Verband Deutscher Großbäckereien e.V.
Verband Deutscher Großbäckereien e.V.: Jahrespressekonferenz 2002
Düsseldorf (ots)
* Euro führte zu preisbewussterem Broteineinkauf * Großbäckereien in allen Vertriebskanälen * Drastische Kostensteigerungen: 7 Prozent höhere Kosten
Vom Euro-Schock in die Kostenfalle
Die Währungsumstellung zu Beginn dieses Jahres führte zu einer erheblichen Verunsicherung der Verbraucher, was sich in einer deutlichen Kaufzurückhaltung auswirkte. Besonders betroffen waren hiervon Bäckereifilialisten und kleine Handwerksbetriebe, während die großen Lebensmittelketten noch mit einem blauen Augen davon kamen. Deutlich zulegen konnten dagegen die diskontierenden Betriebe wie Aldi, Lidl und Plus, da die Verbraucher äußerst preisbewußt einkauften.
Während das Bäckerhandwerk bis Mitte des Jahres einen realen Umsatzrückgang um 6,5 Prozent verzeichnete, konnten die den Lebensmitteleinzelhandel beliefernden Großbäckereien - allerdings teilweise nur unter Verzicht auf notwendige Preiserhöhungen - den Vorjahresumsatz knapp halten, der sich hoch gerechnet für dieses Jahr auf rund 5,2 Milliarden Euro beläuft. Die Systembäckereien (Filialbetriebe mit mehr als 20 Filialen) dürften auf einen Umsatz von etwa 6 bis 7 Milliarden Euro kommen.
Großbäckereien tummeln sich in allen Vertriebskanälen
Während vor 100 Jahren auf eine Backstube noch ein Verkaufsgeschäft kam, hat sich die Backwelt mittlerweile vollständig geändert: Auf rund 60 Großbäckereien mit etwa 160 Betriebsstätten entfallen mehr als 120.000 Outlets, die von den deutschen Großbäckereien beliefert werden.
Hierzu zählt vor allem der traditionelle Lebensmitteleinzelhandel, der von den "Tante-Emma-Läden" über die Supermärkte und die Discounter bis hin zu den Verbrauchermärkten reicht. Neu erschlossen als Vertriebswege wurden in den letzten Jahren Tank- und Raststätten, Convenience-Shops, aber auch Verkaufsstellen in Kliniken und an Orten, wo eine hohe Kundenfrequenz gegeben ist. Hinzu kommen rund 40.000 Filial-Shops, die ebenfalls von Großbäckereien beliefert werden.
Erhebliche Bedeutung haben auch die Großverbraucher wie Kantinen, Kliniken und die Gastronomie gewonnen: Jeder dritte Euro wird heute für Backwaren im Außer-Haus-Verzehr ausgegeben.
Ohne Großbäckereien, die auch kleine Verkaufsstellen im ländlichen Raum beliefern, gäbe es heute häufig keine Belieferung mit frischen Backwaren mehr, da sich in kleinen Orten selbständige Bäckereien oft nicht mehr rentieren. Denn pro Vollbäckerei rechnet man mit einem notwendigen Einzugsbereich von rund 3.000 Kunden, während Backshops auch schon mit der Hälfte über die Runden kommen.
Drastische Kostensteigerungen
Die katastrophale Weizenernte wird für das gesamte deutsche Backgewerbe weitreichende Folgen haben.
Lothar Mainz, Präsident des Verbandes Deutscher Großbäckereien e.V.: "Deutsche Verbraucher kaufen im Gegensatz zu anderen Ländern täglich die höchste Qualität zu niedrigsten Preisen ein. Wenn wir weiterhin das Ziel haben, nur das Beste backen zu wollen, dann können wir die Augen nicht weiter vor den gestiegenen Kosten verschließen."
Brot und Backwaren in Frankreich doppelt so teuer
Während in Deutschland im Lebensmitteleinzelhandel unter Einschluss der discontierenden Betriebe ein durchschnittlicher Kilopreis für Brot von 1,19 Euro üblich ist, zahlt der Verbraucher in Frankreich beinahe das Doppelte (Durchschnittspreis über alle LEH-Formen in Frankreich: 2,15 Euro (Premium: 4 Euro, mittlere Preislage: 3,12 Euro, Discounter: 2 Euro).
