenlos weiter. Kontaktmöglichkeiten gibt es auf EVZ.de.

Weitere Informationen zu Entschädigungen bei Schiffsreisen und Kreuzfahrten.

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Presseanfragen bitte an Maren Dopp.

Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland
 c / o Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz e. V.
 Bahnhofsplatz 3, 77694 Kehl
 T +49 (0) 78 51.991 48-40 | F +49 (0) 78 51.991 48-11 
 dopp@cec-zev.eu | www.evz.de

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