Bain-Studie zum Neustart der Wirtschaft angesichts der Corona-Krise
Unternehmen müssen ganz neu anfangen
München/Zürich (ots)
- Nach der vorläufigen Eindämmung von Covid-19 ist die Wiederaufnahme des Geschäftslebens keine leichte Aufgabe
- Geringe Planungssicherheit verlangt Unternehmen Belastbarkeit und Agilität ab
- Vor dem Neustart gehören Prozesse und Kundennachfrage auf den Prüfstand
- Die Sicherheit der Belegschaft muss weiterhin höchste Priorität haben
Rund um den Globus werden derzeit in kleinen Schritten die zum Teil massiven coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens gelockert. Ebenso kleine Schritte wird es brauchen, bis die Wirtschaftswelt zur Normalität zurückgekehrt ist. Wie Unternehmen ihren Betrieb erfolgreich wiederaufnehmen und gleichzeitig die Gesundheit ihrer Belegschaft schützen können, zeigt die internationale Unternehmensberatung Bain & Company in ihrer aktuellen Studie "Back to Work: Advance, Retreat, Adapt, Recover".
"Bis es wirksame Medikamente oder Impfstoffe gegen Covid-19 gibt, agiert die Wirtschaft unter völlig veränderten Rahmenbedingungen", erklärt Bain-Deutschlandchef Walter Sinn. "Belastbare Vorhersagen für die Zukunft sind schwer zu treffen. Innerhalb von Tagen können sich Vorschriften, Verfügbarkeiten von Produktionsmitteln oder die Bedürfnisse von Kunden und Belegschaft ändern." Dennoch müssten Firmen ihre geschäftlichen Aktivitäten rasch wiederaufnehmen, um nicht in die Insolvenz zu rutschen.
Der Unsicherheit begegnen
Der Bain-Studie zufolge fürchtet derzeit mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer in den weltweit größten Industriestaaten um ihre Jobs. In Deutschland haben Unternehmen laut Bundesagentur für Arbeit für mehr als zehn Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. In den USA haben bereits mehr als 33 Millionen Menschen ihren Job verloren. Und in Frankreich ist fast die Hälfte der Angestellten im Privatsektor arbeitslos. "Die Wirtschaft muss jetzt den schwierigen Spagat schaffen, Arbeitsplätze zu sichern und gleichzeitig Menschenleben zu schützen", stellt Sinn fest. "Für diese Phase höchster Komplexität und Volatilität müssen sich Unternehmen in weiten Teilen völlig neu aufstellen."
Auf die Unsicherheit, die momentan herrscht, muss das Topmanagement mit großer Agilität und der Berücksichtigung unterschiedlichster Szenarien reagieren. Statt auf kurzfristige Effizienz gilt es auf langfristige Stabilität zu setzen. Statt straffer Top-down-Führung ist dezentraleres Agieren angesagt. Und anstelle starrer Periodenplanung ist eine kontinuierliche Marktbeobachtung gefragt. "Unternehmen müssen Freiräume nutzen, aber im Notfall Maßnahmen auch schnell wieder zurücknehmen und sich an veränderte Gegebenheiten anpassen können", so Sinn.
Umfassende Maßnahmen treffen
Ähnlich wie ein Start-up sollten Unternehmen vor der Wiederaufnahme ihres Betriebs genau untersuchen, welche Kundenbedürfnisse in welchen Regionen sie tatsächlich bedienen können. Dadurch können Unternehmen ihre Geschäftsmodelle und Prozesse so ausrichten, dass sie mit Blick auf den veränderten Markt zielsicher produzieren und die richtigen Dienstleistungen anbieten können.
Es wird Nachfrageschwankungen geben, die es sorgfältig zu beobachten gilt. Unternehmen sollten alle sich bietenden Möglichkeiten nutzen, um den Umsatz zu steigern. Gleichzeitig müssen sie den reibungslosen Ablauf aller Geschäftsprozesse sicherstellen: Lieferketten, Produktion, Vertrieb und Service müssen auch in der aktuellen Situation zuverlässig funktionieren. Für mögliche Störungen sollten passende Lösungen entwickelt werden.
Flexible Teams bilden
Sind Kundenbedürfnisse verstanden und Prozesse gesichert, lässt sich solide kalkulieren, wie viele und welche Arbeitskräfte in die Werke und Büros zurückkehren sollten. Diese Zahl kann je nach Region, Produktkategorie oder Produktionsmöglichkeiten variieren. Gerade die Erfahrungen im Lockdown haben gezeigt, dass für viele Aufgaben eine permanente physische Anwesenheit im Betrieb nicht zwingend erforderlich ist.
Die Pandemie wird den Trend hin zum Homeoffice und zu flexiblen Arbeitskonzepten dauerhaft verstärken. Die Anforderungen unter anderem an Technik und Kommunikation verändern sich dadurch ebenso wie die Unternehmenssteuerung selbst. Das bedeutet signifikante Einsparpotenziale hinsichtlich Flächenbedarf und Raumkosten. Gleichzeitig sind zusätzliche Investitionen in die Ausstattung der Heimarbeitsplätze zwingend erforderlich.
Noch ist das Virus nicht vollständig eingedämmt. Deshalb wird es immer wieder Phasen geben, in denen sich weniger Mitarbeiter in den Werken und Büros aufhalten. Manche müssen möglicherweise in Quarantäne oder aufgrund lokal neuerlich getroffener Lockdown-Maßnahmen zu Hause bleiben. In allen Geschäftsbereichen sollte es daher agile Teams geben, die der jeweiligen Situation sofort gerecht werden können. Dies versetzt Unternehmen in die Lage, ihren Betrieb hochzufahren und gleichzeitig größtmögliche Stabilität bei permanent wechselnden Bedingungen zu erreichen.
Mitarbeiter allumfassend schützen
Die Sicherheit und Gesundheit der Belegschaft muss indes oberste Priorität für das Management haben. Das Ziel ist, die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Für Ladengeschäfte, Werkhallen und Lager sind angemessene Sicherheitskonzepte zu realisieren. Gleiches gilt für Kundenbesuche. Eine ausreichende Hygiene, Desinfektionsmittel, Schutzausrüstung und Masken müssen eine Selbstverständlichkeit sein, möglicherweise auch Infektionstests. Darüber hinaus sind Arbeitsplätze mit Schutzvorrichtungen, beispielsweise Trennwänden, auszustatten sowie Räumlichkeiten oder Arbeitsabläufe umzugestalten.
"In den nächsten Wochen muss es dem Management gelingen, dass Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Investoren Vertrauen in das Wiederhochfahren des Betriebs haben", betont Bain-Deutschlandchef Sinn. Hilfreich dürften dabei die Erfahrungen der letzten Zeit sein. "Arbeiten von zu Hause wird Teil der neuen Normalität sein", so Sinn. "Unternehmen sollten sich möglichst rasch auf flexiblere Arbeitskonzepte einstellen und die Chancen nutzen, die sich daraus ergeben".
Bain & Company
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