Die hauptsächlichen Kostentreiber
Erste Wirkung zeigen für die Unternehmen schon jetzt die Mineralölpreise. So ist der Preis für das Barrel Rohöl von 21 US $ auf inzwischen 29 US $ gestiegen. Direkte Folgen hat dies für die Aufwendung, die im Bereich der Verpackungen entstehen. Verpackungen und Folien werden zu 85 Prozent aus Erdölderivaten hergestellt. Im Blick auf die internationale Lage geht der Verband davon aus, dass die Herstellungspreise für Verpackungen und Folien weiter ansteigen werden. Schon jetzt sind Großbäckereien in Deutschland gezwungen, zusätzlich mehr als 1,5 Prozent ihres Umsatzes für die Teuerung allein in diesem Bereich aufzuwenden.
Besonders beunruhigend ist der derzeitige Weizen- und Roggenpreis, der wegen des stark verregneten Sommers und der damit verbundenen schlechten Ernten enorm zugelegt hat. Für die nächsten sechs Monate prognostizieren Experten, dass deutsche Großbäcker mit drastischen Steigerungen für diese Getreidesorten rechnen müssen. Erschwert wird die Lage durch die schlechten Witterungseinflüsse in Amerika und Australien, über die deutsche Großbäcker ebenfalls große Mengen an Getreide beziehen. Der Verband rechnet damit, dass sich auch die verteuerte überregionale Beschaffung hoher Mehlqualitäten negativ in den Bilanzen niederschlagen werden.
Zusätzlich ergeben sich Belastungen in Rahmen der Unternehmenslogistik. Deutsche Großbäckereien liefern täglich frische Ware an über 30.000 Supermärkte in Deutschland. Die dafür notwendigen Fahrzeugflotten müssen mit weiter steigenden Spritpreisen rechnen. Die Anfang 2003 anfallende weitere Erhöhung der Ökosteuer und die ab Mitte des nächsten Jahres geltende Mautgebühr für LKW werden Transporte nachweislich verteuern.
Außerdem gilt die Erhöhung der Versicherungsprämien für Fahrzeuge als sicher.
Da die Getränke-Einwegbehältnisse aus der Finanzierung des "Grünen Punktes" fallen, ist auch mit einer Erhöhung der Lizenzgebühren für das Duale System zu rechnen.
Teuerungsraten bei anderen, für die Branche elementaren Energieträger wirken sich außerdem belastend aus. Strom, Gas und Wasser werden im erheblichen Umfang beim Backen verwendet. Die Preise für diese Energiearten sind im letzten und in diesem Jahr erneut deutlich angezogen, ohne sich im Verkaufspreis für Brot- und Backwaren widerzuspiegeln. Vor allem für die Großbäckereien ergeben sich hieraus große Zusatzbelastungen, da sie wegen der Wettbewerbssituation im Handel unter einem enormen Preisdruck stehen.
Die ohnehin schon geringen Margen werden auch durch die inzwischen abgeschlossenen Tarifverträge belastet. Der Verband geht davon aus, dass die durch Lohn- und Gehaltserhöhungen entstehenden zusätzlichen Personalkosten für die Unternehmen bei über 1 Prozent vom Verkaufsumsatz liegen.
In diese Rechnungen sind noch nicht einmal die derzeit diskutierten Steuererhöhungen eingegangen. Sollte es zu diesen Steuererhöhungen kommen, wäre damit eine zusätzliche Schwächung des Konsums verbunden.
Fachleute addieren die gestiegenen Kosten auf rund 7 Prozent des Umsatzes.
Der Verband: "Wenn wir weiterhin die tägliche Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Backwaren sicherstellen wollen, müssen wir hierfür auch faire, kostendeckende Preise erzielen. Jedes Unternehmen muss jeweils für sich seine Kostenstruktur auf den Prüfstand stellen und hieraus die notwendigen Schlüsse ziehen."
Sortimentsentwicklung
Die Sortimente der Großbäckereien werden immer umfangreicher, obgleich das Standardsortiment nach wie vor der entscheidende Umsatzträger ist. Zum Standardsortiment zählen Mischbrote aller Art, Roggenbrote, Weizenbrote, Vollkornbrote, Körner- und Toastbrote. Nach wie vor können auch die Knäckebrote in Deutschland auf eine treue Stammkundschaft rechnen.
