"Die Regierung will den Dealern das Leben schwer machen"
Baden-Baden (ots)
SWR3 Report "Legaler Rausch" befasst sich mit der geplanten Cannabis-Legalisierung / SWR Hauptstadtkorrespondenten Christopher Jähnert und Jim-Bob Nickschas auf Wissensreise
Die Cannabis-Legalisierung gehört zu den Vorhaben der neuen Ampel-Regierung, die am meisten Aufmerksamkeit erregt haben. Im neuen SWR3 Report "Legaler Rausch" nehmen die SWR Hauptstadtkorrespondenten Christopher Jähnert und Jim-Bob Nickschas die Hörer:innen mit auf eine Wissensreise - sie sprechen mit Befürworter:innen und Gegner:innen einer Cannabis-Legalisierung, lassen Argumente wissenschaftlich einordnen und hören sich Erfahrungen aus anderen Ländern an. Darüber hinaus wird im Podcast erklärt, warum Gesetze manchmal länger auf sich warten lassen.
Besitz und Verkauf von Cannabis soll legalisiert werden
Die aktuelle Bundesregierung, bestehend aus SPD, Grünen und FDP, will Cannabis legalisieren und hat damit für viel Aufregung bei Befürworter:innen und Gegner:innen gesorgt. Gesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte den derzeitig vorrangig repressiven Umgang mit Cannabis als gescheitert. Laut seiner Aussage schwanke die Qualität des Cannabis und der Konsum bei den Jugendlichen sei nicht zurückgegangen. SWR Hauptstadtkorrespondent Jim-Bob Nickschas stellt fest: "Wenn man hier durch Berlin läuft, riecht es ja sowieso an vielen Ecken nach Gras". Diesen Eindruck bestätigt auch Christopher Jähnert: "Manchmal könnte man sich fast schon denken, dass Kiffen schon lange legal ist. Ist es aber gar nicht. Also der Konsum an sich ist nicht verboten - aber der Besitz und der Verkauf."
Bessere Qualität aufgrund einer Legalisierung
Zu den Beweggründen der Legalisierungspläne äußert sich Jim-Bob Nickschas: "Die Befürworter, also die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP, die sagen vor allem: Wir müssen die Gesetze an die Realität anpassen, weil trotz Cannabis-Verbot immer mehr Leute kiffen, das zeigen ja auch die Zahlen." Christopher Jähnert ergänzt: "Und die Regierung will den Dealern das Leben schwer machen, indem Gras dann ganz legal gekauft werden kann - und damit soll auch die Qualität besser kontrolliert werden, weil man auf der Straße eben nicht immer genau weiß, was für ein Zeug bekomme ich da eigentlich, was ist da drin?"
Medizinische Folgen des Cannabis-Konsums
Bei einer möglichen Cannabis-Legalisierung spielen auch medizinische Argumente eine Rolle. Im Podcast kommen deshalb unter anderem Linus Neumeier, der mit psychischen Problemen nach dem Cannabis-Konsum zu kämpfen hatte, sowie Eva Hoch von der Uniklinik in München, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema Cannabis-Konsum und dessen Folgen beschäftigt, zu Wort. "Man würde sagen, Cannabis ist ein Trigger. Ein Drittel der Bevölkerung hat die Veranlagung für eine Psychose und wer weitere Stressoren in seinem Leben hat, ist anfälliger dafür, bei Cannabis-Konsum eine Psychose zu entwickeln. Viele wollen ihre Symptome damit lindern, ihre Probleme lösen - das ist möglicherweise dann der Einstieg in eine Abhängigkeit, wie auch bei Alkohol oder anderen Substanzen", erklärt Eva Hoch.
Steuerersparnis und zusätzliche Einnahmen durch Gesetzesänderung
Argumente für die Legalisierung überzeugen unter anderem Hubert Wimber, Polizeipräsident a. D. und Torsten Zelgert, der im Gefängnis war und mittlerweile anderen Betroffenen hilft. Zelgert vertritt die Meinung, dass sich Betroffene tendenziell eher Hilfe holen, wenn Cannabiskonsum nicht mehr unter Strafe stünde. Hubert Wimber betrachtet insbesondere den großen finanziellen Vorteil durch die Entlastung der Polizei und Gerichte. Die SWR Hauptstadtkorrespondenten Christopher Jähnert und Jim-Bob Nickschas berichten von einer Studie der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, die besagt, dass durch die Legalisierung 1,4 Milliarden Euro gespart werden können. Ebenfalls geht aus der Studie hervor, dass mit zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von circa 1,8 Milliarden Euro zu rechnen sei. "Alles in allem zusammengerechnet mit anderen Effekten wie Arbeitsplätzen und so weiter könnte der Staat mit 5 Milliarden Euro Plus aus der Nummer rauskommen. Jedes Jahr. Und auch das wird natürlich mitdiskutiert, wenn es um die Legalisierung geht", berichtet Jim-Bob Nickschas.
Legalisierung nicht so schnell wie geplant
Warum der Weg bis zur Legalisierung trotz des Vorhabens der Bundesregierung noch länger dauern könnte, weiß Burkhard Blienert, Bundesdrogenbeauftragter: "Das ist der Jugendschutz, der beachtet werden muss. Wir haben im Verkehrsrecht natürlich Regelungen zu treffen, es geht um die Lieferketten, deshalb sind auch fast alle Ministerien beteiligt. Und darauf baut sich letztendlich auch nochmal die europa- und völkerrechtliche Frage auf", so Blienert. Ein weiteres zeitliches Hindernis sieht SPD-Politikerin Carmen Wegge, die sich in der Radio-Ausgabe des SWR3 Reports äußert: "Wir haben die UN Single Convention on Narcotic drugs, die uns theoretisch die Legalisierung verbietet. Da müssen wir austreten, das kann man nur einmal im Jahr machen, das nächste Austrittsdatum ist für uns der 1.1.2024. Dann haben wir einen EU-Rahmenbeschluss, bei dem auch noch die Frage ist, welche Auswirkungen der auf unsere Legalisierung hat. Und dann brauchen wir selbstverständlich auch noch die Zustimmung des Bundesrats." Der Bundesdrogenbeauftragte wollte sich im SWR3 Report auf keine Prognose einlassen. Carmen Wegge rechnet frühestens 2024 mit einer Legalisierung.
Am 22. August läuft "SWR3 Report: Legaler Rausch" im Radio. Der dazugehörige Podcast steht in der neuen Reihe "SWR3 Report" ab dem 18. August zur Verfügung. Den Podcast gibt es auf SWR3.de, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
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