Das Prinzip Energieintelligenz
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Berlin (ots)
Der Weg zu nationalen Klimaschutzzielen führt nur über bisher nicht absehbare Erfolge bei der Energieeffizienz - Deutsche Umwelthilfe legt Vorschläge für sofortigen Neustart in den Schlüsselsektoren Gebäudesanierung, Straßenverkehr, Marktdurchdringung energieeffizienter Geräte und Kraft-Wärme-Kopplung vor - Prognos-Energiegutachten für die Bundesregierung beweist die Fruchtlosigkeit einer Neuauflage der Debatte über die Atomenergie
15. Mai 2007: Die im Auftrag der Bundesregierung erstellten Prognos-Szenarien über die Energiezukunft bis 2020 signalisieren vor allem, dass Energie in Deutschland dringend und sofort effizienter bereitgestellt und genutzt werden muss als bisher. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen und für fünf Schlüsselbereiche eigene Vorschläge unterbreitet. Der Großen Koalition warfen die beiden Bundesgeschäftsführer der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation, Rainer Baake und Jürgen Resch, vor, "in der Klimaschutzdebatte permanent ambitionierte Zielvorstellungen zu verbreiten, ohne zu erklären, auf welchem Weg sie erreicht werden können." So sei es auch beim Versprechen, die so genannte Energieproduktivität in Deutschland bis 2020 gegenüber 1990 zu verdoppeln. Soll dieses bereits im Koalitionsvertrag von Union und SPD erklärte Ziel, das in den Prognos-Szenarien einfach als gegeben vorausgesetzt wird, auch in der realen Welt erreicht werden, müssten sich die Fortschritte bei der Energieeffizienz insgesamt gegenüber den letzten Jahren mehr als verdoppeln. Dies sei alles andere als ein Selbstläufer.
"Ziel muss es sein, Energieintelligenz als zusätzliches Wirtschafts- und Konsumprinzip in der gesamten Gesellschaft zu verankern. Das erfordert aber einen grundsätzlichen Politikwechsel in Berlin und eine Emanzipation der Politik von der Fernsteuerung durch Siemens, RWE und anderer Großkonzerne. Wir brauchen keine weiteren unverbindlichen Absichtserklärungen zum Klimaschutz sondern schnell gesetzliche Regelungen zur Umsetzung der Klimaschutzziele, deren Einhaltung auch überwacht wird", erklärte Resch. Zu zentralen Sektoren, in denen ein messbarer Fortschritt in der Energieeffizienz bisher kaum erreicht oder staatlicherseits sogar massiv fehlgesteuert wurde, legten Baake und Resch konkrete Vorschläge vor.
Bei der energetischen Gebäudesanierung will die DUH das so genannte Mieter-Vermieter-Dilemma dadurch überwinden, dass ein Vermieter seinen Mietern in energetisch unsanierten Wohnungen nach einem Stichtag Heiz- und Warmwasserkosten nur noch in der Höhe eines gleichartigen sanierten Gebäudes in Rechnung stellen darf. So werde ein massiver Anreiz gesetzt, die Sanierungsrate im Häuserbestand massiv zu erhöhen. Die Kennzeichnung in Energieeffizienzklassen soll künftig für alle Energie verbrauchenden Geräte bis hin zu Pkw nach der für große Haushaltsgeräte ("weiße Ware") eingeführten farbigen Effizienzklassen-Balkendarstellung verbindlich werden. Gleichzeitig sollen sich die Effizienzklassen in regelmäßigen Abständen am jeweils besten verfügbaren Produkt automatisch "kalibrieren". Zudem soll wie bei Kühlschränken bereits heute gültig ein automatisches Verkaufsverbot für Produkte erfolgen, die um mehr als drei Effizienzklassen abweichen. Die Effizienzeinstufung von Pkw soll sich künftig an der Grundfläche der Fahrzeuge orientieren, wie dies seit Jahren von der zuständigen Fachbehörde, dem Umweltbundesamt und den Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden gefordert wird. Gegenüber dem SUV- freundlichen Tiefensee-Vorschlag einer Orientierung an der möglichen Zuladung führt der Flächenbezug ("shadow") am wenigsten zu möglichen Ausweichreaktionen der Autobauer. Die Orientierung an der Fahrzeugfläche soll sowohl für die Energiekennzeichnung in Effizienzklassen gelten als auch für die Festlegung von verbindlich einzuhaltenden Höchstverbräuchen beim Kraftstoffverbrauch bzw. CO2-Ausstoß. Die Mindeststandards dienen gleichzeitig als Grundlage für Förderungen oder Strafsteuern in künftigen Bonus-Malus-Regelungen. Darüber hinaus soll eine neue Generation von klimaverträglichen Autoklimaanlagen auf