All Stories
Follow
Subscribe to Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Hochschul-Bildungs-Report: Großer Mangel an Datenspezialisten und Informatiklehrern

Berlin/Düsseldorf (ots)

Studie von Stifterverband und McKinsey: In Deutschland fehlen 95.000 Datenspezialisten sowie 24.000 Lehrer für ein Pflichtfach Informatik - Soziale Selektion an Schulen setzt sich an Hochschulen fort - Alarmierende Entwicklung bei Lehrerausbildung - Flüchtlinge werden bis 2020 rund 40.000 Studienplätze benötigen

Das deutsche Hochschulsystem ist in den vergangenen fünf Jahren internationaler, durchlässiger und heterogener geworden. Aber: Der Wandel hin zu einem digitalen, flexiblen und optimal berufsvorbereitenden System ist noch nicht geschafft. Das ist die Zwischenbilanz des Hochschul-Bildungs-Reports, den der Stifterverband und die Unternehmensberatung McKinsey gemeinsam seit fünf Jahren herausgeben.

Die aktuelle Ausgabe des Reports mit dem Schwerpunkt "Chancengerechte Bildung" wurde am Montag vom Stifterverband und McKinsey & Company veröffentlicht. "Unser Hochschulbildungssystem bewegt sich grundsätzlich in die richtige Richtung, aber nicht schnell genug", erläutert Volker Meyer-Guckel, der stellvertretende Generalsekretär des Stifterverbandes die Entwicklung. Alarmierend sei die Zwischenbilanz insbesondere für das Handlungsfeld Lehrer-Bildung: Es gibt immer weniger MINT-Studienanfänger im Lehramt und männliche Grundschullehramtsanfänger, Berufs- und Praxisbezogenheit der Lehrveranstaltungen werden extrem schlecht beurteilt.

Der Report quantifiziert auch erstmals, wie sich soziale Selektion an den Hochschulen fortsetzt. Die Chancengerechtigkeit des deutschen Hochschulsystems habe sich in den vergangenen Jahren nur langsam verbessert. "Eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben nur etwa halb so viele Nichtakademiker- wie Akademikerkinder", stellt Meyer-Guckel fest. Danach höre die soziale Selektion aber nicht auf: Nur acht von 100 Nichtakademikerkindern erwerben den Master gegenüber 45 Kindern aus Akademikerhaushalten. Und: Während jedes zehnte studierte Akademikerkind dann noch promoviert, ist dies nur bei jedem 100. Arbeiterkind an den Universitäten der Fall. Um diesem Trend entgegenzuwirken, ist nach Ansicht von Stifterverband und McKinsey unter anderem ein stärker an der Diversität der Studierenden und unterschiedlichen Studienformen orientiertes BAföG sinnvoll.

In deutschen Unternehmen fehlen 95.000 Datenspezialisten

Eine Arbeitsmarktanalyse im Rahmen des Hochschul-Bildungs-Reports zeigt zudem: In Deutschland fehlen bis zu 95.000 Datenspezialisten. "Die Anzahl der Studienanfänger in den MINT-Fächern ist außer in den Lehramtsstudiengängen zwar gestiegen, es mangelt aber weiter an Informatik-Studierenden und MINT-Studentinnen", stellt McKinsey-Seniorpartner Jürgen Schröder fest. Diese Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen. "Für die Unternehmen ist dieser Mangel an Fachkräften ein deutlicher Wettbewerbsnachteil", warnt Schröder. Stifterverband und McKinsey empfehlen daher, die Einrichtung von Data-Science-Education-Programmen für Bachelorstudiengänge an Hochschulen, die grundlegende Datenanalysefähigkeiten für alle Fächer vermitteln, für alle Studierende einzuführen. Darüber hinaus sollte es mehr gezielte Kooperationen von Hochschulen und Unternehmen bei der Vermittlung von Datenanalysekompetenzen geben, beispielsweise durch Hackathons.

Auch auf die Schulen wirkt sich der Mangel an Informatikstudierenden aus. Derzeit beträgt der Anteil der Lehramtsstudierenden, die Informatik als erstes, zweites oder drittes Studienfach wählen, nur 1,6 Prozent. Schröder: "Für die Einführung eines Wahlfaches Informatik und Programmieren in Sekundarstufe I und II wären 4.000 zusätzliche Informatiklehrer nötig. Für die Einführung eines Pflichtfaches Informatik von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II nach britischem Modell wären es sogar rund 24.000." Abhilfe könnte hier ein Bund-Länder-Pakt zur Informatiklehrerausbildung bringen: Hochschulen, die bereits heute Lehramtsstudiengänge in Informatik anbieten, sollten eine einmalige Kapazitätserhöhung erhalten, um mehr Lehrer ausbilden zu können. Die Länder sollten sich im Gegenzug verpflichten, den Informatikunterricht auszuweiten und mehr Informatiklehrer einzustellen, um eine Kopplung zwischen Lehrerausbildung und -einstellung zu erreichen. Parallel müsse die IT-Infrastruktur an Schulen durch einen Digitalpakt deutlich ausgebaut werden (Breitbandausbau, Computerausstattung).

