Deutsche Automobilindustrie unter Zugzwang: Warum Produktionsprozesse jetzt dringend optimiert werden müssen - und wie das gelingt
Oer-Erkenschwick (ots)
Lange galt sie als unantastbares Zugpferd unserer Wirtschaft - heute steht sie auf kaum mehr als einem bröckelnden Fundament: Die deutsche Automobilindustrie läuft angesichts der erdrückenden Konkurrenz aus dem Ausland langsam aber sicher Gefahr, endgültig von der Marktspitze verdrängt zu werden. Dass der so dringend notwendige Umschwung mithilfe gezielter Prozessoptimierung jedoch durchaus möglich ist, hat Lean-Experte Thomas Schulz bereits bei mehreren Mercedes-Werken unter Beweis gestellt. Worauf aber kommt es dabei an und welche Änderungen müssen deutsche Automobilhersteller jetzt umsetzen?
Steigende Produktionskosten, sinkende Aktienkurse, neu erstarkte Konkurrenz: Die sonst so erfolgsverwöhnte Autoindustrie Deutschlands muss mittlerweile härter denn je um ihren Platz an der Weltspitze kämpfen. Gerade der Wettbewerb aus dem Ausland und der Trend hin zur E-Mobilität stellen sie dabei vor unerwartet große Herausforderungen: Wo US-amerikanische und chinesische Konzerne längst neue Maßstäbe setzen, fehlt es deutschen Unternehmen oft schon an den grundlegendsten Ideen. So machte beispielsweise Teslas Gigafactory in Grünheide erst kürzlich mit einem herausragenden Produktionsprozess und außergewöhnlich kurzen Fertigungszeiten auf sich aufmerksam, während BMW, Mercedes-Benz und Co. mit vergleichsweise schwerfälligen Abläufen und unnötig hohen Ausgaben zu kämpfen haben. "Wenn deutsche Unternehmen diese Konkurrenzsituation nicht in angemessener Weise adressieren, riskieren sie nicht nur finanzielle Einbußen - vielmehr könnten sie ohne zukunftsfähige Lösung bereits in Kürze endgültig den Anschluss verlieren", mahnt Thomas Schulz.
"Glücklicherweise hat es nach wie vor jeder Betrieb selbst in der Hand, das Ruder herumzureißen - dafür braucht es lediglich ein stetiges 'Streben nach Perfektion' und ein zielführendes Konzept: die Lean Production", fügt der Lean-Experte hinzu. So hat Thomas Schulz selbst bereits in mehreren Mercedes-Werken gemeinsam mit den besten Führungskräften an der Etablierung des richtigen Mindsets und der kontinuierlichen Optimierung aller Arbeitsinhalte gearbeitet. Das Resultat: eine weitaus höhere Ausbringung, ein geringerer Personalbedarf und deutlich gesteigerte Gewinne. Für deutsche Autohersteller offenbart sich die Lean Production damit als wirkungsvolles Tool, um einerseits dem oftmals anspruchsvollen Kundenbedarf gerecht zu werden und andererseits die eigene finanzielle Situation nachhaltig zu verbessern. Wie das in der Praxis gelingt, verrät Thomas Schulz im folgenden Artikel.
Mit der richtigen Orientierung zum Erfolg: Der "Nordstern" und der Kennzahlenwürfel als Basis der Lean Production
"Bevor sie mit der eigentlichen Optimierung ihrer Prozesse beginnen, müssen die Betriebe zunächst herausfinden, wie ihr idealer Produktionsprozess überhaupt aussieht", erläutert Thomas Schulz. Bei diesem hypothetischen Idealzustand handelt es sich um den sogenannten Nordstern, der zwar nie erreicht werden kann, jedoch allen Beteiligten die entscheidende Orientierung gibt. Ebenso müssen die Unternehmen zwingend herausfinden, wo sie sich in ihrer Produktion aktuell befinden und wie ihr "Zielzustand 1, Zielzustand 2, Zielzustand 3 etc." aussieht: Nur auf dieser Basis kommen sie dem Nordstern Schritt für Schritt näher.
Als fundamentales Instrument in diesem Prozess fungiert der Kennzahlenwürfel - ein Transparenz-Modell, das alle relevanten Zusammenhänge detailliert beschreibt:
- Mit seinen Anforderungen an Menge, Qualität, Zeitpunkt und Preis markiert der Kunde hierbei stets den Ausgangspunkt.
