Retail Banking Radar: Sind Privatkundenbanken für morgen gewappnet?
Düsseldorf (ots)
Deutsche Privatkundenbanken sind auch 2023, das zweite Jahr in Folge, auf Rekordniveau. Jetzt profitabel, aber die Zukunft könnte ein Balanceakt zwischen der aktuellen Rentabilität und aufkommende Risiken werden, das zeigt das aktuelle 'European Retail Banking Radar 2024' der globalen Unternehmensberatung Kearney. Die Branche hat auch in Deutschland mit einer Vielzahl von Risiken zu kämpfen.
Höchste Zinsen seit mindestens einem Jahrzehnt und wachsende Nettozinsmargen bescherten den Privatkundenbanken 2023 ein weiteres Rekordjahr - das zweite in Folge, auch in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt der 'European Retail Banking Radar 2024', den die globale Unternehmensberatung Kearney jährlich herausgibt. Demnach stiegen die Nettozinsmargen in Europa von 1,8 Prozent im Jahr 2021 auf 2,3 Prozent im Jahr 2023 und von jedem verdienten Euro flossen 39 Cent direkt in den Gewinn.
Der 'European Retail Banking Radar 2024' von Kearney deckt fast 90 Privatkundenbanken in 21 Märkten ab: 50 Banken in 13 westeuropäischen Märkten und 38 Banken in acht osteuropäischen Märkten. Der Radar analysiert mehr als zwölf Dimensionen in Bezug auf Ertragsstärke, betriebliche Effizienz und Risikomanagement. Die langfristigen Daten, die Lehren aus Wirtschafts-, Finanz- und Gesundheitskrisen seit 2008 enthalten, helfen dabei, kommende Trends und zukünftige Notwendigkeiten für die Branche zu identifizieren.
Da die Inflation in der 20 Länder umfassenden Eurozone im März 2024 auf 2,4 Prozent sank und die Europäische Zentralbank ihrem mittelfristigen Inflationsziel von 2 Prozent näherkamen, rechnen Analysten mit einer ersten Zinssenkung im Juni. Zinssenkungen um 95 bis 125 Basispunkte könnten bis Dezember erfolgen. Ist der Performance-Höhepunkt der Privatkundenbanken damit auch in Deutschland bald vorbei?
Aufschwung in Deutschland
"Auch in Deutschland erlebten Retailbanken im Jahr 2023 einen bemerkenswerten Aufschwung, wie unsere Erhebung zeigt. Hier wurde eine Ertragssteigerung von etwas mehr als 30 Prozent verzeichnet. Der Ertrag pro Kunde betrug erreichte 678 Euro gegenüber 519 Euro im Jahr 2022. Der Ertrag pro Mitarbeiter stieg auf 260.000 Euro gegenüber 199.000 Euro im Jahr 2022", erklärt Daniela Chikova, Partnerin Financial Services bei Kearney.
Das Ertragswachstum im Jahr 2023 brachte deutliche Verbesserungen beim Cost-Income-Ratio. In Deutschland sank die Quote erstmals seit Jahren signifikant um fast 13 Prozentpunkte von 71 Prozent im Jahr 2022 auf 58 Prozent.
Der Gewinn pro Kunde wuchs um etwas mehr als 8 Prozent von 233 Euro auf 252 Euro.
Mischung aus Inflation und höheren Zinsen sorgt für Gegenwind
Die Kostenbasis blieb 2023 insgesamt hinter dem Wachstum der Einnahmen zurück, trotz des hohen Inflationsumfelds für den größten Teil des Jahres. Haushalte mit erheblichen ausstehenden Kreditsalden verzeichneten einen Anstieg ihrer monatlichen Rückzahlungen, wobei Schätzungen zufolge die Zinsrückzahlung auf das verfügbare Bruttoeinkommen bis Ende 2025 von 2,2 Prozent zum Ende des zweiten Quartals 2023 für die Eurozone auf 2,6 Prozent steigen wird.
Während höhere Zinssätze zu einem Anstieg der Erträge bei den Privatkundenbanken führten, stellten sie für einige ihrer Kunden eine Belastung dar. Die Wohnkostenüberlastung[1] stieg in mehreren EU-27-Ländern - darunter Deutschland von 12,9 Prozent im Jahr 2022 auf 17,4 Prozent im Jahr 2023.
Die Kombination aus Zinserhöhungen und Inflation wirkte abschreckend auf Ersparnisse und Kreditvergabe. Kundeneinlagen stiegen bei den im Radar erfassten europäischen Banken um magere 0,5 Prozent - deutlich unter der historischen CAGR 2008-2022 von 4,2 Prozent. "Deutschland liegt mit einem Wachstum von 0,2 Prozent in den Privatkundeneinlagen und 1,1 Prozent in den Privatkundenkrediten von 2022 bis 2023 unter dem europäischen Durchschnitt", erläutert Chikova.
Ausblick und Trends
Der Blick nach vorn bringt für Privatkundenbanken eine Gratwanderung mit sich. Um diese zu meistern, rät Kearney, müssen Banken ihre starke Finanzposition nutzen, um ihre Geschäfts- und Betriebsmodelle zukunftssicher und regenerativ zu gestalten, anstatt nur auf die Herausforderungen von heute zu reagieren. Konkret bedeutet das für Banken:
- Rückkehr zu den Grundlagen: Kosten angehen, trotz des anhaltenden Inflationsdrucks.
- Nutzung von Daten und Technologien, um Kundenbedürfnisse zu verstehen, zu antizipieren und darauf zu reagieren, sowie um betriebliche Effizienz zu schaffen und das Risikomanagement zu verbessern.
- Sorgfältige Überwachung und Steuerung von Risiken, insbesondere neuer Risiken, die in der sich verändernden Technologielandschaft auftreten, wie z. B. Cyberangriffe und KI-gesteuerter Betrug
- Weiterentwicklung und Transformation des Geschäftsmodells, sowie der Aufbau von Ökosystemen, welche Regulierungsbehörden, Investoren und Kunden umfassen.
- Den Übergang zu einer grüneren und gerechteren Wirtschaft fördern.
Durch regeneratives Wachstum können Privatkundenbanken die heutigen Herausforderungen bewältigen und gleichzeitig einen dauerhaften wirtschaftlichen Mehrwert für alle Beteiligten erzielen, so das Fazit des 'European Retail Banking Radar 2024'. Demnach kann regeneratives Wachstum den Blick für die Zukunft schärfen, indem es Menschen, digitale Technologien und operative Bausteine zusammenbringt und Banken dabei helfen, sich auf die Zukunft vorzubereiten.
[1] Der Prozentsatz der Bevölkerung, die in einem Haushalt mit einer Hypothek lebt, bei dem die gesamten Wohnkosten mehr als 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens ausmachen, beträgt etwa 10 Prozent im Euroraum.
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Verena Herb
Director Marketing & Communications DACH
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