Amazon ist kein Einzelfall: Deutsche Umwelthilfe fordert Handel auf, die Vernichtung funktionstüchtiger Produkte zu beenden
Berlin (ots)
Massenhafte Zerstörung zurückgesandter Waren und unverkaufter Neuware durch Amazon ist nach Ansicht der DUH gesetzeswidrig - Produkte müssen auf eine Wiederverwendung geprüft und Abfälle vermieden werden - DUH fordert Vollzugsbehörden der Länder zu zielgerichteten Kontrollen und Verhängung abschreckender Bußgelder auf, um die rechtswidrigen Entsorgungspraktiken zu stoppen - Auch rückgesandte Produkte mit leichten Gebrauchsspuren dürfen nicht grundlos vernichtet werden - Negativbeispiel Amazon zeigt, dass sich die Politik von dem insgesamt gescheiterten Instrument der Selbstverpflichtungserklärungen verabschieden muss - Wiederverwendungsquoten und eine ökologische Steuerreform sind notwendig
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert von Handelsunternehmen wie Amazon den sofortigen Stopp der systematischen Zerstörung von Retouren und unverkauften Produkten. Recherchen des ZDF-Magazins Frontal 21 und der WirtschaftsWoche bestätigen, dass in großem Umfang Güter aller Art in den deutschen Logistiklagern des Onlinehändlers entsorgt werden, darunter Handys, Kühlschränke, Matratzen, Lebensmittel oder Möbel. Die Vernichtung funktionstüchtiger Produkte ohne triftigen Grund verstößt gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz und bei Elektrogeräten zusätzlich gegen das Elektro- und Elektronikgerätegesetz.
Nach der DUH vorliegenden Brancheninformationen ist diese Praxis kein Einzelfall. Die DUH fordert die Vollzugsbehörden der Länder auf, die Entsorgungspraktiken von Amazon und anderen Handelsunternehmen umgehend zu überprüfen und derartige rechtswidrige Praktiken zu stoppen. Zuletzt hatte die DUH bei Amazon und anderen Versandunternehmen massive Verstöße gegen die Rücknahmepflicht ausgedienter Elektrogeräte festgestellt und mehrere Rechtsverfahren eingeleitet. Von Bundesumweltministerin Svenja Schulze fordert die DUH, die schon seit Jahren überfälligen gesetzlichen Wiederverwendungsquoten für Elektrogeräte und Sperrmüll einzuführen. Außerdem müsse die Bundesregierung die Mehrwertsteuer endlich nach ökologischen Kriterien reformieren.
Die Vernichtung neuwertiger Waren findet nicht nur bei Amazon statt. So liegen der DUH konkrete Hinweise darüber vor, dass in vielen deutschen Recyclinganlagen neuwertige Elektrogeräte geschreddert und nicht auf die Möglichkeit einer Wiederverwendung hin überprüft werden. Oft verlangen die Händler oder Hersteller dies von den Anlagenbetreibern. Auch auf vielen deutschen Wertstoffhöfen werden alte Möbel, die lediglich kleine Macken haben, in die Müllpresse gegeben und nicht in Sozialkaufhäusern verkauft oder gespendet.
"Die massenhafte Vernichtung von Elektrogeräten, Möbeln oder Textilien zeigt uns, wie weit sich Deutschland vom gefühlten Umwelt- und Klimaschutz-Vorreiter-Image tatsächlich entfernt hat. Unter den Augen der für den Gesetzesvollzug zuständigen Behörden werden völlig unnötig Ressourcen verschwendet und das Klima belastet", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Die DUH ist bereits mehrfach rechtlich gegen Amazon vorgegangen, da Amazon unter anderem Elektroschrott nicht ordnungsgemäß zurücknahm. Außerdem lässt das Unternehmen bis heute den rechtswidrigen Verkauf pfandpflichtiger Einweg-Getränkeverpackungen ohne Pfand oder den illegalen Vertrieb unregistrierter Elektrogeräte über seine Marktplätze zu.
Resch fordert die zuständigen Überwachungsbehörden - im Fall der zwei großen deutschen Amazon-Lager das Regierungspräsidium Kassel und die Stadt Leipzig - dazu auf, den Hinweisen des ZDF-Magazins Frontal 21 und der WirtschaftsWoche umgehend nachzugehen und gegen rechtswidrige Entsorgungspraktiken von Amazon konsequent vorzugehen. "Gebrauchsfähige und neuwertige Handys, Schuhe oder Matratzen grundlos über die Müllpresse zu entsorgen ist schlichtweg gesetzeswidrig. Einmal mehr missachten die Behörden ihre Verpflichtung, den korrekten Vollzug von Umweltgesetzen zu überwachen. Die Zeche zahlen wie so oft Umwelt oder Verbraucher", so Resch.
"Dass es für Unternehmen attraktiver ist, neue Produkte oder Produkte mit kleinen Mängeln zu zerstören, anstatt diese zu spenden oder als Gebrauchtware zu verkaufen, zeigt, dass etwas gewaltig schiefläuft. Die ökologisch sinnvolle Wiederverwendung von Geräten wird durch den Gesetzgeber nicht gefördert, sondern systematisch gebremst", kritisiert der stellvertretende DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft Philipp Sommer. Nach amtlichen Statistiken werden von etwa 723.000 Tonnen korrekt erfassten Elektroaltgeräten lediglich etwa 15.000 Tonnen für eine Wiederverwendung vorbereitet.
Aus Sicht der DUH bedarf es auch einer ökologischen Reform des deutschen Mehrwertsteuer-Systems, das absurde finanzielle Anreize für die Zerstörung neuer Waren gibt. "Es kann nicht sein, dass Wegwerfen günstiger ist als Weitergeben. Der Verbrauch an Ressourcen muss teurer und umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen günstiger werden. So sollte für gebrauchte Waren oder Reparaturen der Mehrwertsteuersatz auf sieben Prozent reduziert und für gespendete Produkte komplett gestrichen werden", fordert Resch.
Damit möglichst viele der bei Herstellern, Händlern oder Wertstoffhöfen als Abfall erfassten Waren erneut genutzt werden, sollte die Bundesregierung Unternehmen und Kommunen dazu verpflichten, insbesondere zurückgenommene Elektrogeräte und Möbel zu einem Anteil von mindestens 15 Prozent für eine Wiederverwendung vorzubereiten. Das mit dem Elektrogerätegesetz vom 20. Oktober 2015 beschlossene Separierungsverbot sollte gelockert werden, sodass Altgeräte zum Zweck der Wiederverwendung auf den Wertstoffhöfen separiert werden dürfen.
Links:
DUH-Webseiten zu Wiederverwendung und Reparatur: https://www.duh.de/themen/recycling/abfallvermeidung/
DUH-Positionspapier für eine echte Kreislaufwirtschaft: https://www.duh.de/projekte/eu-kreislaufwirtschaftspaket/
DUH-Positionspapier zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz: https://www.duh.de/themen/recycling/elektrogeraete/
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Philipp Sommer, stellv. Leiter Kreislaufwirtschaft
030 2400867 462, sommer@duh.de
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