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KI und Robotik: Wie autonomer Ultraschall den medizinischen Alltag entlasten kann

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

PRESSEMITTEILUNG

Künstliche Intelligenz und Robotik unterstützen Diagnose

Wie autonomer Ultraschall den medizinischen Alltag entlasten kann

  • Robotischer Ultraschall kann Ärztinnen und Ärzten Routineuntersuchungen abnehmen.
  • Die Untersuchungen sind standardisiert, somit werden Daten miteinander vergleichbar.
  • Für autonome oder automatisierte Untersuchungen ist kein medizinisches Fachpersonal nötig.

Prof. Nassir Navab von der Technischen Universität München (TUM) setzt robotische Ultraschallsysteme ein, die Routineuntersuchungen autonom übernehmen und Ärztinnen und Ärzte im OP unterstützen. Seine Forschung zeigt: Die Systeme können Medizinerinnen und Mediziner im Alltag sinnvoll entlasten.

Vor sechzig Jahren etablierte sich der Ultraschall in der Medizin. Vor zwanzig Jahren ließ sich das erste Ultraschallgerät erstmals aus der Ferne steuern. Nun steht der nächste Entwicklungssprung bevor, hin zu einem autonomen Ultraschallsystem. „Wir wollen ein robotisches System mit künstlicher Intelligenz schaffen, das die Physik des Ultraschalls kennt, die Physiologie und Anatomie des Menschen analysiert und Ärztinnen und Ärzte darin unterstützt zu entscheiden, was zu tun ist“, beschreibt Nassir Navab seine Vision. Der Leiter des Lehrstuhls für Informatikanwendungen in der Medizin und Augmented Reality an der TUM bringt dafür als einer von wenigen Professoren weltweit Forschende in künstlicher Intelligenz, Computer Vision, Medizin und Robotik in seinem Labor zusammen. In den ersten Systemen zeigen die Forschenden, wie der Einsatz in der Arztpraxis und im Operationssaal aussehen kann.

In der Arztpraxis: Zugriff auf autonom erstellte 3D-Bildern des Gefäßsystems

Inzwischen ist ein robotisches System entstanden, das Patient:innen ohne Beisein einer Ärztin oder eines Arztes mit Hilfe eines Ultraschallgeräts untersuchen kann. Dafür ist der Ultraschallkopf an einem Roboterarm angebracht, der etwa auf dem Unterarm oder dem Bauchraum einer Patientin oder eines Patienten aufsetzt und autonom diese Regionen untersucht. Das System stellt also eigenständig Gefäße aus dem Inneren des Körpers in 3D dar, visualisiert physiologische Parameter wie die Fließgeschwindigkeit des Blutes und nimmt Mediziner:innen so Routineaufgaben ab. Auch einzelne Anomalien, wie etwa eine Verengung von Gefäßen, erkennt das System bereits. Die Ärztinnen und Ärzte haben die Ergebnisse dadurch bereits vorliegen, und können sich mehr auf die Betreuung und Beratung der Patient:innen konzentrieren.

Im Operationssaal: Robotischer Ultraschall liefert eigenständig Bilder

Anders als bei einer Routineuntersuchung, bei der ein Ultraschall zu Forschungszwecken schon autonom und standardisiert gemacht werden kann, lässt sich das autonome System während einer Operation unterstützend nutzen. Für Operationen an der Wirbelsäule setzen die Forschenden aus dem Navab-Lehrstuhl auf das Konzept der „geteilten Kontrolle“. Die Medizinerin und der Mediziner kann den Ultraschall wie gehabt selbst einsetzen, sich aber auch autonom unterstützen lassen, um die Arme frei zu haben. Setzt die Chirurgin und der Operateur beispielsweise eine Injektion in ein Wirbelgelenk, kann ein solches System Bilder der jeweiligen Region hinzuschalten, ohne die Operation zu stören. Zudem ist das System in der Lage, die Bilder per Maschinellem Lernen zu überprüfen, um Anomalien zu finden, die beispielsweise auf eine Fraktur eines Wirbelkörpers hindeuten.

Die Vorteile: 3D-Bilder, Daten sind vergleichbar und Gesundheitsscans möglich

Die Vorteile von autonomen robotischen Ultraschallsystemen sind vielfältig:

  • Ultraschallbilder in 3D: Untersuchungsergebnisse liegen meistens direkt in 3D vor, und nicht wie üblich in 2D. Ärztinnen und Ärzte müssen diese mentale Leistung also nicht mehr erbringen, sich dreidimensionale Bilder vorzustellen. Zudem werden Verbindungen sichtbar, die sich in 2D nur schwer erschließen lassen.
  • Vergleichbarkeit von Daten: Das System kann also auch Jahre später auf sämtliche Untersuchungen zurückgreifen und sogar Ergebnisse von unterschiedlichen Patient:innen miteinander vergleichen. Es wird sozusagen ein Standardprogramm abgespult, das einzelne Regionen des Körpers erfasst, auf wichtige Fragestellungen hin untersucht und Daten gut vergleichbar macht. Ist ein Gefäß verengt? Hat es sich gegenüber der letzten Untersuchung verändert?
  • Gesundheitsscan ohne medizinische Expert:innen: Für eine autonome Untersuchung würden in der Zukunft Kabinen in medizinischen Zentren oder Apotheken ausreichen, die mit diesen Systemen ausgestattet sind. Die Untersuchung ist möglich, obwohl kein ohne medizinisches Fachpersonal dabei ist. Die innovative Technologie kann also auch in entlegenen Gegenden genutzt werden, etwa auf Schiffen, im Weltraum oder auf entlegenen Inseln.

