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Schweres Sicherheitsproblem in acht Atomkraftwerken: Leck im Kühlkreislauf kann zur Katastrophe führen

Berlin (ots)

Deutsche Umwelthilfe kritisiert geplante
Laufzeitverlängerung und verweist auf gravierende ungeklärte 
Sicherheitsfragen - Bundesumweltministerium hält ausreichende 
Reaktorkühlung nach Leckstörfall für nicht gesichert - Länderbehörden
müssen bis 9. Oktober begründen, warum sie Weiterbetrieb betroffener 
Atomkraftwerke dulden
Vor dem Hintergrund der Diskussion über Laufzeitverlängerungen 
deutscher Atomkraftwerke holt die Stromkonzerne ein ungelöstes 
Sicherheitsproblem ein, von dem vor allem Druckwasserreaktoren 
betroffen sind. Über das so genannte "Sumpfsiebproblem" hatte im Juli
erstmals das von der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) herausgegebene
Umweltmagazin zeo2 berichtet. Danach ist die Kühlung des Reaktorkerns
bedroht, wenn nach einem Leck im Kühlkreislauf abgetrenntes 
faserförmiges Isoliermaterial die Notkühlpumpen verstopft oder direkt
die ordnungsgemäße Kühlung des Reaktorkerns be- oder schlimmstenfalls
verhindert. Damit besteht bei einem solchen Störfall das Risiko einer
Kernschmelze mit verheerenden Folgen.
In jetzt bekanntgewordenen Schreiben hat das 
Bundesumweltministerium die Länder ultimativ aufgefordert, bis zum 9.
Oktober darzulegen, wie die Störfallbeherrschung bei einem 
Kühlmittelverlust gewährleistet werden soll und warum die 
Atomaufsichtsbehörden der Länder derzeit den Weiterbetrieb der 
betroffenen Atomkraftwerke trotz Sicherheitsmängeln dulden. 
http://www.umweltministerium.de/atomenergie_sicherheit/doc/45002.php
"Während in den heute beginnenden Koalitionsgesprächen über
Laufzeitverlängerungen für angeblich sichere Atomkraftwerke 
verhandelt wird, zeigt sich, dass bei acht Reaktoren der Nachweis 
einer Störfallbeherrschung fehlt", kritisierte Rainer Baake, 
Bundesgeschäftsführer der DUH. "Wir fordern die sofortige Stilllegung
aller Reaktoren, bei denen ein Leck in einer Kühlmittelleitung zur 
Katastrophe führen kann!"
Bereits im März dieses Jahres hatte das Bundesumweltministerium 
(BMU) die Atomaufsichtsbehörden der fünf Bundesländer, in denen 
Druckwasserreaktoren betrieben werden, zum Handeln aufgefordert, 
nachdem die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) der Bundesregierung 
im Dezember 2008 erklärt hatte, der Sicherheitsnachweis für den 
Sumpfsiebstörfall sei nicht geführt. Entweder sollten die Länder die 
jeweiligen Reaktorbetreiber veranlassen, die Beherrschbarkeit eines 
solchen Störfalls nachzuweisen oder aber selbst zu begründen, warum 
sie den Nachweis für die Reaktoren in ihrem Zuständigkeitsbereich 
bereits für erbracht halten. Baden-Württemberg, Bayern und 
Schleswig-Holstein gaben daraufhin einen entsprechenden Bericht ab, 
Niedersachsen folgte, nachdem das Bundesumweltministerium den 
dortigen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) mit einer 
"bundesaufsichtlichen Weisung" dazu zwang. Die hessische Atomaufsicht
erklärte, der entsprechende Nachweis für Block B des Atomkraftwerks 
Biblis liege nicht vor. Der Konzern habe Nachrüstungsmaßnahmen 
zugesagt. Der Reaktor ging deshalb nach einer Revision bis heute 
nicht wieder ans Netz.
Baake erinnerte daran, dass führende Politiker aus Union und FDP 
in den vergangenen Tagen erklärt hatten, dass eine 
Laufzeitverlängerung nur für solche Atomkraftwerke angestrebt werde, 
