Standort Deutschland bei US-Unternehmen nach wie vor beliebt: Investitionen fließen in Vertrieb, Marketing und F & E - Produktion und Verwaltung wandern ab
Berlin (ots)
Deutschland ist bei den rund 2.000 hier ansässigen US-Unternehmen nach wie vor ein beliebter Standort. 58 Prozent der amerikanischen Unternehmen konnten ihren Umsatz im vergangenen Jahr steigern. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) erhöhten ihre Investitionen in Deutschland, 50 Prozent hielten sie auf Vorjahresniveau. Für das laufende Jahr erwarten die US-Investoren eine Geschäftsbelebung: 40 Prozent rechnen mit einer Zunahme der Investitionen, 71 Prozent mit Umsatzsteigerungen. US-Unternehmen investieren hierzulande vor allem in den Ausbau von Vertrieb, Marketing sowie Forschung und Entwicklung. Ein wachsender Teil des europäischen Investitionsbudgets fließt in den Auf- und Ausbau von Produktions- und Verwaltungsstätten in Osteuropa. Dies ist das aktuelle Stimmungsbild unter US-Investoren, das der AmCham Business Questionnaire 2004/2005 spiegelt. Diese jährliche Umfrage der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany) und der Beratung The Boston Consulting Group (BCG) wurde heute auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt.
Bereits zum zweiten Mal wurden die 100 umsatzstärksten sowie als besonders innovativ geltende US-Unternehmen in Deutschland befragt, wie sie die Attraktivität des Standortes, Konjunktur und Wachstum einschätzen. 70 US-Unternehmen nahmen teil, darunter 65 Prozent der 50 umsatzstärksten US-Firmen in Deutschland. Die teilnehmenden Unternehmen repräsentieren einen Jahresumsatz von mehr als 100 Milliarden Euro und etwa 230.000 Arbeitsplätze in Deutschland.
Erste Wahl als Standort für Marketing- und Kompetenzzentren
Als Standort für Marketing- und Kompetenzzentren hat Deutschland im Vergleich zum Vorjahr Prozentpunkte hinzugewonnen und führt erneut die Beliebtheitsskala an. Anders bei der Standortwahl für Verwaltungszentralen: Hier liegt Großbritannien an der Spitze, gefolgt von Deutschland und der Schweiz. Weniger attraktiv ist Deutschland für Finanzholdings - nur 14 Prozent der Befragten würden sich für diesen Standort entscheiden; die Schweiz, die Niederlande und Großbritannien bieten hier bessere Bedingungen.
Der Anteil der nach Deutschland fließenden Investitionen am europäischen Gesamtbudget der US-Unternehmen ist nach wie vor beträchtlich: 30 Prozent der Befragten investierten hierzulande mehr als 40 Prozent ihres Europabudgets. Aber die Gewichtung hat sich verschoben: Während US-Unternehmen in Deutschland vor allem in den Ausbau von Vertrieb, Marketing und Forschung & Entwicklung investieren, ist in den personalintensiven Wertschöpfungsstufen Produktion und noch stärker in der Verwaltung ein Abbau der Investitionstätigkeit geplant. So erklärt sich der vergleichweise geringe Effekt der Investitions- und Umsatzsteigerungen auf die Beschäftigtenzahl: 46 Prozent der Unternehmen haben im vergangenen Jahr Arbeitsplätze abgebaut, nur 22 Prozent zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Im laufenden Jahr planen fast ein Drittel der befragten US-Unternehmen in Deutschland einen weiteren Personalabbau.
Osteuropa als Schwerpunkt künftiger Investitionen
Die europäischen Investitionen von US-Unternehmen verschieben sich zunehmend nach Osteuropa. Jedes fünfte der befragten Unternehmen (19 Prozent) plant eine Verlagerung einzelner Geschäftsaktivitäten in andere europäische Länder. Für 26 Prozent der US-Unternehmen ist Osteuropa dabei zur wichtigsten Region für Konzerninvestitionen aufgestiegen; im Vorjahr hatten erst 13 Prozent der befragten US-Firmen dort ihren Investitionsschwerpunkt gesehen. US-Unternehmen schätzen Osteuropa vor allem wegen niedriger Lohnkosten und geringer Regulierungsdichte. Polen, Tschechien oder die Slowakei gelten als die attraktivsten Arbeitsmärkte in Europa - gefolgt von Großbritannien und Irland.
