Studie: Trotz positiver Tendenzen bleiben viele Ziele der Energiewende kaum erreichbar
Düsseldorf (ots)
- Energiewende-Index von McKinsey: Deutliche Verbesserungen bei Stromverbrauch und Offshore-Wind-Ausbau - Ausstoß von CO2-Äquivalent, Haushalts- und Industriestrompreise trotz Rückgang immer noch über Plan
Der Energiewende-Index Deutschland 2020 (EWI), den die Unternehmensberatung McKinsey & Company seit 2012 halbjährlich vorlegt, verzeichnet aktuell erstmals eine positive Entwicklung. Von den 15 untersuchten Indikatoren haben sich in der zweiten Jahreshälfte 2014 elf besser entwickelt als in den sechs Monaten zuvor. "Trotz der positiven Tendenzen vor allem bei Stromverbrauch und Offshore-Wind-Ausbau liegen einige der angestrebten Ziele immer noch in weiter Ferne", sagt McKinsey-Direktor Thomas Vahlenkamp, der den Index entwickelt hat. "Das betrifft Indikatoren wie den Ausstoß von CO2-Äquivalent sowie die zu hohen Haushalts- und Industriestrompreise."
Vor sechs Monaten ließen neun der insgesamt 15 untersuchten Indikatoren kein Erreichen der Energiewendeziele 2020 erwarten. Im aktuellen Index ist dies noch für sieben Indikatoren der Fall:
- Ausstoß CO2-Äquivalent. Nach einem Anstieg im Jahr 2013 sanken die Emissionen 2014 wieder - nach ersten Schätzungen um 3,3% auf 920 Millionen Tonnen (Mt). Haupttreiber waren die milde Witterung zu Beginn des Jahres 2014, auf die sich ca. 2%-Punkte der Senkung zurückführen lassen, und der Rückgang der Stromerzeugung aus Kohle. Die Zielerreichung des Indikators verbessert sich damit zwar, ist aber nach wie vor im roten Bereich. Zielwert 2020 sind 739 Mt.
- EEG-Umlage. Die EEG-Umlage ist zu Jahresbeginn 2015 gegenüber dem Vorjahr von 6,24 auf 6,17 ct/kWh gesunken - zum ersten Mal seit ihrer Einführung. Der Abstand zum Ziel von 3,5 ct/kWh, das die Bundesregierung ausgegebenen hat, ist aber immer noch erheblich.
- Kosten Netzeingriffe. Die Kosten für Netzeingriffe sind auf 1,40 EUR/MWh fluktuierende Erneuerbare (Wind und Solar) gesunken. Der Indikator bleibt allerdings ebenfalls im roten Bereich, da 1,00 EUR/MWh als Ziel zu erreichen gewesen wäre.
- Verzögerte Anbindung Offshore-Windparks. Stand Ende Januar sind sieben Windparks wegen verspäteten Netzanschlusses verzögert. Zuletzt ging der Windpark Meerwind Süd/Ost Ende 2014 ans Netz.
- Haushaltsstrompreise. Die Haushaltsstrompreise sind in Deutschland Ende 2014 bei 29,87 ct/kWh konstant geblieben. Im europäischen Vergleich sind sie im selben Zeitraum um 0,5% leicht angestiegen, so dass die Abweichung vom EU-Durchschnitt zwar abgenommen hat auf 45,3%, die Zielerreichung bleibt aber nach wie vor gefährdet ist.
- Industriestrompreise. Als einziger Indikator erheblich verschlechtert hat sich der Indikator Industriestrompreis. Er stieg im ersten Halbjahr 2014 um 3,6% auf 11,58 ct/kWh, während die Preise im EU-Durchschnitt bei 9,46 ct/kWh konstant blieben. Somit vergrößert sich die Abweichung vom EU-Durchschnitt auf 22%.
- Primärenergieverbrauch. Auch beim Gesamtverbrauch von Kohle, Öl, Gas etc. bleibt die Entwicklung weit entfernt vom ursprünglich angestrebten Ziel der Bundesregierung. Grund dafür ist Thomas Vahlenkamp zufolge die unzureichende Realisierung von bestehenden Energieeffizienzpotenzialen. Legt man ein Wirtschaftswachstum von 1,6% p.a. bis 2020 zu Grunde, müsste sich die Energieproduktivität in Deutschland von derzeit durchschnittlich 1,4% auf 4,3% jährlich verbessern, um das 2020er Ziel der Bundesregierung zu erreichen. Der niedrige Ölpreis stehe weiteren Anstrengungen zur Energieeffizienz aktuell aber eher im Weg.
