Schütteltrauma bei Säuglingen verhindern
Erster Preisträger des Kroschke Forschungspreises in Köln von Deutscher Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin ausgezeichnet
Köln (ots)
Der mit 7.500 Euro dotierte "Kroschke Forschungspreis für Kinderschutz in der Medizin" der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM) wurde am 13. Mai 2023 verliehen, an den Kinderarzt und Kinderschutzmediziner Dr. med. Oliver Berthold aus Berlin. Gewürdigt wurde er für seine Dissertation "Wahrnehmung und Prävention des misshandlungsbedingten Kopftraumas". Der hohe Praxisbezug der Arbeit, die es erlaubt zielgruppengerechte Primärpräventionsprogramme zur Vermeidung von misshandlungsbedingten Kopftraumata zu entwickeln und so die Schutzwirkung der Präventionsprogramme zu verbessern, überzeugte die Fachjury. Der Preis wurde erstmals vergeben und von der Kroschke Kinderstiftung für die Jahre 2023 bis 2025 gestiftet.
Essenz der Forschungsarbeit ist die Entwicklung eines modellhaften, maßgeschneiderten Primärpräventionsprogramms für exakt definierter Zielgruppen zur Vermeidung misshandlungsbedingter Kopfverletzungen, insbesondere des Schütteltraumas bei Säuglingen. Basis war eine systematische Literaturrecherche zur Effektivität bestehender Primärpräventionsprogramme hinsichtlich der Senkung der Inzidenz. In einer eigenen Studie untersuchte Berthold anhand einer für die deutsche Bevölkerung repräsentativen Stichprobe die Parameter erfolgreicher Programme. Das Wissen um das Schütteltrauma, die Kernaussagen der Primärprävention und die Haltung zu hilfreichen und schädlichen Methoden der Säuglingspflege wurden von Berthold untersucht. Ziel der Arbeit war die Identifikation spezifischer Risikogruppen, die von maßgeschneiderten Präventionsprogrammen profitieren können. Auf der Basis der erhobenen Daten entwickelte Berthold ein Modellprogramm, das das von ihm gewonnene Wissen über die Zielgruppen berücksichtigt und somit einen Beitrag zur Prävention des Schütteltraumas leisten kann.
"Es gibt schon eine Reihe unterschiedliche Ansätze. Aber wir wollten Wege finden, wie wir vor allem die Zielgruppe der jungen Männer erreichen und für das Thema sensibilisieren können. Denn in rund 60 Prozent der Fälle wird das Schütteltrauma bei Säuglingen von Männern verursacht. Wir erreichen sie mit unserer Aufklärung auf der Wöchnerinnen-Station sehr viel seltener als die Mütter", erklärt der erfahrene Mediziner. Weiterer Risikofaktor: ein junges Alter. "Deswegen schlagen wir zwei sich ergänzende Maßnahmen vor: zum einen die gezielte Ansprache jüngerer Männer in den Abschlussklassen der Schulen; zum anderen die Kooperation mit erfolgreichen Influencern, um die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie sind: in den sozialen Netzwerken."
Der hohe Praxisbezug der Arbeit und die fachliche Relevanz gaben den Ausschlag für die Auswahl durch die Jury. Dr. med. Bernd Herrmann, 1. Vorsitzender der DGKiM und Leiter der Kinderschutzambulanz im Klinikum Kassel, würdigt die Qualität der ausgezeichneten Dissertation: "Mit dem diesjährigen Preisträger, Dr. Oliver Berthold honorieren wir insbesondere einen innovativen und präventiven Ansatz, der in Zukunft helfen könnte, schwere Misshandlungen des Gehirns zu verhüten. Wir sind sehr dankbar, dass uns die Kroschke Stiftung ermöglicht, einen attraktiven Forschungspreis auszuloben. Besonders erfreulich ist die hohe Zahl und Qualität der eingereichten Arbeiten."
