Wortbruch von VDA-Präsident Wissmann: neues chemisches Pkw-Kühlmittel wird ab 2011 zum akuten Gesundheitsrisiko für Insassen und Unfallretter
Berlin (ots)
Studie des Umweltbundesamt (UBA) über das chemische Kältemittel 1234yf bestätigt frühere Messungen der Deutschen Umwelthilfe und entlarvt die Aussagen des Verbandes der Automobilindustrie als "vorsätzliche Verbrauchertäuschung" - Risiken der Chemikalie bei Fahrzeugbränden nicht kontrollierbar - Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) verweist auf umfassende Gefahrenanalyse und bestätigt: lebensgefährliche Flusssäure entsteht bei fast allen Testreihen - DUH fordert Bundesregierung auf, ein Anwendungsverbot für die lebensgefährliche neue Chemikalie in Autoklimaanlagen auszusprechen - DUH fordert deutsche Automobilindustrie auf, "ausnahmsweise einmal Wort zu halten" und ab 2011 das ungiftige natürliche Kältemittel CO2 einzusetzen
Der bereits für das kommende Jahr geplante Einsatz des neuen Kältemittels Tetrafluorpropen (Handelsname 1234yf) in Klimaanlagen neuer Fahrzeugtypen erweist sich immer mehr als "Russisches Roulette-Spiel der deutschen Autoindustrie mit der Gesundheit von Autoinsassen und Unfallhelfern." Das erklärte die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) unter Verweis auf ein heute veröffentlichtes Gutachten des Umweltbundesamtes (UBA), mit dem die Umweltbehörde frühere Messungen der DUH überprüfen ließ. Die dem Bundesumweltministerium nachgeordnete Umweltbehörde und die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hatten in mehreren realitätsnahen Labortests die Brennbarkeit von 1234yf und insbesondere die Bildung hochgiftiger Flusssäure (HF) untersucht. Laut einem zentralen Ergebnis der Studie "überschritten die ermittelten Werte von Flusssäure den auch von der Automobilindustrie als Maßstab gewählten Wert für die menschliche Gesundheit (AEGL Acute Exposure Guideline Levels, Richtwerte für die akute Exposition, veröffentlicht durch US-National Research Council und National Academy of Science 2-Wert von 95 ppm für eine Expositionszeit von 10 min)." Und weiter: "Eine Überschreitung des AEGL 2-Wertes führt zu irreversiblen Schäden für die menschliche Gesundheit. Auch bei Untersuchungen in einem Fahrzeug wurde dieser Wert deutlich überschritten." Die Ergebnisse der neuen BAM-Untersuchung bestätigen die von der DUH bereits im Jahr 2008 veröffentlichten lebensbedrohenden Wirkung dieser Chemikalie bei einem simulierten Pkw-Unfall.
"Eine Klimaanlage, die millionenfach in Pkw eingebaut ist, darf im leider nicht unwahrscheinlichen Fall eines Fahrzeugbrandes nicht über Leben und Tod von Autoinsassen und Helfern entscheiden können. Die nun bestätigte Entstehung akut lebensbedrohlicher Konzentrationen an Flusssäure ist ein klares K.O. - Kriterium für den Einsatz als Kältemittel in Pkw", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch und fordert die Bundesregierung auf, ein Anwendungsverbot der Chemikalie 1234yf für den Einsatz als Kältemittel in Autoklimaanlagen zu verfügen. "Wenn die Automobilindustrie angesichts der beängstigenden Untersuchungsergebnisse nicht selbst zur Vernunft kommt, müssen Bundesregierung und EU-Kommission reagieren. Dies fällt umso leichter, als mit dem natürlichen Kältemittel CO2 eine unproblematische Alternative zur Verfügung steht".
Die aktuelle BAM-Studie im Auftrag des UBA bescheinigt der Chemikalie Tetrafluorpropen außerdem ein unberechenbares und unvorhersehbares Entzündungsverhalten, wenn es im Motorraum zu Funkenbildung kommt. Außerdem können hohe Flusssäurekonzentrationen bei Temperaturen von über 350 Grad Celsius schon auftreten, bevor sich die Chemikalie entzündet - etwa wenn im Fall eines Lecks in der Klimaanlage 1234yf mit den heißen Metalloberflächen des Abgaskrümmers oder Katalysators in Berührung kommt.