Bildungspotenzial der Flüchtlinge nutzen

Im Jahr 2020 werden in deutschen Hochschulen bis zu 40.000 Flüchtlinge eingeschrieben sein. Diese Zahl haben Stifterverband und McKinsey erstmals für den Report berechnet. Es könnten aber auch doppelt so viele Flüchtlinge sein, wenn Faktoren wie fehlende Sprachkenntnisse, gesundheitliche Probleme und finanzielle Hürden beseitigt würden. "Die Motivation vieler Flüchtlinge in den ersten Monaten nach ihrer Ankunft in Deutschland ist besonders hoch", stellt McKinsey-Partnerin Solveigh Hieronimus fest. Dieses Potenzial sollte besser genutzt und die Prozessdauer von der Einreise bis zur Aufnahme eines Studiums durch Ausbau und Förderung von studienvorbereitenden Sprach- und fachlichen Kursen an Hochschulen verkürzt werden. Die richtige Zuordnung von Flüchtlingen im Bildungssystem sollte durch eine Erfassung von Kompetenzen, gekoppelt an eine frühzeitige Bildungsberatung, sichergestellt werden.

Hintergrund und Methodik

Der Hochschul-Bildungs-Report erscheint seit 2013 jährlich. Er liefert messbare Ziele für das Jahr 2020, die im Dialog mit Experten aus den Stifterverbands-Mitgliedsunternehmen, Wissenschaftsorganisationen und Vertretern der Zivilgesellschaft formuliert wurden. Er gibt Empfehlungen, wie diese Ziele zu erreichen sind. Dazu wird jedes Jahr der Status quo des Hochschulsystems in sechs Handlungsfeldern - Chancengerechte Bildung, Internationalität, Beruflich-akademische Bildung, Quartäre Bildung, MINT Bildung, Lehrer-Bildung - anhand von 71 Indikatoren analysiert.

Den Hochschul-Bildungs-Report zum Download und das gesamte zu Grunde liegende Datenmaterial finden Sie im Internet unter www.hochschulbildungsreport2020.de

Pressekontakt:

Stifterverband
Peggy Groß
T 030 322982-530
peggy.gross@stifterverband.de

McKinsey & Company
Kirsten Best
T 0211 136-4688,
Kirsten_Best@mckinsey.com

Original content of: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, transmitted by news aktuell

More stories: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
More stories: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
  • 16.11.2017 – 09:31

    Erstmals Genius Loci-Preis für Lehrexzellenz vergeben

    Essen (ots) - Die RWTH Aachen und die Technische Hochschule Köln erhalten den Genius Loci-Preis für Lehrexzellenz, den der Stifterverband in diesem Jahr erstmals ausgelobt hat. Die Universität und die Fachhochschule bekommen den Preis, weil sie über eine umfassende institutionelle Lehrstrategie verfügen und diese bei der Gestaltung der Curricula oder der Qualifizierung der Lehrenden beispielhaft umsetzen. Die beiden ...

  • 26.10.2017 – 09:30

    Hochschulperle des Monats für Ideenwettbewerb Rheinland-Pfalz

    Essen/Berlin (ots) - Im Oktober 2017 zeichnet der Stifterverband eine Initiative der Hochschule Koblenz aus, die Ideen für innovative Produkte, Dienstleistungen und Verfahren ans Tageslicht fördert. Dabei spielt die Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft eine entscheidende Rolle. Seit fast sechs Jahren organisieren wechselnde Teams aus Studierenden der Hochschule Koblenz den Ideenwettbewerb ...

  • 25.10.2017 – 09:32

    Hochschul-Barometer: Hochschulen mit Potential in der akademischen Weiterbildung

    Berlin (ots) - Die Stimmung an den Hochschulen in Deutschland entwickelt sich unterschiedlich. Verbessert hat sie sich vor allem an Eliteuniversitäten. Kleinere Universitäten und private Fachhochschulen klagen dagegen zunehmend über schlechter werdende Bedingungen. Viele Hochschulen leisten einen wichtigen Beitrag beim Thema Weiterbildung, könnten das große ...