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Novellierte Verpackungsverordnung: Bewährungsprobe missglückt

Berlin (ots)

Novelle der Verpackungsverordnung von 2008 verfehlt
ihr Ziel - Statt mehr Transparenz neue Zweifel an Vollständigkeit und
Qualität der Entsorgung - Falschdeklaration von Verkaufsverpackungen 
bringen Unternehmen hohe Zusatzgewinne - Wirksame Kontrolle findet 
nicht statt - Deutsche Umwelthilfe will Deutschen Industrie- und 
Handelskammertag mit Antrag auf Umweltinformation zwingen, Zahlen 
über angemeldete Verpackungsmengen zu nennen
Mehr Transparenz über den Verbleib und die Wiederverwertung so 
genannter Verkaufsverpackungen sollte sie bringen und 
Trittbrettfahrer bei der Entsorgung abschrecken. Doch gut eineinhalb 
Jahre nach ihrem Start produziert die fünfte Novelle der 
Verpackungsverordnung gleich bei ihrer ersten Bewährungsprobe statt 
Transparenz neue Ungereimtheiten: Sie ermöglicht unkontrollierte 
Stoffströme und öffnet Schlupflöcher für kreative 
Falschdeklarierungen. Eine Kontrolle findet, in aller Regel, nicht 
statt. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen 
und gleichzeitig beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag 
(DIHK) nach dem Umweltinformationsgesetz Daten über die gemeldeten 
Verkaufsverpackungen angefordert.
Im April 2008 hat die Novelle der Verpackungsverordnung etwa 3.000
bis 4.000 Unternehmen, die Verkaufsverpackungen einsetzen, 
verpflichtet, jeweils zum 1. Mai bei ihren zuständigen Industrie- und
Handelskammern so genannte Vollständigkeitserklärungen zu 
hinterlegen. Die Erklärungen enthalten Angaben zu den von den 
Unternehmen für ihre Waren im Vorjahr eingesetzten Verpackungen und 
ihrer Entsorgung. Die Angaben sollen von Wirtschaftsprüfern oder 
Steuerberatern geprüft werden. Soweit die Theorie.
Ein halbes Jahr nach dem ersten Stichtag (1. Mai 2009) und 
eineinhalb Jahre nach der Bekanntmachung der neuen Regelungen steht 
nach Überzeugung der DUH fest, dass die Ziele bisher nicht annähernd 
erreicht werden. Es hapert an Transparenz, an Kontrolle und 
offensichtlich auch an Willen und Möglichkeiten der zuständigen 
Behörden, gegenüber "Falschspielern" Sanktionen durchzusetzen. 
"Niemand will wissen, wie viele Unternehmen überhaupt eine 
Vollständigkeitserklärung abgeben müssen. Und niemand fühlt sich 
aufgefordert und in der Lage, die Einhaltung der gesetzlichen 
Vorschriften zu den Vollständigkeitserklärungen systematisch zu 
kontrollieren", kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Als Ergebnis von Informationsbegehren der DUH bei den jeweils 
zuständigen Bundesländern stehe zweifelsfrei fest, dass die 
Umweltministerien nicht einmal wissen, wie viele Unternehmen in ihrem
Zuständigkeitsbereich verpflichtet sind, Vollständigkeitserklärungen 
nach § 10 der novellierten Verpackungsverordnung zu hinterlegen. 
Außerdem gehe aus den Antworten auf die nach den jeweiligen 
Regelungen zur Umweltinformation gestellten DUH-Anfragen hervor, dass
Kontrollen generell nur anlassbezogen durchgeführt werden. Selbst im 
Rahmen anlassbezogener Kontrollen würden die Angaben jedoch nicht auf
inhaltliche Richtigkeit geprüft. Bemerkenswert sei auch, dass die 
Länder sich bei den Antworten auf die DUH-Anfragen erkennbar 
abgestimmt haben und sogar mit identischen Textbausteinen arbeiteten.
Die Verantwortung für die inhaltliche Prüfung der 
Vollständigkeitserklärungen schieben die Bundesländer auf die 
beteiligten unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder Sachverständigen. 
Doch die bescheinigen die Vollständigkeitserklärungen nach Recherchen
der DUH zwar, sie testieren sie aber nicht. Im Klartext bedeutet das,
dass die Prüfer zwar garantieren, dass die vom Hersteller gelieferten
Daten formal richtig in das vorgesehene elektronische Formular 
eingetragen wurden - ob die Angaben über die in Verkehr gebrachten 
Verpackungsmengen auch mit der Realität übereinstimmen, wird aber im 
Wesentlichen nicht überprüft. "Weder wissen die zuständigen 
Umweltministerien, wer überhaupt Vollständigkeitserklärungen abgeben 
muss, noch gibt es eine Instanz, die die Angaben der verpflichteten 
Unternehmen systematisch und inhaltlich kontrolliert", resümiert 
Resch. "Unter diesen Umständen sind die Vollständigkeitserklärungen 
