Die Gläubigen aufwecken
Ein Gespräch mit dem Delegaten der Bischofskonferenzen der EU für Neuevangelisierung, Erzbischof Zbignevs Stankevics von Riga, über die zeitgemäße Verkündigung des Glaubens
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Würzburg/Riga (ots)
Exzellenz, Sie haben im Juni an der Konferenz " Catholic Parish Summit" in Nordengland teilgenommen. Welche Impulse für die Neuevangelisierung bekommen Sie aus dem angelsächsischen Raum?
Kürzlich hatte ich am Flughafen in Amsterdam fünf Stunden Wartezeit und las das Buch "Beyond the parish" von Pfarrer James Mallon. Er ist der Gründer der Initiative " Divine Renovation" zur Erneuerung der katholischen Pfarrgemeinden. Es behandelt denselben Gegenstand wie die Konferenz in Harrogate: Wie können wir unsere Gemeinden so verwandeln, dass sie sich nicht mehr an der Besitzstandswahrung ausrichten, sondern an der Mission? Darin liegt die zentrale Herausforderung für die katholische Kirche im Westen. Ich habe bei "Divine Renovation" Menschen kennengelernt, die für die Erneuerung der Kirche brennen, und das ermutigt mich. Unsere wichtigste Aufgabe besteht darin, die Gläubigen aufzuwecken und in ihnen das Bewusstsein ihrer Taufgnade und des Wirkens des Heiligen Geistes in ihnen zu stärken. Wer sich klar macht, dass er im Heiligen Geist getauft worden ist, möchte den Glauben an andere weitergeben. So kann die Welt verändert werden. Ich fühle mich in den charismatischen Bewegungen wie "Divine Renovation" zuhause.
Wann haben Sie das entdeckt?
Ich habe mit 35 Jahren angefangen, Theologie zu studieren. Damals besuchte ich alle Evangelisierungskurse und Missionsseminare, die ich finden konnte. Von diesen Treffen geht ein romantischer Zauber für Neugetaufte aus; die Begeisterung für das Evangelium und die Verkündigung waren spürbar. Als ich dann zum Priester geweiht worden und wieder in meiner Heimat Lettland war, begleitete ich sechs Jahre lang die erste charismatische Gruppe Lettlands. Wir sind eines Geistes Kind. Dann studierte ich sechs Jahre in Rom. Als ich nach meiner Rückkehr Bischof wurde, brach eine Lawine verschiedener Probleme und Herausforderungen über mich herein. Da reichte meine Zeit oft nicht einmal mehr für das Wichtigste: die Verkündigung der Frohen Botschaft, Sakramentenspendung und Schulung der Gläubigen für die Evangelisierung. Nach vierzehn Jahren sieht es so aus, dass sich die Situation mehr oder weniger stabilisiert hat. Ich bin wieder freier und will mich verstärkt um die Evangelisierung kümmern. Deswegen möchte ich "Divine Renovation" in meiner Diözese einführen.
Auf welche Adressen setzen Sie bei der Evangelisierung Ihrer Diözese konkret?
Ein Jahr nach meiner Bischofsweihe habe ich ein Rehazentrum für Suchtkranke eröffnet. Durch meine Kontakte zu den Missionarinnen der Nächstenliebe ist mir klargeworden, wie notwendig eine solche Einrichtung ist, um für die Patienten eine Pufferzone von ein bis zwei Jahren einzurichten. Dort können sie nach der Entziehungskur leben, ohne wieder rückfällig zu werden, und sich den Weg ins normale Leben bahnen. Als das Zentrum eröffnet wurde, hatten wir kein Geld. Heute hat es ein
eigenes Gebäude und ist vom Staat anerkannt. Die Stadtverwaltung von Riga vergibt pro Jahr 12 Plätze. Außerdem haben wir seit zehn Jahren Radio Maria und seit acht Jahren ein Priesterseminar "Redemptoris mater" des Neokatechumenalen Wegs. Wir haben auch zwei neokatechumenale Missionen "Missio ad Gentes" mit jeweils 4 oder 5 meist großen Familien mit einigen Begleitpersonen und einem Priester. Nun versuche ich, EWTN nach Lettland zu holen. Das wird eine große Herausforderung, denn sie brauchen ein Team und Startkapital, aber wenn das Gottes Wille ist, wird er sich um alles kümmern.
Manche prophezeien den Tod der klassischen Pfarrei. Was stärkt Sie in Ihrer Überzeugung, dass die Pfarrei auch in Zukunft relevant bleibt für die Evangelisierung?
Nach wie vor stellen die Pfarreien das weltweit größte Netzwerk dar. Und dort werden die Sakramente gespendet. In der Pfarrei ist Jesus in der Eucharistie gegenwärtig. Es ist wirklich schade, dass in vielen Gemeinden das Bewusstsein dafür verschüttet worden ist, dass Gott der Mittelpunkt der Gemeinde ist. Das müssen wir beleben und die Routine überwinden.
Fast allen Gemeinden in Europa macht inzwischen der Gläubigenschwund zu schaffen: Es gibt weniger Priester und weniger Kirchgänger. Was empfehlen Sie Ihren Priestern? Wie sollen sie auf den Mangel reagieren?
Sie sollen sanft mit den Menschen umgehen und sie nehmen, wie sie sind. Wichtig ist, dass die Predigten wirklich das Evangelium verkünden. In der Verkündigung wird Gottes Kraft spürbar. Die Verkündigung kann die Herzen wandeln und den Menschen Kraft geben, sittlich gut zu leben. Moralisierende Predigten funktionieren nicht. Die Predigt soll die Menschen daran erinnern, dass Gott lebt, gegenwärtig ist und heute handelt und das Leben verwandelt. Der Prediger kann auch seine Glaubenserfahrung mitteilen. Das ist unter Priestern und Bischöfen allerdings nicht beliebt! (er schmunzelt)
Möchten Sie eine Glaubenserfahrung teilen?
Die Antwort Gottes auf meine Berufung zum Priestertum erhielt ich durch meinen langjährigen geistlichen Vater. Bevor ich zusagte, den Dienst als Erzbischof zu übernehmen, hatte ich ein fünfminütiges Gespräch mit dem Herrn, der im Tabernakel in der Kapelle der Nuntiatur anwesend war. Auch die Ordensniederlassungen in meiner Diözese sehe ich als Werk des Heiligen Geistes. Ich hätte die Herzen der Oberen nicht bewegen können, ihre Leute auszusenden.
Zu Beginn meiner Dienstzeit als Bischof habe ich versucht, Probleme allein anzupacken. Vor allem, wenn ich es mit ungehorsamen Priestern zu tun hatte. Das war ausgesprochen hart und hat mir üble Nachrede eingebracht. Dann habe ich einen Priesterrat gegründet und alle schwierigen Fragen - disziplinarische und strategische - den 12 Ratsmitgliedern vorgelegt. Das ist für mich eine große Hilfe und ich spüre dort das Wirken des Heiligen Geistes. Die Last der Verantwortung wird geteilt. Anfangs sagte man mir: "Das ist doch Ihre Sache." Ich versuche, die Diözesanpriester an Entscheidungen über diözesane Angelegenheiten zu beteiligen. Ich habe die Hilfe Gottes auch erfahren, als die Existenz der katholischen Schule in Riga auf der Kippe stand. Mein Vorgänger dachte schon, die Schule müsse geschlossen werden. Doch die notwendigen Gelder kamen binnen drei Wochen herein.
Das Gespräch führte Regina Einig
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