Immer mehr Verbraucher bevorzugen helle Brotsorten ("romanische Welle"). Hierzu zählen Toastbrote, Baguettes und Ciabattabrote, die sich zu einem ausgesprochenen Renner entwickelt haben.
Brot und Brötchen rangieren hoch in der Verbrauchergunst
Nach Untersuchungen der GfK bezeichnen sich 95 Prozent aller Deutschen als Brotliebhaber, die Brot sehr gern oder gern essen.
Dabei greifen sie immer häufiger auch zu Erzeugnissen, die nicht dem traditionellen Brotsortiment entsprechen. Ciabattas, Baguettes, Toastbrote aller Art rangieren in der Verbraucherbeliebtheitsskale ganz oben.
Filialbäckereien haben auch sonntags geöffnet
Durchgesetzt hat sich mittlerweile auch die Sonntagsöffnung von Back-Shops, an der sich vor allem die größeren Filialketten beteiligen.
Markteintritt von Bäckerei-Discountern
Bäckerei-Discounter sind in Deutschland noch eine verhältnismäßig junge Erscheinung. Darunter versteht man nicht produzierende Brot- und Backwarenhändler, die niedrigpreisige Backwaren in den Backshops aufbacken und in Selbstbedienung an Verbraucher abgeben. Mittlerweile dürfte es rund 180 Shops dieser Art geben, die meist in hochfrequentierten 1a-Lagen in den Innenstädten zu finden sind. Aufgrund ihrer geringen Personalkosten stellen diskontierende Backshops das traditionelle Kostengefüge von Bäckereifilialisten auf den Prüfstand.
Aufbau von Rückverfolgungssystemen
Bis Anfang 2005 müssen europaweit über die gesamte Lebensmittelkette vom Acker bis zum Endverbraucher sogenannte Rückverfolgungssysteme aufgebaut werden, die eine genaue Chargenidentifizierung erlauben. Dadurch wird es möglich werden, über die gesamte Lebensmittelkette genau zu verfolgen, welches Getreide von welchem Acker in welche Backware verarbeitet worden ist. Die Rückverfolgungssysteme beziehen sich indes nicht nur auf Getreide, sondern auf alle verwendeten Zutaten.
Die Kosten für diese Rückverfolgungssysteme werden auf bis zu 3 Prozent vom Umsatz geschätzt.
Die Großbäckereien betrachten diese Rückverfolgungssysteme als einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes.
Künftige Entwicklung
- Es wird weiter zu Konzentrationen im Handel und im Backgewerbe kommen. Dadurch wird jedoch der Wettbewerb nicht eingeschränkt, weil die verbleibenden Betriebe leistungsfähiger werden und untereinander in einem scharfem Wettbewerb liegen.
- Auch in Zukunft wird das Backgewerbe keine gentechnisch veränderten Zutaten verarbeiten. Die deutschen Bäcker haben in der Vergangenheit bewiesen, dass man Qualitätsbackwaren auch ohne die Hilfe der modernen Gentechnik herstellen kann.
- Aufgrund der dramatisch angespannten Kostensituation rechnen Fachleute für die Zukunft auch mit Preiserhöhungen für Backwaren.
Glossar
- Liefer-Bäckereien sind Großbäckereien, die den Lebensmitteleinzelhandel mit umfangreichen Brot- und Backwarensortimenten beliefern, also nicht über eigene Shops Backwaren vertreiben.
- System-Bäckereien sind filialisierende Großbäckereien, die ein breites Sortiment an Backwaren über eine größere Anzahl eigener Shops (ab 20 aufwärts, auch im Vorkassenbereich von Supermärkten und Verbrauchermärkten) vertreiben und eine Größe besitzen, die ein professionelles Filialmanagement erfordern.
- Einzelbäckereien sind Bäckereien, die nur über ein Ladengeschäft oder eine geringe Anzahl von zusätzlichen Verkaufsstellen verfügen.
Pressekontakt:
Verband Deutscher Großbäckereien e.V.
In den Diken 33
40472 Düsseldorf
Tel.: 0211-653086
Fax: 0211-653088
Weitere Informationen zu dieser Pressemitteilung erhalten Sie im
Deutschen Verbände Forum unter: http://www.verbaende.com.
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