Gebildet wird die Jury für den Kroschke Forschungspreis für Kinderschutz in der Medizin von Dr. Bernd Herrmann, Kinder- und Jugendärztin Dr. med. Tanja Brüning, 2. Vorsitzende der DGKiM mit Leitung des DGKiM-Arbeitskreises Kooperative Studien und Ärztliche Leitung der Kinderschutzambulanz an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln, Dr. med. Nadine Wilke-Schalhorst, Rechtsmedizinerin am Institut für Rechtsmedizin in Lübeck, Beirätin der DGKiM und Mitglied des Arbeitskreises Klinische Rechtsmedizin in der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM), Dr. med Thorsten Wygold, Ärztlicher Leiter der Kinder- und Jugendklinik in Heide/Holstein und Beirat der Kroschke Kinderstiftung und Nadine Weber-Kroschke, Vorständin der Kroschke Kinderstiftung.
"Seit fast 20 Jahren ist Kinderschutz zentrales Anliegen unserer Stiftungsarbeit. Dabei liegen uns vor allem die Prävention und die frühen Hilfen am Herzen, um den Kindern einen bestmöglichen Start ins Leben zu geben. Mit dem Forschungspreis wollen wir diesem komplexen Thema zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen.", erklärt Nadine Weber-Kroschke das Engagement der Kinderstiftung. "Gleichzeitig wollen wir die wissenschaftliche Basis stärken, um Kinder besser zu schützen."
Ärztinnen und Ärzte aller medizinischen Fachdisziplinen und andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen können in vielfältiger Form mit Gewalt an und Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen konfrontiert sein. Das betrifft sowohl unterschiedliche medizinische Berufsgruppen, unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte (Klinik, Praxis, Institute, Öffentlicher Gesundheitsdienst), verschiedene Aspekte des Kinderschutzes (Diagnostik, Intervention, Prävention, Frühe Hilfen), wissenschaftliche Forschung, Lehre und Weiterbildung, Fachgesellschaften und Organisationen als auch die Schnittstelle zum nichtmedizinischen, multiprofessionellen Kinderschutz. Für all diese Bereiche hat sich mittlerweile der Oberbegriff medizinischer Kinderschutz oder Kinderschutz in der Medizin etabliert. Dieser ist somit nicht einer einzelnen Berufsgruppe zuzuordnen und hat sich in der letzten Dekade als neues, komplexes, herausforderndes und über die Pädiatrie interdisziplinär hinausgehendes Fachgebiet etabliert. Strukturelle Veränderungen in Lehre, Weiterbildung, Forschung und auch im Versorgungsauftrag für das Gesundheitswesen sollen dazu beitragen, die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern (Schwier, Manjgo, Kieslich. Neue Entwicklungen im medizinischen Kinderschutz. Monatsschr. Kinderheilkd. 2019).
Die Deutsche Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin hat den Schutz von Kindern und Jugendlichen als grundlegendes Ziel. Die Entstehung von Gefährdungen von Kindern ist ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Vermeidung und Aufdeckung von Kindeswohlgefährdungen bedürfen einer Versorgung durch multiprofessionelle Teams und systemübergreifende Zusammenarbeit. Die Versorgung der Kinder und Jugendlichen auf einer evidenzbasierten Grundlage in Fragen des Kinderschutzes im Gesundheitswesen voranzubringen, ist das Hauptziel des Forschungspreises.
Die Kroschke Kinderstiftung engagiert sich seit 30 Jahren für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Seit 2006 werden in erheblichem Umfang Mittel für den präventiven Kinderschutz bereitgestellt. Durch die Kooperation mit der DGKiM will die Kroschke Kinderstiftung dazu beitragen, die wissenschaftliche Basis der Kinderschutz-Arbeit zu stärken.
Pressekontakt:
Pressekontakt DGKiM e.V.: Frauke Schwier, Geschäftsführerin
E-Mail: geschaeftsstelle@dgkim.de, Tel: 0221-986 53239
Pressekontakt Kroschke Kinderstiftung: Anja Wenk, Geschäftsführerin
E-Mail: wenk@kinderstiftung.de, Tel.: 04102-804 101
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