Katholische Kirche bricht Aufarbeitung ab: Stellungnahme des Vorstands der Kinderschutz-Zentren
Köln (ots)
Die von der katholischen Kirche lange vorbereitete und dann ins Feld geführte Aufarbeitung von körperlichen und sexuellen Übergriffen an Kindern in ihren Einrichtungen im Rahmen einer wissenschaftlichen Prüfung mit Ableitung von Maßnahmen und Veränderungsvorschlägen wurde jetzt abgebrochen - und ist damit zunächst gescheitert. Ob die Missstände in der kirchlichen Historie sich größer als von allen angenommen herausgestellt haben oder welche Konflikte sonst hinter dem Ausstieg stehen - dass die katholische Kirche jetzt einen Rückzieher macht, ist vor allem für die Betroffenen ein herber Schlag. Bemerkenswert ist, dass die Deutsche Bischofskonferenz knapp drei Jahre nach dem Bekanntwerden der Misshandlungs- und Missbrauchsfälle ihre Versprechen nach Aufklärung und Transparenz für erledigt erklärt. Wieder einmal sind es die Opfer, die sich fragen müssen, ob sie Gehör finden, ernst genommen werden und Bedeutung haben. Derzeit erleben sie eher, dass ihre Biografie, ihr Leid und ihre Rechte missachtet werden. Viele sind mit bewundernswertem Mut mit ihrer Geschichte nach vorn getreten, haben sich gezeigt. Nun stehen sie wieder allein mit ihrer Vergangenheit da, ihr Mut und ihre Hoffnung werden nicht belohnt. Die Verantwortlichen werden nicht zur Rechenschaft gezogen.
Das Ende des Klärungsprozesses in der katholischen Kirche stellt aber auch die Arbeit des Runden Tisches gegen sexuelle Gewalt in Frage. Mehr als drei Jahre hat sich die fachliche und politische Debatte im Kinderschutz in Deutschland nur mit dem Thema der sexuellen Gewalt beschäftigt. Unzählige Arbeitskreise und Arbeitspapiere wurden verfasst, hunderte von Experten und Fachleute aus der Praxis waren und sind damit beschäftigt, Regularien, Standards und Richtlinien zu erarbeiten, die einen besseren Schutz vor sexueller Gewalt gewährleisten sollen. Dabei waren sich alle Experten darin einig, dass ein Schutz vor sexueller Gewalt nur möglich ist, wenn die Arbeit mit Kindern von Transparenz, Offenheit und Unabhängigkeit geprägt ist. Dies wird durch die Entscheidung der Bischofskonferenz nun wieder grundlegend in Frage gestellt.
Grundsätzlich muss sich auch die Politik die Frage stellen, wie sie mit diesem Affront umgeht. Die Verbände, Initiativen und Expert(inn)en, die so lange intensiv an einer Neuausrichtung der Arbeit im Bereich der sexuellen Gewalt gearbeitet haben, erwarten mit Recht konkrete Antworten auf die Frage, wie die großen Beschlüsse umgesetzt werden. Wie werden die Einrichtungen der Jugend- und Frauenhilfe unterstützt bei der Implementierung der neuen Richtlinien, wie soll die Fort- und Weiterbildung der Fachleute finanziert werden, wie und wann wird das Thema Kinderschutz und sexuelle Gewalt in den Ausbildungsrichtlinien verpflichtend verankert und wie soll ein notwendiges flächendeckendes Netzwerk von Beratungs- und Therapieeinrichtungen als Regelangebot eingeführt werden? Am Runden Tisch, der kürzlich ja erst terminlich verschoben wurde, bietet sich zur Beantwortung solcher Fragen im Februar dieses Jahres die Möglichkeit, hierauf Antworten zu geben. Wer hätte gedacht, dass er wieder so aktuell werden würde.
Die jetzige Situation darf nicht das Ende der Diskussion und des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses für den Schutz von Kindern auch in öffentlichen und institutionellen Räumen bedeuten. Deshalb fordern Die Kinderschutz-Zentren eine rasche Wiederaufnahme der Klärungsverfahren, nicht nur intern im Auftrag der katholischen Kirche, sondern auch unter den Augen der Politik und der gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Dies, ohne dass der Wille zur weiteren Aufklärung ein Lippenbekenntnis bleibt, ohne dass Zeit verloren wird, und ohne dass leidvolle Erfahrungen wieder in Schweigen und Geheimhaltung verschwinden können.
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