Dieselgate erreicht BMW: Abgasmessungen bei einem BMW 320d zeigen klare Indizien für Abschalteinrichtungen
Berlin (ots)
- Gemeinsame Untersuchungen der Deutschen Umwelthilfe, des ZDF-Magazins "WISO" und eines Software-Experten an einem BMW 320d geben Hinweis auf unzulässige Abschalteinrichtungen - Stickoxid-Emissionen sind auf der Straße im Gegensatz zum Rollenprüfstand bis zu 7,2-fach höher - "Motorschutzgründe" können nach Ansicht der DUH hier nicht geltend gemacht werden, da die Abgasreinigung in allen normalen Betriebssituationen vollumfänglich funktionieren muss - DUH Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fordert Überprüfung der Typgenehmigung - Deutsche Umwelthilfe beantragt beim Verkehrsministerium Veröffentlichung der amtlich bekannten Abschalteinrichtungen bei Diesel-Pkw verschiedenster Hersteller
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat in ihrem Emissions-Kontroll-Institut (EKI) die Abgaswerte eines BMW 320d Euro 6 im realen Betrieb auf der Straße gemessen. Auffällig bei diesen Messergebnissen war, dass die gemessenen Werte deutlich schwankten. Während das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Stickoxid (NOx)-Grenzwert einhielt, waren die Emissionen auf der Straße um das bis zu 7,2-fache höher. Ursache für diese Werte ist vor allem, dass die Abgasrückführung unter bestimmten Bedingungen teilweise praktisch abgeschaltet wird.
Nach den gemeinsamen Untersuchungen wird als Parameter für diese Abschaltung nicht nur die Drehzahl, sondern auch das Drehmoment verwendet. Der Software-Experte Lothar Daub erklärte im WISO-Beitrag vom 4.12.2017, dass die Abgasrückführung oberhalb von 3.500 Umdrehungen komplett abgeschaltet wird und verwies darauf, dass dies in der Software des Fahrzeugs so abgelegt sei. Es gäbe ein Kennfeld dazu und entsprechende Daten. Eine solche Drehzahl erreicht man bereits bei 47 km/h im zweiten Gang, 70km/h im dritten Gang, 87 km/h im vierten Gang und 112 km/h im fünften Gang.
Die Europäische Typzulassungsverordnung 715/2007 zählt in ihrer Begriffsdefinition zu "Abschalteinrichtungen" ausdrücklich die Motordrehzahl (UpM) als Parameter für die Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems bei normalem Fahrzeugbetrieb auf. Eine generelle Aktivierung von Abschalteinrichtungen ist nach dieser Verordnung eindeutig unzulässig.
Am 27. September 2017 erklärte Harald Krüger, Vorstandsvorsitzender der BMW Group: "Wir haben an den Fahrzeugen nicht manipuliert. Wir haben Diesel, die sind sauber. Und die sind die besten dieser Welt. Es gibt kein Defeat Device bei der BMW Group." Dieses vollmundige Versprechen steht im klaren Widerspruch zu den Ergebnissen der Abgas- und Softwareuntersuchungen des BMW 320d. Gegenüber WISO behauptete BMW: "Die für die Abgasbehandlung erforderlichen Emissionskontrollsysteme decken in ihrer Wirksamkeit die typische Kundenfahrweise vollumfänglich ab." Die DUH konnte allerdings bereits schon bei moderaten Beschleunigungen die stark erhöhten Abgasemissionen messen.
"Die vorliegenden Messergebnisse sind sehr klare Indizien dafür, dass hier unzulässige Abschalteinrichtungen in der Motorsteuersoftware vorhanden sind. Diese müssen komplett entfernt werden. Das Fahrzeug muss in allen normalen Betriebssituationen eine voll funktionstüchtige Abgasreinigung haben. Wir werden heute den zuständigen Behörden unsere Untersuchungsergebnisse übergeben und fordern eine Überprüfung und gegebenenfalls Entzug der Typgenehmigung und einen amtlichen Rückruf für alle Fahrzeuge, die über eine illegale Abschalteinrichtung verfügen", sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Die DUH beantragt beim Verkehrsministerium die bisher unter Hinweis auf Betriebsgeheimnisse der Hersteller verweigerte Veröffentlichung aller amtlich bekannter Abschalteinrichtungen bei Diesel-Pkw unterschiedlicher Hersteller. BMW fordert sie dazu auf, alle in ihren Fahrzeugen verbauten, nach Außentemperatur, Drehmoment oder Motordrehzahl gesteuerten Abschalteinrichtungen komplett zu entfernen, da die Fahrzeuge nicht nur in Prüfsituationen, sondern in allen normalen Betriebssituationen eine voll funktionstüchtige Abgasreinigung haben müssen.
In Zusammenarbeit mit dem ZDF-Magazin "WISO" wurde das Fahrzeug beim TÜV Nord auf dem Prüfstand im Zulassungstest, dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), gemessen. Das Fahrzeug erreichte mit 27,6 mg NOx/km ein sehr gutes Ergebnis. Auch bei der Fahrt auf dem Prüfstand mit zehnprozentig höherer Geschwindigkeit (NEFZ+10%) lagen die Werte deutlich unter dem Euro 6 Grenzwert.
Dasselbe Fahrzeug wurde im Anschluss im EKI der DUH auf der Straße gemessen. Die "Real Drive Emissionen" (RDE) lagen dabei deutlich über dem Grenzwert von Euro 6. Besonders bei den Messungen im "Außerortsteil" des Zulassungstests (NEFZ) waren die NOx-Emissionen deutlich erhöht - und noch höher im NEFZ+10%. Im Vergleich zu den TÜV-Messungen lagen bei den Straßenmessungen die NOx-Emissionen im Außerortsteil des NEFZ+10% bei vergleichbarer Fahrweise um den Faktor 7,2 höher. Das Fahrzeug wurde vertieften Untersuchungen unterzogen, um den Ursachen des stark erhöhten NOx-Ausstoßes auf den Grund zu gehen.
"Wir haben festgestellt, dass nicht nur die Drehzahl, sondern auch das Drehmoment, also die Last, dafür entscheidend ist, ob die Abgasrückführung ein- oder ausgeschaltet ist. Wenn sie ausgeschaltet ist, steigen die Emissionen an Stickoxiden drastisch an. Und das ist nach meiner Einschätzung von der europäischen Richtlinie nicht gedeckt," erklärt der internationale Verkehrsexperte Axel Friedrich und Leiter der Abgasmessungen im EKI-Projekt.
Die DUH hat dem Bundesverkehrsministerium sowie dem Kraftfahrt-Bundesamt ihre Messprotokolle übersandt und gefordert, diesen Sachverhalt zu klären. Motorschutzgründe könne BMW, so die Meinung der DUH, gerade für dieses Fahrzeug nicht geltend machen, da das Fahrzeug auf dem Prüfstand dieses Abgasverhalten nicht zeige.
Links: Messbericht BMW 320d: http://l.duh.de/p171205
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Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsexperte
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