Die Projektleiterin Fahrzeugkühlung der DUH, Eva Lauer, wies darauf hin, dass nach Unfällen, bei denen beteiligte Fahrzeuge in Brand geraten auch für das Rettungspersonal Vergiftungsrisiken bestünden. Im Sicherheitsdatenblatt des Kältemittelherstellers Honeywell für 1234yf werde ausdrücklich ein umgebungsluftunabhängiges Atemschutzgerät und ein Chemieschutzanzug vorgeschrieben. Der Bereich sei im Brandfall zu evakuieren. Wegen Explosionsgefahr müsse das Feuer zudem aus der Ferne bekämpft werden. Eva Lauer: "Mit besonderer Schutzausrüstung ist keine normale Feuerwehr ausgestattet. Hier wird nicht nur mit der Gesundheit der Autoinsassen gespielt, auch die Rettungskräfte atmen unter Umständen ätzende und giftige Flusssäuredämpfe ein, ohne es zu wissen."
Bereits in fünf Monaten sollen die ersten Pkw mit dem neuen Kältemittel 1234yf befüllt werden. Die DUH, das Umweltbundesamt und auch das Bundesumweltministerium favorisieren CO2 als natürliches und unproblematisches Kältemittel in Autoklimaanlagen. Im Herbst 2007 hatte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, sein Wort gegeben, dass die deutsche Automobilindustrie ab 2011 ausschließlich auf das natürliche und ungefährliche Kältemittel CO2 setzen und alle Arbeiten an 'chemischen Alternativen' einstellen werde. So wie auch viele weitere Umweltzusagen brach die Automobilindustrie ihr Wort, stoppte trotz Zusagen die Entwicklungsarbeiten an der CO2 Technik und entwickelte gemeinsam mit den beiden Chemiemultis DuPont und Honeywell an der für die Autobauer kostengünstigeren chemischen Variante weiter. In einem informellen Pressehintergrundgespräch bestätigte der VDA in diesem Sommer gegenüber ausgewählten Fachjournalisten seinen Wortbruch und bagatellisierte die mit der Verwendung der Chemikalie 1234yf verbundenen Gefahren mit nun erwiesenen falschen Fakten (HF-Konzentration nie über 50 ppm) und daraus abgeleiteten Wahrscheinlichkeitsberechnungen (Wahrscheinlichkeit einer Gesundheitsgefahr so unwahrscheinlich wie ein '6er im Lotto mit Zusatzzahl'). Tatsache ist, dass es jährlich zu tausenden von Fahrzeugbränden kommt, bei denen es zu Situationen wie die von der DUH in einem Film dokumentierten Bränden kommen kann.
Hintergrund
In Europa ist ab Januar 2011 die Verwendung des bisherigen Kältemittels R134a in Autoklimaanlagen neuer Fahrzeugtypen verboten. Das Kältemittel R134a zählt zu den im Kyoto-Protokoll aufgeführten Treibhausgasen, die reduziert werden müssen. Das Europäische Parlament hat einen Ausstiegsplan dafür festgelegt, wörtlich heißt es: "Nach dem 01. Januar 2011 dürfen keine neuen EG-Typgenehmigungen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge erteilt werden, wenn die im Fahrzeug enthaltene Klimaanlage darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem GWP-Wert über 150 zu enthalten." Unter http://www.duh.de/klimaanlage_film.html dokumentieren zwei Brandtests, dass das chemische Kältemittel 1234yf eine hochentzündliche und im Brandfall toxisch wirkende Chemikalie ist. Untersuchungen der DUH und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) sowie des Umweltbundesamtes hatten die negativen Folgen bei einem Autounfall für Fahrer und Rettungspersonal aufgezeigt.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil: 0171 3649170, resch@duh.de
Eva Lauer, Projektleiterin Fahrzeugkühlung, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: 030 2400867 -76, lauer@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: 030 2400867 -21, Mobil: 0171 5660577,
rosenkranz@duh.de
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