CO2-Basis ab 2011 die derzeitige klimaschädliche Technik ersetzen. Bundes- und Landesregierungen sollen endlich flächendeckend für die Überwachung der Energiekennzeichnung zuständige Behörden benennen statt es Umweltorganisationen wie der DUH zu überlassen, die Einhaltung von Gesetzen bei den Betroffenen einzufordern. Ziel ist es, das "Prinzip Energieintelligenz" überall zu verankern und Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage zu versetzen, energetisch bewusste Kaufentscheidungen zu treffen. Der Kraft-Wärmekopplung - also der kombinierten Erzeugung von Strom und Wärme in Kraftwerken, die so den CO2-Ausstoß gegenüber konventionellen Kondensationskraftwerken zur Stromerzeugung enorm senken - soll durch eine gesetzliche Anschlusspflicht zum Durchbruch verholfen werden, die 2010 in Kraft tritt. Eigentümer von Gebäuden, deren Heizungs- und Warmwasseranlagen andernfalls aus Alters- oder anderen Gründen erneuert werden müssten, werden stattdessen zum Anschluss an Wärmenetze verpflichtet. Bei den übrigen Gebäuden greift die Anschlusspflicht nach Ablauf der Amortisationszeit der bestehenden Heizungs- und Warmwasseranlagen. Städte und Gemeinden werden verpflichtet, solche Gebiete auszuweisen, die an Wärmenetze angeschlossen werden sollen.
Ausgangspunkt der DUH-Vorschläge für eine energieintelligente Wende in Deutschland war das im Rahmen des Klimagipfel-Prozesses von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Gutachten der Baseler Prognos AG und des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI). Die dort entwickelten drei Szenarien (Umsetzung "Koalitionsvertrag" der Großen Koalition, "Längere Laufzeiten von Atomkraftwerken" und "stärkerer Ausbau der erneuerbaren Energien") hatten als zentrales Ergebnis gezeigt, dass der Atomausstieg sehr wohl mit anspruchsvollen Klimazielen (40 Prozent CO2-Reduzierung bis 2020 gegenüber 1990) vereinbar ist. "Das setzt aber voraus, dass die Bundesregierung bei der Energieeffizienz endlich ihre Ankündigungen in Taten umsetzt", sagte Rainer Baake.
Das Gutachten für die Bundesregierung hatte ergeben, dass unter der Annahme, dass die CO2-Verschmutzungsrechte im Emissionshandel ab 2013 (dritte Kioto-Verpflichtungspe¬riode) nicht mehr kostenlos an die Unternehmen vergeben, sondern versteigert werden, alle drei Pfade das Klimaschutzziel erreichen. Prognos und EWI hatten darüber hinaus ermittelt, dass das Festhalten am Atomausstieg volkswirtschaftlich leicht günstiger ausfiele, als die von den Stromkonzernen und ihren Anhängern in Union und FDP geforderte Laufzeitverlängerung von Altreaktoren wie Brunsbüttel, Biblis A oder Neckarwestheim 1. Die Strompreise würden auf dem Atompfad 2020 nur unwesentlich niedriger ausfallen als auf dem Pfad, der mehr auf erneuerbare Energien setzt. Darüber hinaus würden unter den genannten Bedingungen in allen drei Szenarien ab 2013 keine neuen Braun- oder Steinkohlekraftwerke mehr gebaut. Trotz des massiven Ausbaus der vergleichsweise klimaverträglichen Stromerzeugung aus Erdgas würde sich die Abhängigkeit von Gasimporten insgesamt nicht erhöhen, weil gleichzeitig die energetische Sanierung von Gebäuden vorankäme und zu einer geringeren Gasnachfrage im Wärmemarkt führen würde.
Baake wies darauf hin, dass sich Deutschland auf das Szenario "stärkerer Ausbau der erneuerbaren Energien" einrichten müsse, weil es als einziges dem Beschluss des EU-Gipfels vom 9. März nahe komme, wonach der Primärenergieeinsatz der EU bis 2020 zu 20 Prozent aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden soll. "Bundeskanzlerin Merkel wird schon um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen für diesen Pfad streiten müssen, nachdem das EU-Ziel unter ihrem Ratsvorsitz erstritten wurde", sagte Baake.
Pressekontakt:
Für Rückfragen:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil: 0151 55 01 69 43, E-Mail: baake@duh.de
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Mobil: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, E-Mail:
resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Tel.: 030 258986-0, Fax: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577,
E-Mail: rosenkranz@duh.de
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