als Instrument für eine erhöhte Transparenz bei der 
Verpackungsentsorgung nutzlos."
Die DUH hat inzwischen wegen der unbefriedigenden Situation bei 
Länderministerien nachgefragt, wie viele Verwaltungs- bzw. 
Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen § 10 der Verpackungsverordnung
in ihrem Zuständigkeitsbereich eingeleitet worden seien. Des Weiteren
will die DUH wissen, welche Informationen und 
Auswertungsmöglichkeiten für eine systematische inhaltliche Kontrolle
der Hinterlegung von Vollständigkeitserklärungen aus Sicht der 
Umweltministerien ergriffen werden müssten.
Das Dilemma ist nach Überzeugung der Umwelt- und 
Verbraucherschutzorganisation auch entstanden, weil nach den 
Regelungen der 5. Novelle der Verpackungsverordnung nur die 
zuständigen Länderbehörden auf die Inhalte der hinterlegten 
Vollständigkeitserklärungen zugreifen können - und nicht auch, wie 
die DUH gefordert hatte, Umwelt- und klageberechtigte 
Verbraucherschutzverbände. Auch auf der Internet-Plattform des DIHK 
wird die Öffentlichkeit ausschließlich darüber informiert, welche 
Unternehmen eine Vollständigkeitserklärung abgegeben haben. Welche 
Verpackungsmengen sich hinter den Vollständigkeitserklärungen 
verbergen, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Bisherige Versuche, 
diese Informationen vom DIHK zu erlangen, wurden abgelehnt.
Durch eine missbräuchliche Auslegung der Verpackungsverordnung 
können die Unternehmen Entsorgungs- und Recyclingkosten in 
Millionenhöhe sparen (s. PM vom 20.10.2009 unter 
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=
1972). Praktizierte Falsch- und Umdeklarationen gehen dabei 
regelmäßig zulasten einer qualitativ hochwertigen Entsorgung. "Es ist
ärgerlich aber leider eine Realität, dass gewinnorientierte 
Unternehmen sich auch bei der Verpackungsentsorgung nicht in die 
Karten gucken lassen wollen. Dass sich aber der DIHK als 
eingetragener Verein, der öffentliche Aufgaben wahrnimmt, ebenfalls 
standhaft weigert, Informationen von öffentlichem Interesse 
herauszugeben, ist inakzeptabel", kritisiert Maria Elander, Leiterin 
Kreislaufwirtschaft bei der DUH. In einem an den DIHK-Präsidenten, 
Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann, gerichteten Antrag nach dem 
Umweltinformationsgesetz begehrt die DUH nun unter anderem Auskunft 
über die Anzahl rechtzeitig und verspätet eingereichter 
Vollständigkeitserklärungen sowie über die darin angemeldeten 
Verpackungsmengen.
Hintergrund
Nach der 5. Novelle der Verpackungsverordnung müssen Unternehmen, 
die Verkaufsverpackungen einsetzen, jährlich zum 1. Mai bei den 
örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammern so genannte 
Vollständigkeitserklärungen hinterlegen. Die Erklärungen beinhalten 
von externen Dritten wie Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern 
geprüfte Angaben zu den jeweils von den Unternehmen für ihre Waren im
Vorjahr eingesetzten Verpackungen und ihrer Entsorgung.
Die DUH hatte am 1. Oktober im Rahmen einer Stichprobe 44 
Unternehmen angemahnt, zu begründen, warum sie bis zu diesem 
Zeitpunkt ihre Vollständigkeitserklärungen noch nicht hinterlegt 
hatten und das Versäumte ggf. unverzüglich nachzuholen. Außerdem 
wurden die Umweltministerien der Länder über mögliche 
Gesetzesverstöße informiert und zur Überprüfung und Ahndung 
aufgefordert. Bis zum 10. Dezember hatten 27 der angemahnten 
Unternehmen eine Vollständigkeitserklärung nachgereicht. Vier der 
Unternehmen haben angegeben, dass sie unter der Bagatellgrenze lägen 
und entsprechend keine Vollständigkeitserklärung abgeben müssten. 
Weitere acht Unternehmen haben angekündigt, zeitnah eine 
Vollständigkeitserklärung abgeben zu wollen.
Mehr als sieben Monate nach dem Stichtag 1. Mai 2009 sind nur rund
2.200 der 3.000 - 4.000 betroffenen Unternehmen ihrer gesetzlichen 
Verpflichtung zur Hinterlegung eine Vollständigkeitserklärung nach 
gekommen.

Pressekontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170,
Fax: 030 2400 867-19, E-Mail: resch@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41,
Fax: 030 2400867-19, Mobil: 0160 5337376, E-Mail: elander@duh.de

Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0,
Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de

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