VW Abgasskandal - Schadenersatz bei Fahrzeugen mit Dieselmotor EA 288
Hannover (ots)
Auch wenn VW versucht einen anderen Eindruck zu erwecken, können im Abgasskandal auch bei Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 288 Schadenersatzansprüche durchgesetzt werden. Der Motor EA 288 ist das Nachfolgemodell des durch die Abgasmanipulationen zu trauriger Berühmtheit gelangten Motors EA 189 und wird in Dieselfahrzeugen bis 2 Liter Hubraum der Marken VW, Audi, Seat und Skoda verwendet.
"Die verbraucherfreundlichen Urteile häufen sich auch bei Fahrzeugen mit diesem Motor", sagt Rechtsanwalt Andreas Schwering. Die Kanzlei Schwering Rechtsanwälte hat beispielsweise vor dem Landgericht München Schadenersatz bei einem VW Bulli T6 mit dem Motor EA 288 durchgesetzt (Az.: 3 O 4218/20). Das Gericht hat das bei der Abgasrückführung verwendete Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung gewertet. Durch das Thermofenster werde die Abgasrückführung schon bei Temperaturen unter 15 Grad Celsius signifikant zurückgefahren. Angesichts von Durchschnittstemperaturen von z.B. 9 Grad in München sei die Funktion praktisch dauerhaft in Betrieb. Von einer Ausnahme könne keine Rede sein, es handele sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, so das LG München.
Auch andere Gerichte haben den Käufern bei Fahrzeugens des VW-Konzern mit dem Motor EA 288 bereits Schadensersatz zu gesprochen. Dabei geht es nicht immer um das Thermofenster, sondern auch um eine unzulässige Prüfstandserkennung.
So sprach das Landgericht Duisburg schon im Oktober 2018 Schadenersatz bei einem VW Golf VII wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu. Eine Software erkenne, ob sich das Fahrzeug im Prüfmodus befindet. Nur dann werde der Stickoxid-Ausstoß reduziert. VW stritt die Zykluserkennung nicht ab, hält sie allerdings für legal. Für die Einhaltung der Grenzwerte sei nur der Emissionsausstoß im Prüfmodus und nicht im realen Straßenverkehr maßgeblich. Mit dieser Argumentation kam VW am LG Duisburg nicht durch (Az.: 1 O 231/18).
Im März 2020 sprach auch das LG Regensburg dem Käufer eines VW Golf VII Schadenersatz wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu. Der Kläger hatte hier ein internes VW-Dokument vorgelegt. Daraus ginge hervor, dass bei der Abgasreinigung zwischen Prüfmodus und realem Straßenverkehr unterschieden werde. Bei einer solchen Programmierung handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, entschied das Gericht (Az.: 73 O 1181/19).
In den vergangenen Wochen und Monaten folgten weitere verbraucherfreundliche Entscheidungen zu Fahrzeugen mit dem Motor EA 288. Das LG Offenburg entschied, dass ein Händler einen Audi A3 wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurücknehmen muss (Az.: 3 O 38/18), das LG Darmstadt sprach Schadenersatz bei einem Skoda Octavia zu (Az.: 13 O 88/20) und das LG Oldenburg entschied wiederum bei einem Audi A3 auf Schadenersatz (Az.:1 O 939/20).
Weitere Beispiele für verbraucherfreundliche Urteile und Beweisbeschlüsse zum EA 288:
- LG Wuppertal, 15.03.2019 (Az.: 2 O 273/18)
- OLG Köln, 12.09.2019 (Az.: 15 U 234/18)
- OLG Köln, 19.09.2020 (Az.: 15 U 117/19)
- LG Baden-Baden, 13.01.2020 (Az.: 4 O 247/19)
- LG München, 31.03.2020, Az.: 3 O 13321/19
- LG Heilbronn, 29.05.2020, Az.: Bi 6 O 257/19
- OLG Celle, 14.07.2020, Az.: 7 U 532/18
- LG Düsseldorf, 17.07.2020, Az.: 11 O 190/18
- LG Hagen, 11.08.2020, Az.: 3 O 134/19
- LG Darmstadt, 21.09.2020 Az.: 1 O 89/20
- LG Oldenburg, 06.10.2020 (Az.: 1 O 939/20)
"Die Urteile zeigen: Schadenersatzansprüche können durchgesetzt werden. Ein verpflichtender Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt ist dafür keine Voraussetzung", erklärt Rechtsanwalt Schwering.
Einen Rückruf des KBA gab es auch für den VW Golf VII nicht. Allerdings bietet VW unter dem Code 23X4 ein freiwilliges Software-Update an. Als Grund führt VW an, dass sich die Leistung des NOx-Speicherkatalysators mit zunehmenden Alter verschlechtern und es dadurch zu einen erhöhten Schadstoffausstoß in der Warmlaufphase kommen könnte.
"Auch wenn hier von Abschalteinrichtungen nicht die Rede ist, macht der Rückruf auch insbesondere der Vorgeschichte hellhörig. Die betroffenen Fahrzeug-Halter müssen einem freiwilligen Rückruf nicht nachkommen. Sie haben aber die Möglichkeit, ihre Schadenersatzansprüche zu prüfen", so Rechtsanwalt Schwering.
Rückenwind haben Schadenersatzklagen auch durch die Ausführungen der EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 30. April erhalten. Sie hat deutlich gemacht, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie zu einem erhöhten Schadstoffausstoß im Straßenverkehr führen und Ausnahmen nur zum unmittelbaren Schutz des Motors vor Beschädigung zulässig sind. "Funktionen wie ein Thermofenster bei der Abgasreinigung gehören demnach nicht zu den zulässigen Ausnahmen", erklärt Rechtsanwalt Schwering.
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