Computerschrott als Entwicklungshilfe - "Galileo" berichtet über einen der größten Umweltskandale unserer Zeit
München (ots)
"Greenpeace" hält es für verantwortungslos, für den Giftmüllexperten Andreas von Bernstorff ist es schlicht "verboten": Aus europäischen Industriestaaten wird Computerschrott nach Westafrika verschifft - und als Entwicklungshilfe deklariert. Unabhängig, unzensiert und exklusiv im deutschen TV berichtet das Wissensmagazin "Galileo" über den Computermüll-Skandal in Westafrika und seine Opfer - am Donnerstag, 9. April 2009, um 19.10 Uhr auf ProSieben.
Die Slums um die "Agbogbloshie"-Müllkippe in Accra, dem größten Elektroschrottplatz Westafrikas: Hier leben mehr als dreitausend Menschen - in großer Armut und unter schlimmsten hygienischen Bedingungen. Giftstoffe wie Blei, Kadmium und Quecksilber kommen in Konzentrationen vor, die die Normalwerte bis zu 100-fach übersteigen. Viele Slumbewohner leiden unter schweren Vergiftungserscheinungen. Martin Hojsik, Elektro-Schrott Experte von "Greenpeace-International", sagt dazu: "Wir haben auf dem Schrottmarkt in Accra, Ghana, Bodenproben genommen und darin viele Giftstoffe, unter anderem Phthalate, Blei und Dioxine, gefunden. Diese Giftstoffe kommen vor allem aus dem Elekotroschrott-Recycling, das vor Ort stattfindet. Die Ablagerung von giftigem Elektroschrott geht weiter, bis die Produzenten diese Giftstoffe aus den Geräten verbannen und die Verantwortung für die Geräte übernehmen, wenn diese Abfall geworden sind." 75 Prozent des Computermülls aus Europa und den USA werden als "Entwicklungshilfe" oder "Gebrauchtware" nach China, Indien und Westafrika verschifft. Mit dem Zerlegen von Computermüll verdienen viele Kinder und Jugendliche ihren Lebensunterhalt, so auch auf der "Agbogbloshie"-Müllkippe in Accra. Zwischen schwelenden Feuern und giftigen Pfützen nehmen sie abgewrackte PCs auseinander - mit Steinen oder ihren bloßen Händen - und verbrennen die Einzelteile. So kommen die "Schrott-Kids" an die begehrten Kupferdrähte, die sie für kleines Geld weiterverkaufen. Den Schrott müssen sie täglich neu beschaffen. "Wir gehen zwanzig Kilometer, um in der Stadt alte Geräte oder Metalle aufzutreiben - und das bei 40 Grad Hitze", erzählt der 19-Jährige Baba, der schon jahrelang hier lebt. "Dann verbrennen wir die Geräte auf der Müllkippe. Die Arbeit ist sehr hart. Wir atmen stundenlang den Rauch ein. Das brennt in Hals und Lunge. Manchmal tut mir alles weh: Beine, Kreuz, Arme, Hals, Lunge - einfach alles. Ich denke nicht, dass ich 40 Jahre alt werde." Ein bis zwei Euro pro Tag bekommt Baba für das gewonnene Metall. Iddrisu Shayabu war einer der ersten, die auf der "Agbogbloshie"-Müllkippe nach Kupfer suchten. Heute hat er dort das Sagen. "Als wir anfingen, waren wir 15 Leute", erzählt der 57-Jährige. "Jetzt leben hier über 3000 Menschen." Das Metall, das auf der Müllkippe gewonnen wird, verkauft Iddrisu Shayabu an Firmen in Accra. Doch das Geschäft läuft immer schlechter. "Die großen Unternehmen diktieren die Preise", erklärt er. "Früher bekamen wir für eine Tonne Schrott etwa 450 GHC, heute sind es nur noch 250 GHC. Davon kann man nicht leben."* Emmanuel Dogbevi kämpft seit Jahren gegen den Computerschrott-Skandal im eigenen Land. "Die Menschen hier haben keine Ahnung, wie gefährlich ihre Arbeit ist", erklärt der Umweltaktivist. "Die Gifte, die beim Auseinanderbauen entstehen, verursachen Krebs und schädigen den Fötus bei Schwangeren. Viele Babys kommen deshalb behindert zur Welt. Aber woher sollen die Leute das wissen? Sie versuchen nur zu arbeiten - und zu überleben."
*(250 GHC entsprechen 152 Euro, Anm. d. R.).
"Galileo" berichtet vor Ort über den Computermüllskandal in Ghana - zu sehen am Donnerstag, 9. April 2009 um 19.10 Uhr auf ProSieben.
Hintergrund:
Nur 25 Prozent der in der EU verkauften Rechner werden auch in den EU-Ländern entsorgt - obwohl das Gesetz das für 100 Prozent dieser Waren vorschreibt. Die restlichen 75 Prozent sowie Tonnen von PC-Müll aus den USA landen in China, Indien und Afrika. "Dieses Vorgehen ist gleich drei Mal verboten. Es verstößt gegen die Konvention von Bamako, das Lomé IV-Handelsabkommen der Afrikaner mit der EU und die globale Basler Giftmüllkonvention", erklärt Giftmüllexperte Andreas von Bernstorff, der jahrelang bei Greenpeace arbeitete.
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