Dieter Heuskel, Deutschlandchef der BCG, sieht in der Verlagerung einen weltweit zu beobachtenden Trend: "Als Produktionsstandort verliert Deutschland gegenüber den osteuropäischen Nachbarn rapide an Boden, während die Attraktivität als Absatzmarkt und Forschungsstandort ungemindert ist. Von dieser Art Strukturwandel sind ähnlich entwickelte Volkswirtschaften wie die USA und Japan gleichermaßen betroffen. Unternehmen suchen für jede einzelne Wertschöpfungsstufe und -tätigkeit weltweit den optimalen Standort."
Auf der Wunschliste der US-Unternehmen zur Verbesserung der Standortattraktivität rangieren - unverändert gegenüber dem Vorjahr - höheres Wirtschaftswachstum (29 Prozent) und die weitere Deregulierung des Arbeitsmarktes (25 Prozent) vor niedrigeren Lohnkosten (20 Prozent) und einer geringeren Steuerbelastung (17 Prozent). Verbesserungsbedarf sehen US-Unternehmen auch im Bereich des Arbeitsmarktes: Gewünscht werden vor allem eine größere Flexibilität bei Einstellungen und Kündigungen (37 Prozent), eine Senkung der Lohnnebenkosten (36 Prozent) und eine geringere Gesetzesdichte (33 Prozent).
Reformprozess veränderte Wahrnehmung kaum
Der Reformprozess in Deutschland hat die Wahrnehmung von US-Unternehmen insgesamt wenig verändert. Die Mehrheit der befragten Unternehmen bewertet die Qualität des Standortes in den letzten zwölf Monaten unverändert. Immerhin 21 Prozent der teilnehmenden Unternehmen registrieren eine Verbesserung, mit 25 Prozent allerdings nahezu ebenso viele eine Verschlechterung. Fred B. Irwin, Präsident der AmCham Germany, fasst die Stimmung der US-Unternehmen zusammen: "Dieses Land bewegt sich, und es gibt eine Vielzahl guter Nachrichten. Dieses Land hat die bestausgebildeten Mitarbeiter und hoch innovative Unternehmen und somit alle Chancen, auch künftig an der Spitze zu stehen. Es kommt allerdings darauf an, die notwendigen Reformen konsequent anzugehen, um für die Zukunft gerüstet zu sein."
Der Business Questinnaire wurde von AmCham Germany gemeinsam mit der Boston Consulting Group durchgeführt. Es handelt sich um eine jährliche Befragung der US-Unternehmen in Deutschland nach ihrer Zufriedenheit mit dem Wirtschaftsstandort. Erstmals im Jahr 2003 erhoben, ermöglicht die jährliche Durchführung des Business Questionnaire die Früherkennung von Trends und die Berechnung von Jahresvergleichen.
AmCham Germany ist die größte bilaterale Wirtschaftsvereinigung in Europa. Die in ihr organisierten Unternehmen repräsentieren circa 110 Milliarden Euro Investment und 800.000 direkte Arbeitsplätze. Die Kammer versteht sich als Kommunikationsbrücke zu Investoren in den Vereinigten Staaten. Im Vordergrund ihrer Tätigkeit steht die Förderung der deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen und des Standortes Deutschland.
The Boston Consulting Group ist die weltweit führende strategische Unternehmensberatung. Gemeinsam mit ihren Kunden entwickelt und implementiert BCG innovative Strategien, die spürbare Wettbewerbsvorteile schaffen und das Unternehmensergebnis nachhaltig verbessern. 1963 in den USA gegründet, unterhält BCG heute weltweit 60 Büros, davon sieben in Deutschland mit Niederlassungen in Wien und Athen. In diesen neun Büros erzielte BCG im Jahr 2004 mit 550 Beraterinnen und Beratern einen Umsatz von 246 Millionen Euro.
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