Bain-Studie zur Lage der Kreditwirtschaft
Gesamtprofitabilität deutscher Banken mittelfristig in Gefahr
München (ots)
Eigenkapitalrendite nach Steuern halbiert sich 2018 auf 1 Prozent
- Cost-Income-Ratio steigt infolge rückläufiger Erträge und stagnierender Kosten - Automobil- und Privatbanken liegen im Rendite-Ranking vorn - Nur mit nachhaltiger Sanierung und länderübergreifender Konsolidierung können deutsche Banken die Renditelücke schließen
Die sechste Bain-Studie zur Lage der Banken in Deutschland legt deren strukturelle Schwächen offen. In einem unverändert stark fragmentierten Markt stehen die Erträge unter Druck und die Kosten bleiben allen Sparprogrammen zum Trotz auf hohem Niveau. Im Ergebnis deckt der Gewinn selbst die deutlich rückläufigen Eigenkapitalkosten nicht. Die Eigenkapitalrendite nach Steuern hat sich 2018 halbiert und ist mit 1 Prozent nahe der Nulllinie. In der Studie "Deutschlands Banken 2019: Erst sanieren, dann konsolidieren" analysiert die internationale Unternehmensberatung Bain & Company die aktuelle Situation der einzelnen Institutsgruppen, macht die Renditelücke sichtbar, die zwischen der deutschen Bankenbranche und dem globalen Wettbewerb klafft, und zeigt auf, wie sie geschlossen werden kann.
"Deutschlands Banken drohen den Anschluss an die internationale Konkurrenz zu verlieren", stellt Walter Sinn, Bain-Deutschlandchef und Autor der Studie, fest. Entgegen dem globalen Trend stieg die Cost-Income-Ratio der hiesigen Kreditinstitute seit Anfang dieser Dekade um 10 Prozentpunkte und nähert sich mit 73 Prozent wieder dem Niveau des Finanzkrisenjahrs 2008. Auf der Ertragsseite entwickeln sich insbesondere die Provisionsüberschüsse nicht wie erhofft. Sie stagnieren seit Jahren bei jährlich rund 30 Milliarden Euro. Die Zinsüberschüsse leiden weiter unter der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Zugespitzt hat sich die Situation zuletzt durch ein rückläufiges Handelsergebnis.
Weiterer Personal- und Filialabbau unvermeidlich
Auf der Kostenseite konterkarieren steigende Aufwendungen vor allem für die Digitalisierung und die verschärfte Regulierung sämtliche Sparanstrengungen. Und diese sind durchaus beachtlich. Seit 2008 baute die Branche rund 100.000 Beschäftigte und 10.600 Filialen ab - allein im vergangenen Jahr schlossen rund 2.100 Filialen ihre Pforten. Angesichts der unzureichenden Rentabilität erwartet Branchenkenner Sinn einen anhaltenden Rückgang: "Die Banken haben keine andere Wahl, als ihr Filialnetz noch mehr auszudünnen und die Zahl ihrer Beschäftigten weiter zu reduzieren."
Allerdings waren nicht alle Institutsgruppen gleichermaßen mit strukturellen Herausforderungen konfrontiert. Die Automobil- und Privatbanken erzielten 2018 mit 8,5 Prozent beziehungsweise 6 Prozent überdurchschnittliche Renditen. Auch Kreditgenossenschaften und Sparkassen, die beiden größten Institutsgruppen, erzielten ohne Berücksichtigung der Risikovorsorge gemäß §340g HGB ansehnliche Eigenkapitalrenditen in Höhe von 5,1 Prozent beziehungsweise 4,4 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr mussten diese Institutsgruppen allerdings ebenfalls einen Rückgang hinnehmen.
Deutliche Renditelücke
Der Trend rückläufiger Renditen könnte sich verstetigen. Die Szenariorechnung von Bain kommt zu dem Ergebnis, dass sich mittelfristig selbst in einem nur leicht eingetrübten Umfeld die Eigenkapitalrendite auf 0,5 Prozent noch einmal halbieren könnte. In einem Negativszenario gerät die Gesamtprofitabilität der deutschen Kreditwirtschaft in Gefahr. Es droht eine negative Rendite von minus 1 Prozent. Im Vergleich zum europäischen Wettbewerb entspricht dies einer Ergebnislücke von 8 Prozentpunkten beziehungsweise 40 Milliarden Euro. Allein um die Eigenkapitelkosten zu decken, müssten die deutschen Banken ihr Ergebnis um bis zu 23 Milliarden Euro steigern (Abbildung).
"Um die Renditelücke zu schließen, müssen Deutschlands Banken nun wirklich alle Hebel in Bewegung setzen", betont Sebastian Thoben, Bain-Partner und Co-Autor der Studie. Selbst durch eine konsequente organische Transformation mit aggressiven Kostensenkungsmaßnahmen ließe sich die Eigenkapitalrendite in den nächsten Jahren lediglich um 4 Prozentpunkte steigern. "Eine europäische Bankenkonsolidierung ist unausweichlich", prognostiziert Thoben. So könnten die deutschen Institute ihre Eigenkapitalrendite um weitere 4 Prozentpunkte steigern und die Ergebnislücke schließen. Das bedingt jedoch eine politische wie regulatorische Harmonisierung auf EU-Ebene. "Grenzüberschreitende Fusionen erfordern Fortschritte bei der europäischen Bankenunion", betont Thoben vor diesem Hintergrund.
Nationale Sanierung unabdingbare Voraussetzung
Vor einer europäischen Bankenkonsolidierung steht jedoch die Sanierung auf nationaler Ebene. Nur mit effizienten und skalierbaren Geschäfts- sowie Betriebsmodellen können die Institute in internationalen Zusammenschlüssen die erhofften Kostensynergien realisieren. Bei den entsprechenden Transformationen haben jedoch gerade die deutschen Häuser erheblichen Nachholbedarf. Daher sollten sie den Fokus auf vier Handlungsfelder legen, die es ihnen ermöglichen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen:
1. Komplexitätsreduktion: Einfachheit ist der Schlüssel für eine nachhaltige Sanierung. 2. Digitalisierung: Das Kerngeschäft verbessern und neue Geschäftsmodelle schaffen. 3. Kundenorientierung 2.0: Den Kundenfokus leben und in der Organisation verankern. 4. Nachhaltigkeit: Die Kunden von morgen binden und begeistern.
"Alle vier Handlungsfelder haben das Ziel, die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle zu gewährleisten und die Profitabilität der deutschen Banken zu steigern", erklärt Bain-Deutschlandchef Sinn. Auf dieser Basis könnten sie aus einer Position der Stärke heraus in Gespräche über europäische Zusammenschlüsse gehen. Für Sinn ist die Handlungsmaxime der kommenden Jahre: "Die deutschen Banken müssen erst sanieren, dann konsolidieren!"
Über die Studie
Zum sechsten Mal wertet Bain & Company die Bilanz- und GuV-Strukturen der deutschen Kreditinstitute aus, deren Zahl sich 2018 auf rund 1.580 Banken belief. Die Experten nutzen dazu Zeitreihen der Deutschen Bundesbank, der Europäischen Zentralbank sowie der Datenbanken von Hoppenstedt und S&P Global. Der Zuschnitt der Institutsgruppen orientiert sich an der Klassifizierung der Deutschen Bundesbank.
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