VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V.
Deutsche Produktion wandert nach Osteuropa und China
Düsseldorf (ots)
- Neue Studie: Standortverlagerung ins Ausland rückläufig - China auf Platz zwei der Zielregionen - Deutsche Manager vorsichtiger als Kollegen aus anderen europäischen Ländern
Etwa jedes siebte deutsche Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes verlagerte zwischen 2004 und 2006 erhebliche Teile seiner Produktion ins Ausland - insgesamt rund 6.600 Betriebe. Wichtigste Zielländer waren und sind die neuen EU-Staaten in Osteuropa, wofür sich mehr als die Hälfte der Betriebe bei der Wahl eines neuen Standortes entschieden. Nur knapp ein Viertel wanderte nach China ab. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung im Auftrag des VDI Verein Deutscher Ingenieure.
"Glücklicherweise ist der Trend zur Standortverlagerung ins Ausland seit etwa vier Jahren gebremst", sagt VDI-Direktor Dr. Willi Fuchs: "Die trügerische Euphorie der 90er Jahre ist einer nüchternen Betrachtung gewichen - denn in den meisten Fällen ist die Rechnung nicht aufgegangen." Nur selten seien unter dem Strich durch die Produktion im Ausland Kostensenkungen zu erzielen, wie Untersuchungen belegten. Der Grund: Viele indirekte und versteckte Kosten würden bei den Plänen nicht berücksichtigt. Fuchs: "Trotzdem gehen Deutschland immer noch Jahr für Jahr rund 74.000 Arbeitsplätze aufgrund von Standortverlagerungen verloren - die Frage ist: Muss das so sein?"
Für die Umsiedelung von Produktion nach China sind laut Studie bei etwa 70 Prozent der deutschen Unternehmen niedrigere Löhne das entscheidende Argument. Nicht sehr weit entfernt folgen jedoch bereits mit 55 beziehungsweise 44 Prozent die offensiv-strategischen Motive "Markterschließung" und "Kundennähe".
Anders dagegen die Schwerpunkte mit Blick auf Osteuropa, insbesondere Tschechien und Polen: Fast alle befragten Unternehmen - rund 96 Prozent - nennen als Verlagerungsgrund "Personalkosten". Mit 34 Prozent spielt der Ausgleich von Kapazitätsengpässen noch eine gewisse Rolle. Kaum mehr von Bedeutung dagegen sind die Kriterien Markterschließung und Kundennähe. Dr. Steffen Kinkel vom Fraunhofer ISI: "Auf den Punkt gebracht stellt man folgendes fest: In China steht bei deutschen Unternehmen das lockende Marktpotential im Fokus, während die Osteuropa-Staaten eher als verlängerte Werkbank betrachtet werden."
Dabei registriert die Studie zwischen den einzelnen Unternehmen erhebliche strukturelle Unterschiede, beispielsweise nach Größe, Branche und technischem Spezialisierungsgrad. Kinkel: "China ist deutlicher Favorit für innovative, forschungsintensive und renditestarke Unternehmen mit einem höheren Qualifikationsniveau, die komplexe Produkte in Mittelserien fertigen. Meist handelt es sich um große Betriebe aus dem Maschinenbau und der Elektroindustrie, die sich zur Produktionsverlagerung nach China entscheiden."
Für die neuen EU-Länder dagegen interessieren sich in erster Linie Unternehmen mit niedrigerer Rendite und einem rigiden Kostenmanagement, die mittelkomplexe Großserien-Produkte im Bereich Fahrzeugbau, Kunststoff- und Elektroindustrie herstellen.
Darüber hinaus fördert die Studie deutliche Unterschiede im internationalen Vergleich zutage. Beispielsweise messen Unternehmen in Deutschland dem Kostenargument tendenziell eine größere Bedeutung bei als in Österreich und der Schweiz. Umgekehrt jedoch sind die Manager in Deutschland bei Produktionsverlagerungen ins Ausland nicht offensiver als ihre Kollegen in Ländern mit ähnlich hohen Arbeitskosten wie die Schweiz, Österreich und den Niederlanden, weshalb Deutschland im internationalen Vergleich bei der Verlagerung ins Ausland einen Platz im Mittelfeld einnimmt.
Fuchs sieht sich durch die Ergebnisse der Studie in der Warnung des VDI vor dem Kostenargument bestätigt: "Wer sich im Ausland Märkte erschließen will und die Nähe zum Kunden braucht, für den kann eine Verlagerung von Produktionskapazitäten eine sinnvolle Option sein. Die Flucht vor mutmaßlich zu hohen Kosten insbesondere nach Osteuropa erweist sich dagegen allzu oft als Milchmädchenrechnung mit fatalen Folgen - nicht nur für die Beschäftigten hier vor Ort, sondern auch für die Umsatz- und Gewinn-Entwicklung der Unternehmen sowie für die deutsche Volkswirtschaft, der Steuereinnahmen in Milliardenhöhe entgehen".
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