Technische Universität München
PISA-Studie: Jugendliche in Deutschland beim kreativen Denken im Mittelfeld
TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN
PRESSEMITTEILUNG
Wie gut können 15-Jährige Ideen entwickeln und Probleme lösen?
PISA-Studie: Jugendliche in Deutschland beim kreativen Denken im Mittelfeld
• Kompetenz ergänzend zu PISA-Kernkompetenzen getestet
• 27 Prozent schneiden besonders gut ab, 22 Prozent besonders schlecht
• Kreatives Denken kann in allen Fächern gefördert werden
Jugendliche in Deutschland können genauso gut kreativ denken wie der Durchschnitt der 15-Jährigen in den OECD-Staaten. Dies ist ein weiteres Ergebnis der jüngsten PISA-Studie. Die Auswertung zeigt, dass die Fähigkeit zum kreativen Denken wesentlich mit den Kernkompetenzen in Mathematik, im Lesen und in Naturwissenschaften zusammenhängt.
Können Jugendliche Ideen entwickeln, um ein Problem zu lösen? Sind sie in der Lage, Neues zu schaffen? Kreatives Denken gilt als Voraussetzung, um mit Veränderungen umgehen zu können – im Beruf wie im privaten Alltag. Die jüngste PISA-Studie hat deshalb erstmals untersucht, wie ausgeprägt diese Kompetenz bei Schülerinnen und Schülern kurz vor dem Ende ihrer Pflichtschulzeit ist. Rund 5.900 15-Jährige bearbeiteten in Deutschland neben dem Test in Mathematik, im Lesen und in den Naturwissenschaften (dessen Ergebnisse bereits 2023 veröffentlicht wurden) auch Aufgaben zum kreativen Denken.
Beispielsweise sollten sich die Jugendlichen verschiedene Möglichkeiten überlegen, wie man das Bewusstsein für die Bedeutung von Bienen stärken kann. In einer anderen Aufgabe sollten sie sich einen Dialog für einen Comic ausdenken.
„Der Fokus der Studie liegt auf der Frage, ob sich die Jugendlichen eine originelle Idee ausdenken, fremde Ideen weiterentwickeln und sich mehrere Ideen zur gleichen Frage einfallen lassen können. Es geht darum, soziale und naturwissenschaftliche Probleme zu lösen und sich schriftlich und visuell auszudrücken“, erklärt Prof. Doris Lewalter vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM), Leiterin des deutschen Teils der PISA-Studie, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) koordiniert wird.
Deutschland auf einer Stufe mit Frankreich und Spanien
Die durchschnittlichen Kompetenzen der Jugendlichen in Deutschland entsprechen dem Durchschnitt der Ergebnisse in den OECD-Staaten. Die größte Kompetenz in den OECD-Staaten haben die 15-Jährigen in Korea, Kanada, Australien und Neuseeland. Berücksichtigt man alle teilnehmenden Staaten, ist Singapur an der Spitze. Auf einer Stufe mit Deutschland stehen beispielsweise Spanien, Frankreich, die Niederlande und Israel.
Entsprechend der im Test erreichten Punktzahlen ordnet die Studie die Schülerinnen und Schüler verschiedenen Kompetenzstufen zu. Der Anteil der 15-Jährigen auf den Kompetenzstufen, die beim kreativen Denken besonders gute Voraussetzungen für die Berufswelt haben, liegt in Deutschland bei 27 Prozent. Dagegen sind 22 Prozent der Jugendlichen kaum in der Lage, Ideen für einfache visuelle Designs und schriftliche Darstellungen zu entwickeln oder Lösungen für Probleme zu finden.
Starker Zusammenhang mit Kernkompetenzen
Weiterführende Auswertungen zeigen, womit diese Ergebnisse in Teilen erklärt werden können. Den stärksten Zusammenhang fand das Forschungsteam mit den in der PISA-Studie getesteten Kernkompetenzen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften. „Wenn Schülerinnen und Schüler lernen, mathematisches und naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden und Texte zu verstehen, dann prägen sie offenbar zugleich ein kreatives Denken aus“, sagt Doris Lewalter. „Dabei gehen wir davon aus, dass die Kompetenzen in Wechselwirkung stehen.“
Die Analysen zeigen außerdem, dass Mädchen deutlich besser im kreativen Denken abschneiden als Jungen. Berücksichtigt man in der statistischen Auswertung aber die größere Lesekompetenz der Mädchen, dann ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern im kreativen Denken nur noch gering. Ebenso ist es bei den Unterschieden zwischen Schulformen. Die deutlich besseren Ergebnisse an den Gymnasien erklären sich insbesondere durch die größeren Fähigkeiten der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in den drei Kernbereichen.
„Offenheit für Ideen fördert kreatives Denken“
„Kreatives Denken kann gefördert werden“, betont Lewalter. „Dafür brauchen wir nicht etwa ein Schulfach Kreativität. Im Gegenteil sollten die Schülerinnen und Schüler in jedem Unterrichtsfach die Möglichkeit und Anregung zum kreativen Denken erhalten. Wenn Lehrerinnen und Lehrer offen sind für unterschiedliche Ideen, wenn sie Antworten nicht sofort als richtig oder falsch abstempeln, sondern vermeintlich schiefe Lösungsansätze gemeinsam weiterentwickeln, dann erfahren Schülerinnen und Schüler Wertschätzung für ihre Ideen und lernen gleichzeitig kreatives Denken.“
Publikation:
Jennifer Diedrich, Sabine Patzl, Pia Todtenhöfer, Doris Lewalter: Kreatives Denken in Deutschland und im internationalen Vergleich. Kurzbericht der Ergebnisse der innovativen Domäne aus PISA 2022. Münster 2024. DOI: https://doi.org/10.31244/9783830949190
https://www.pisa.tum.de/pisa/pisa-2022/
Weitere Informationen:
Die achte Studie des Programme for International Student Assessment (PISA) wurde im Frühjahr 2022 durchgeführt. Die Aufgaben zum kreativen Denken wurden in 63 Staaten bearbeitet, darunter in 28 Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
In den PISA-Studien wird neben den drei Kernkompetenzen jeweils eine weitere Kompetenz getestet. In den vergangenen Studien waren dies verschiedene Arten des Problemlösens und „Global Competence“.
Der deutsche Teil der Studie wird im Auftrag der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom ZIB geleitet, an dem neben der TUM das Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) und das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) beteiligt sind.
Die Ergebnisse von PISA 2022 in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften wurden im Dezember 2023 veröffentlicht.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Doris Lewalter
Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM)
Tel.: +49 89 289 22798 (Pressestelle)
pisa@tum.de
Kontakt im TUM Corporate Communications Center:Klaus Becker
Pressereferent
Tel.: +49 89 289 22798
klaus.becker@tum.de
Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 650 Professuren, 52.000 Studierenden und 12.000 Mitarbeitenden eine der weltweit stärksten Universitäten in Forschung, Lehre und Innovation. Ihr Fächerspektrum umfasst Informatik, Ingenieur-, Natur- und Lebenswissenschaften, Medizin, Mathematik sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Sie handelt als unternehmerische Universität und sieht sich als Tauschplatz des Wissens, offen für die Gesellschaft. An der TUM werden jährlich mehr als 70 Start-ups gegründet, im Hightech-Ökosystem München ist sie eine zentrale Akteurin. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Büros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder:innen wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings wird sie regelmäßig als beste Universität in der Europäischen Union genannt.