SOS-Kinderdörfer weltweit Hermann-Gmeiner-Fonds Deutschland e.V.
Globale Studie deckt auf: Millionen Kinder weltweit könnten elterliche Fürsorge behalten, wenn Familien besser unterstützt würden
München / New York (ots)
Weltweit wachsen geschätzte 220 Millionen Kinder ohne elterliche Fürsorge auf oder sind davon bedroht, sie zu verlieren. Jetzt hat im Auftrag der SOS-Kinderdörfer die erste globale Studie überhaupt die Ursachen untersucht. Das wichtigste Ergebnis: Zahlreiche Trennungen könnten vermieden werden, wenn Familien systematisch unterstützt würden. Eine weitere große Erkenntnis: Es sind weltweit die gleichen Faktoren, die zum Verlust der elterlichen Fürsorge führen, unabhängig vom Wohlstand oder der Sozialstruktur eines Landes.
Die Studie wird am 29. Oktober, am "Internationalen Tag der Betreuung und Unterstützung", in den Räumen der Vereinten Nationen in New York offiziell vorgestellt. Wissenschaftler hatten dafür Hunderte von Kindern in insgesamt acht Ländern - Dänemark, Elfenbeinküste, El Salvador, Indonesien, Kenia, Kirgisistan, Libanon und Uruguay - befragt, zudem sprachen sie mit Eltern und Fachkräften und führten Online-Befragungen mit Experten durch.
Chrissie Gale, Leiterin der Mehrländerstudie, sagt: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass durch eine Kombination von Faktoren viele Kinder unnötig in alternative Betreuung gegeben werden. Ursachen sind unter anderem gesellschaftliche Einflüsse wie Armut und intergenerationelle Gewalt, denen Familien ausgesetzt sind, außerdem die begrenzten Fähigkeiten einiger Eltern, sich angemessen um ihre Kinder zu kümmern und die Mängel in den nationalen Kinderschutzsystemen."
Zusammenhang zwischen Armut und häuslicher Gewalt
Auch häusliche Gewalt sowie gesellschaftlich verankerte Gewaltstrukturen seien gravierende Faktoren. Von den 228 Fachleuten, die an der Online-Umfrage teilnahmen, waren mehr als 40 Prozent der Meinung, dass Kinder häufig aufgrund von häuslicher Gewalt aus ihren Familien genommen würden. Zahlreiche Befragte sahen die häusliche Gewalt außerdem in einem direkten Zusammenhang mit Armut. Diese führe zu verstärktem Stress und dem Zusammenbruch von Beziehungen. In einigen Ländern, wie Kirgisistan und Indonesien, sei Armut der Grund dafür, dass Eltern in entfernten Regionen Arbeit suchen und ihre Kinder zurücklassen.
Weltweit kämen Sozialsysteme ihrem Auftrag nicht nach, dem gegenzusteuern und Familien systematisch zu unterstützen. Chrissie Gale sagt: "Es gibt internationale Richtlinien, nach denen Staaten und Organisationen verpflichtet sind, die Ursachen für Familien-Trennungen zu bekämpfen. Unsere Forschung zeigt, dass diese nicht vollständig eingehalten werden."
Für Lanna Idriss, Vorständin der SOS-Kinderdörfer in Deutschland, besteht dringender Handlungsbedarf. Sie sagt: "Solange wir die Ursachen unnötiger Trennungen nicht angehen, untergraben wir alle Investitionen in den Kinderschutz, die soziale Stabilität und die nachhaltige Entwicklung. Die Stärkung von Familien und die Bereitstellung angemessener Unterstützung ist absolut entscheidend, um Familien zu erhalten."
Betreuungssysteme an den Bedürfnissen von Kindern ausrichten
Die SOS-Kinderdörfer fordern Regierungen und Institutionen weltweit auf, Investitionen in präventive Kinderschutzsysteme - einschließlich Anti-Gewalt- und Elternprogramme - sowie in Sozialsysteme deutlich zu erhöhen. Außerdem müsse für Kinder, die nicht bei ihren Eltern leben können, sichergestellt sein, dass Betreuungssysteme an den Bedürfnissen der Kinder ausgerichtet sind und neuste Standards sowie bewährte Methoden umsetzen.
Aktuelles Beispiel an dem man diese Thematik aufzeigen kann ist der Libanon:
Libanon: Armut, Gewalt und Unsicherheit
Die Studie liefert mit ihren Länderberichten wichtige Erkenntnisse, worunter Kinder in von Armut, Krisen und Kriegen zerrütteten Ländern leiden. So wird in dem Bericht zum Libanon deutlich, dass Sicherheit, Schutz und Wohlergehen von Kindern in der prekären Lage des Staates zunehmend gefährdet sind. Bittere Armut und hohe Arbeitslosigkeit setzt Familien seit Jahren unter extreme Existenzsorgen und hat in weiten Teilen der Bevölkerung zu sozialer Verelendung geführt. Kinder im Libanon mussten in den zurückliegenden Jahren vermehrt arbeiten, um zur Existenzsicherung der Familie beizutragen. Das Leben in Armut sowie die Erfahrungen von häuslicher und in der Gesellschaft erlebter Gewalt stellen für viele Kinder schwere psychische Belastungen dar, unter denen sie leiden. Nach wie vor ist Gewalt als Erziehungsmaßnahme gegen Kinder im Libanon weit verbreitet. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der schwachen staatlichen Strukturen der dringend notwendige Schutz und die Unterstützung von Kindern sowie die Prävention von Gewalt gegen Kindern vollkommen unzureichend sind. Für mehrere Generationen von Kindern im Libanon ist ihre Kindheit von Armut, Gewalt und Unsicherheit geprägt, und sie sind auf dringende Unterstützung angewiesen. Die gegenwärtige militärische Eskalation im Libanon und die Flucht vieler Menschen vor den Kampfhandlungen verschärfen diese Situation in eklatanter Weise.
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Anne Beck
Pressesprecherin
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