über deren Sicherheit keine Zweifel bestünden. "An der Frage der 
Sumpfsieb-Problematik und anderen aktuellen Sicherheitsproblemen, wie
etwa dem nicht vorhandenen Schutz von sieben Altanlagen gegenüber 
terroristischen Angriffen aus der Luft, wird sich zeigen, wie viel 
diese Versprechungen wert sind", sagte Baake. "Wir werden mit 
Argusaugen beobachten, ob die neue Koalition dem Krümmel-Betreiber 
Vattenfall nach der endlosen Pannenserie die atomrechtliche 
Zuverlässigkeit bescheinigt."  Maßstab für die Sicherheit von 
Atomkraftwerken sei in Deutschland der aktuelle Stand von 
Wissenschaft und Technik bei der Schadensvorsorge. Baake: "Bei 
konsequenter Anwendung des geltenden Atomrechts darf keine Anlage 
weiterlaufen, bei der die Experten der Bundesregierung ernsthafte 
Zweifel an der Beherrschung eines Störfalls haben". Genau das sei 
aber bei der Sumpfsiebproblematik der Fall.
Das Sumpfsiebproblem (siehe www.zeozwei.de, zeo2, Ausgabe 3/2009) 
entsteht, wenn bei einem Leck im Kühlkreislauf eines AKW der 
herausschießende Wasserstrahl faserförmiges Isoliermaterial von 
angrenzenden Rohrleitungen trennt und dieses Material später die 
Ansaugsiebe von Notkühlpumpen verstopft, die nach einem Leckstörfall 
die Reaktorkühlung sicherstellen sollen. Ein solcher Unfall hatte 
1992 fast zu einer Katastrophe im schwedischen AKW Barsebäck geführt.
Lange Zeit gingen Betreiber und Behörden davon aus, das Problem mit 
Konstruktionsänderungen an den Sieben in den Griff bekommen zu haben.
Erst Experimente an einem Teststand des früheren Siemens-Standorts 
Erlangen, die der Reaktorbauer Areva im Auftrag der Reaktorbetreiber 
durchführte, ergaben das Gegenteil. Aktuell soll das Problem, dadurch
gelöst werden, dass bei einer Siebverstopfung die Pumprichtung 
kurzfristig umgekehrt wird, um das Sieb zu reinigen. Nach Recherchen 
der DUH halten Reaktorexperten diese so genannte "Rückspülung" für 
hochriskant, weil in dieser Zeit die aktive Kühlung des Reaktorkerns 
teilweise unterbrochen werden muss. "Die Rückspülung ist ein Spiel 
mit dem Feuer zu einem Zeitpunkt, zu dem es ohnehin schon lichterloh 
brennt", sagte Gerd Rosenkranz, der Leiter Politik und Presse der 
DUH. Man versuche die Kühlung mit einer Maßnahme sicherzustellen, die
sie selbst wieder in Frage stellt. "Wehe, wenn die Umkehrung der 
Pumpenrichtung in die ursprüngliche Richtung nicht funktioniert".
Außerdem werde mit einer möglicherweise mehrfach wiederholten 
Rückspülung ein anderes Problem verschärft, für das die Methode 
ohnehin keine Lösung darstelle. Bei den Experimenten in der Erlanger 
Testeinrichtung hatte sich nämlich gezeigt, dass feinstes 
Fasermaterial durch die Siebe nicht vollständig aufgehalten werden 
kann und so direkt in den Reaktorkern gelangt. Dort setzt es sich an 
den Halterungen für die Brennelemente ab, bildet eine Art Filz und 
behindert die Kühlung von Teilbereichen des Reaktorkerns. "Der 
wiederholte Rückspülvorgang kann dazu führen, dass in mehreren 
Schüben mehr feine Fasern in den Reaktorkern gelangen und sich so das
Risiko der Überhitzung und schließlich einer Schmelze von Teilen des 
Kerns erhöht", erläuterte Rosenkranz.

Pressekontakt:

Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil: 0151 55016943, Tel.: 030 2400867-0, Fax: 030
2400867-19, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Mobil: 0171 5660577, Tel.:030 2400867-21, Fax: 030
2400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de

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