Indikator Stromverbrauch erreicht erstmals Etappenziel
Bei sieben der 15 untersuchten Indikatoren wird derzeit im Energiewende-Index ein Erreichen der Ziele als realistisch eingestuft. Bei einem Indikator gibt es "leichten Anpassungsbedarf":
- Stromverbrauch. 2014 ist der Stromverbrauch nach Schätzungen von Agora Energiewende um ca. 4% gesunken, während die deutsche Wirtschaftsleistung um 1,4% gestiegen ist (GDP). Zu dieser Entwicklung trug vor allem die milde Witterung bei - ein temperaturbereinigter Wert liegt noch nicht vor. In der Folge kommt der Indikator auf eine Zielerreichung von 125%. Mit einem geschätzten Stromverbrauch von ca. 576 TWh liegt Deutschland nun unter dem Zwischenziel für 2014 in Höhe von 584 TWh.
- Solar-PV-Ausbau. 2014 wurden nach Angaben der Bundesnetzagentur 1,8 GW zusätzliche Solar-PV-Leistung installiert. Der von der Politik vorgesehene Zubau von 2,5 GW p.a. konnte damit nicht erreicht werden, der Ausbau wurde durch die Reform des EEG deutlich verlangsamt. Auf Grund des massiven Zubaus von Solar-PV in den vergangenen Jahren ist die Zielerreichung des Indikators mit 127% aber nach wie vor sehr hoch. Insgesamt waren in Deutschland Ende 2014 ca. 37,5 GW Solar-PV-Leistung installiert.
- Ausfall Stromversorgung. Der Indikator hat sich leicht verbessert. Laut Bundesnetzagentur betrug der für 2013 veröffentlichte Messwert 15,3 Minuten nach 15,9 Minuten im Jahr 2012. Das Ziel von 17 Minuten wird damit weiterhin klar erreicht.
- Gesicherte Reservemarge. Aus den Daten des Berichts zur Leistungsbilanz der Transportnetzbetreiber vom September 2014 lässt sich eine Reservemarge von 12,9% berechnen. Das bedeutet eine deutliche Erhöhung gegenüber dem Vorjahreswert von 6,8%.
- Ausbau Transportnetze. Der Indikator bewegt sich mit 438 km weiterhin im "realistischen" Bereich. Allerdings wurden die Etappenziele durch das Energieleitungsausbaugesetz (ELAG) bereits mehrfach in Abhängigkeit von den Ausbaufortschritten nachträglich angepasst und nach unten korrigiert. Offizielles Ziel 2020 sind 1.887 km.
- Arbeitsplätze in stromintensiven Industrien und erneuerbaren Energien. In den stromintensiven Industrien waren im Juni 2014 mit rund 1.599.200 Personen 0,7% mehr als im Vorhalbjahr (Dezember 2013) beschäftigt. Die Zahl der Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien blieb im Halbjahresvergleich konstant hoch (371.400).
- Offshore-Wind-Ausbau. Hier zeigen die McKinsey-Analysen "leichten Anpassungsbedarf". Insgesamt waren zum Jahresende 2014 Offshore-Windanlagen mit einer Kapazität von 1,05 GW am Netz. Zur positiven Entwicklung hat jedoch auch die Tatsache beigetragen, dass das 2020-Ziel für den Ausbau von Offshore-Wind vergangenes Jahr von 10 auf 6,5 GW gesenkt wurde.
Die aktuellen EWI-Ergebnisse sollten nach Ansicht von McKinsey-Berater Vahlenkamp Anstoß für die Politik sein, zum einen nach wie vor ambitionierte, aber deutlich realistischere Ziele vorzugeben und zum anderen regelmäßig die Soll-Ist-Abweichungen zu analysieren - ähnlich wie in einem unternehmerischen Planungsprozess.
Hintergrund und Methodik
Der Energiewende-Index von McKinsey bietet alle sechs Monate einen Überblick über den Status der Energiewende in Deutschland. Feedback und Rückmeldung dazu sind ausdrücklich erwünscht und werden bei der Aktualisierung des Index berücksichtigt, sofern es um öffentlich zugängliche Fakten geht. Auf der Website von McKinsey besteht die Möglichkeit, den Autoren zum Thema Energiewende Feedback zu geben.
www.mckinsey.de/energiewendeindex
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