Voraussetzung: Vertrauen zwischen Roboter und Patient:innen

Bevor sich die Roboterarme mit den Ultraschallköpfen in Bewegung setzen, sind Prof. Navab „vertrauensbildende Maßnahmen“ wichtig. Die Patientinnen und Patienten sollen deshalb zunächst eine Beziehung zum Robotersystem aufbauen. Dafür forscht sein Team an einer Mensch-Maschine-Interaktion, welche eine entspannte und sichere Umgebung garantieren soll. Das Kennenlernen etwa beginnt mit einer anschaulichen Animation, die zeigt, welche Schritte während der Untersuchung durchgeführt werden und welche Bewegungen der Roboter vorhat. Durch diese Einführung sind Patientinnen und Patienten darauf vorbereitet, was sie erwartet.

„Um das Vertrauen weiter zu festigen, demonstriert das System zunächst seine Fähigkeiten bei unkritischen, einfachen Interaktionen, wie einem symbolischen High Five“, erläutert Doktorand Felix Dülmer. Diese Maßnahmen sollen verdeutlichen, dass das System ein Verständnis von der Umgebung hat und auf Bewegung reagieren kann – und daher keine Gefahr von dem Gerät ausgeht – etwa wenn der Roboter mit seinem Arm Gel auf der Bauchdecke aufbringt und mit dem Ultraschallkopf in standardisierten Wegen und mit definiertem Druck hin und herfährt.

Autonome robotische Systeme als medizinischer Service

TUM-Professor Navab geht davon aus, dass Menschen die Technologie schnell akzeptieren werden: „Menschen messen schon heute ihren Puls, Körpertemperatur oder Blutdruck mit ihrer Smartwatch oder anderen digitalen Anwendungen“, erläutert Prof. Navab, „sie werden sicher auch mit Hilfe von robotischen Systemen Ultraschalluntersuchungen an sich machen lassen.“

Weitere Informationen:

Die Vorteile von automatisierten und autonomen Ultraschallsystemen auf einen Blick:

  • Übernahme repetitiver Aufgaben -> Entlastung des medizinischen Personals -> kann sich wieder auf die komplexen Fälle konzentrieren und näher an den Patient:innen sein.
  • Die robotische Untersuchung benötigt keine Pausen, ist unabhängig von Tagesform-> gleichbleibend hohe Qualität.
  • Demokratisierung der medizinischen Versorgung -> Alle können darauf Zugriff haben.
  • Das robotische Ultraschallsystem kann sich alles merken, kann somit besser Zusammenhänge visualisieren und auf vergleichbare Fälle zugreifen, um optimierte Analysen zu erstellen.

Publikationen:

Yuan Bi, Zhongliang Jiang, Felix Duelmer, Dianye Huang, and Nassir Navab; Machine Learning in Robotic Ultrasound Imaging: Challenges and Perspectives; Annual Reviews of Control, Robotics and Autonomous Systems; https://www.annualreviews.org/content/journals/10.1146/annurev-control-091523-100042

Zhongliang Jiang, Septimiu E. Salcudean, Nassir Navab; Robotic ultrasound imaging: State-of-the-art and future perspectives; Medical Image Analysis; https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S136184152300138X

Zusatzinformationen für Redaktionen

Foto zum Download: https://mediatum.ub.tum.de/652209?show_id=1740787

Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Nassir Navab

Lehrstuhl für Informatikanwendungen in der Medizin & Augtmented Reality

Technische Universität München (TUM)

Nassir.navab@tum.de

Kontakt im TUM Corporate Communications Center

Andreas Schmitz

Presse Robotik und maschinelle Intelligenz

0162-27 46 193

presse@tum.de

www.tum.de

Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 650 Professuren, 52.000 Studierenden und 12.000 Mitarbeitenden eine der weltweit stärksten Universitäten in Forschung, Lehre und Innovation. Ihr Fächerspektrum umfasst Informatik, Ingenieur-, Natur- und Lebenswissenschaften, Medizin, Mathematik sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Sie handelt als unternehmerische Universität und sieht sich als Tauschplatz des Wissens, offen für die Gesellschaft. An der TUM werden jährlich mehr als 70 Start-ups gegründet, im Hightech-Ökosystem München ist sie eine zentrale Akteurin. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Büros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder:innen wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings wird sie regelmäßig als beste Universität in der Europäischen Union genannt.

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