- In Bezug auf die Produktivität der Betriebe gibt der Kennzahlenwürfel Aufschluss über die Produktionszeit, die Geschwindigkeit des langsamsten Prozesses, die 100-Prozent-Kapazität, die durchschnittliche Ausbringung, die Mitarbeiterzahl und die einzelnen Arbeitsinhalte je Stück.
- So verrät er zum einen die allgemeine Produktivität in Stück pro Mitarbeiterstunde - zum anderen bildet er in Kombination mit der dazugehörigen betriebswirtschaftlichen Auswertung das Umsatz-Kosten-Verhältnis und damit den momentanen Gewinn ab.
Damit auf dieser Grundlage die Ist-Analyse und die Realisierung des ersten Meilensteins gelingen kann, sollten sowohl die Produktionsführungskräfte als auch alle beteiligten Mitarbeiter in den Vorgang einbezogen werden. Ebenso muss dieser Vorgehensweise ausnahmslos ein umfassendes Verständnis darüber zugrunde liegen, wie der perfekte Produktionsprozess tatsächlich auszusehen hat - und wie er erreicht werden kann. Entscheidend sind dabei vor allem folgende Aspekte:
- Der Produktionsprozess muss transparent sein.
- Es muss Klarheit darüber herrschen, wie groß die Arbeitsinhalte sind und wie viel Wertschöpfung sowie Verschwendungen vorhanden sind.
- Führungskräften und Mitarbeitern sollte die größte Verschwendung bewusst sein. Zudem sollten sie daran arbeiten, die Verschwendung zu reduzieren - und sie im besten Fall zu eliminieren.
- Während des gesamten Optimierungsprozesses muss die Umsetzung mithilfe des Kennzahlenradars gemessen werden.
Weitere Aspekte des idealen Produktionsprozesses - was Unternehmen außerdem berücksichtigen sollten
"Der Kennzahlenwürfel bietet den Betrieben somit die nötige Unterstützung, um ihre Ausgangssituation zu analysieren und sie messbar zu machen. Damit aus diesen Erkenntnissen in jedem Schritt auch die gewünschten Verbesserungen resultieren können, sind allerdings noch weitere Aspekte notwendig", betont Thomas Schulz. Es gilt demnach, speziell die beiden folgenden Veränderungen anzustoßen - und die entsprechenden Handlungs- und Denkweisen dauerhaft beizubehalten.
A) Vertrauensbasis und Führung: Zum einen gilt es, das gesamte Team durch einen entsprechenden Paradigmenwandel mit an Bord zu holen und auf die notwendigen Änderungen sowie das gemeinsame "Streben nach Perfektion" einzustimmen. Vor allem Führungskräfte wie lokale Produktionsleiter sollten zum anderen für eine produktive Führungskultur sorgen und dabei sowohl den Ist- als auch den angestrebten Idealzustand im Auge behalten:
- Wo befinden wir uns aktuell?
- Welche Ziele wollen wir erreichen?
- Was ist hierfür notwendig?
B) Den Status quo hinterfragen und sich durchgehend neu erfinden: Bei der Prozessoptimierung im Sinne der Lean Production handelt es sich um einen sich stetig wiederholenden Vorgang, der permanente Analysen und darauf ausgerichtete Maßnahmen erfordert. Wichtig dabei: Das übergeordnete Ziel dahinter ist es zwar, einen Produktionsprozess mit reiner Wertschöpfung zu kreieren - es gibt jedoch immer eine aktuell größte Verschwendung. Aus diesem Grund müssen Führungskräfte und Mitarbeiter in enger Kooperation ununterbrochen daran arbeiten, ihr Verbesserungspotenzial aufzudecken und ihre Wertschöpfung auf Basis ihrer Erkenntnisse kontinuierlich zu erhöhen.
Sie wollen mehr über die Lean Production erfahren und all die Facetten dahinter verstehen? Dann schauen Sie sich dieses Interview von Thomas Schulz an, in dem der Lean-Experte das Konzept anhand eines anschaulichen Beispiels mit den Comic-Helden Asterix und Obelix illustriert!
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