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Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw)

EU braucht permanenten Investitionsfonds für Klima und Energie

Wien (ots)

Zusätzlich 1% des EU-BIP an öffentlichen Investitionen pro Jahr notwendig; Fiskalregeln verhindern erforderliche Investitionen; Finanzierung über EU-Anleihen ökonomisch und politisch sinnvoll

Der voranschreitende Klimawandel und die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise führen die Notwendigkeit einer grünen Transformation unseres Wirtschaftssystems drastisch vor Augen. Vor allem im Transport- und Energiesektor sind die Herausforderungen enorm. Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) hat sich daher in einer neuen Studie angesehen, was für die EU notwendig wäre, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen und geostrategisch unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden.

Fazit: Der Corona-Wiederaufbaufonds NextGenerationEU mit der Recovery and Resilience Facility (RRF) als Kernstück reicht dafür bei weitem nicht aus. Einerseits, weil die darin vorgesehenen Mittel für Klimainvestitionen zu gering sind, und andererseits, weil die Zuschüsse ab 2024 sukzessive auslaufen. Laut der Studie braucht es jährlich öffentliche Zusatzinvestitionen von zumindest 1% der EU-Wirtschaftsleistung. Bei einem EU-BIP von zuletzt (2021) 14,6 Billionen Euro wären das 146 Milliarden Euro mehr an öffentlichen Investitionen pro Jahr für die Umstellung der Energie- und Transportsysteme.

Von einem EU-Investitionsfonds würde auch Österreich enorm profitieren. Wie die Europäische Investitionsbank festgestellt hat, sind hierzulande die Erfordernisse zur Erreichung der nationalen Klima- und Energieziele mit 2,4% der Wirtschaftsleistung besonders groß. Eine Ausweitung öffentlicher Investitionen über den EU-Fonds würde zudem weitere private Investitionen im Bereich Klima und Energie anziehen.

Unzureichende Spielräume für notwendige Investitionen

„Da auch die in Aussicht gestellte Reform der EU-Fiskalregeln den nationalen Regierungen eine derartige Ausweitung der Investitionstätigkeit nicht ermöglichen wird, schlagen wir die Einrichtung eines permanenten EU-Investitionsfonds für Klima und Energie vor“, sagt Philipp Heimberger, Ökonom am wiiw und Co-Autor der Studie. Dieser soll zusätzliche öffentliche Investitionen von mindestens 1% der EU-Wirtschaftsleistung pro Jahr ermöglichen und zweckgebunden sein.

Finanziert werden soll der Investitionsfonds nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbauprogramms NextGenerationEU über die Aufnahme von gemeinsamen EU-Anleihen. Nicht die einzelnen Mitgliedstaaten, sondern die EU als Ganzes würde dafür mit den zukünftigen Beiträgen der Mitgliedsstaaten zum EU-Budget haften. „Das hätte den Vorteil, dass die nationalen Budgets entlastet würden, die Finanzierungskosten in allen EU-Mitgliedstaaten im Rahmen blieben und die EU-Fiskalregeln leichter einzuhalten wären“, analysiert Andreas Lichtenberger, Ökonom am wiiw und Co-Autor der Studie. Auch Länder wie Österreich und Deutschland könnten zusätzliche grüne Projekte mit einem EU-Investitionsfonds wesentlich einfacher finanzieren, ohne dabei die Brüsseler Budgetregeln zu verletzen.

Klimaschutz effizienter auf EU-Ebene, Förderung grüner Technologien

Außerdem brächte eine gemeinsame EU-Investitionsoffensive auch wirtschaftliche und politische Vorteile gegenüber nationalen Alleingängen. Zum einen wäre die Koordinierung sinnvoller Investitionen und die Sicherstellung ihrer Finanzierung auf EU-Ebene wesentlich einfacher und effizienter zu bewerkstelligen als auf nationaler Ebene. „Eine gemeinsame kreditfinanzierte Anstrengung auf europäischer Ebene würde auch den Druck zu nationalen Steuererhöhungen reduzieren“, argumentiert Philipp Heimberger.

Auch industriepolitisch hätte eine konzertierte EU-Investitionsoffensive im Bereich Klima und Energie sehr positive länderübergreifende Effekte auf die Entwicklung und Kommerzialisierung neuer grüner Technologien. „Damit könnte Europa, das beim grünen Wettrüsten zwischen den USA und China zusehends ins Hintertreffen gerät, im Kampf um die Führung bei umweltfreundlichen Technologien gestärkt werden“, meint Co-Autor Andreas Lichtenberger.

Geopolitische Handlungsfähigkeit

Die Bewältigung der Klima- und Energiekrise ist zudem essenziell, um eine politisch geeinte und geopolitisch handlungsfähige EU sicherzustellen. Als wesentliche Voraussetzung dafür identifiziert die Studie einen solidarischen Ansatz bei der europäischen Investitionspolitik. So müssten etwa auch in den osteuropäischen EU-Staaten, die besonders unter ihrer hohen Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland leiden, die erforderlichen Investitionen für Klima und Energie zügiger getätigt werden, um die politische Geschlossenheit der Union zu erhöhen. Ähnliches gilt auch in Bezug auf die vom Klimawandel besonders stark betroffenen Mittelmeeranrainerstaaten.

„Ein EU-Investitionsfonds für Klima und Energie wäre eine effektive, kostengünstige und politisch machbare Option, um über bestehende Programme hinaus zusätzliche grüne Investitionen zu forcieren und gleichzeitig die EU-Fiskalregeln einzuhalten, aber auch den politischen Zusammenhalt der Union zu stärken“, ist Philipp Heimberger überzeugt.

Die Studie steht hier zum Download zur Verfügung.

Pressekontakt:

Rückfragehinweis:
Andreas Knapp
Communications Manager
Tel. +43 680 13 42 785
knapp@wiiw.ac.at

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