Der Tagesspiegel: Politikwissenschaftler Leggewie zur Klausurtagung in Meseberg: Nicht jedes Treffen zum Gipfel aufmotzen
Berlin (ots)
Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie hat vor überzogenen Erwartungen an die am Donnerstag beginnende Kabinettsklausur in Meseberg gewarnt. "Das ist doch höchstens ein Gipfelchen, und das Beste wäre, wir hörten erst mal gar nicht viel davon, was dabei herauskommt. Denn eine Klausur soll schwierige und kontroverse Materien gründlicher und ohne unmittelbaren Entscheidungsdruck bearbeiten", sagte Leggewie im Gespräch mit dem Berliner Tagesspiegel am Mittwoch. Beim Publikum machten sich angesichts der Inflation von Gipfelereignissen und ihrer totalen medialen Überfrachtung zunehmend Zweifel bemerkbar, was den Teilnehmern nicht gleichgültig sein könne. Er rate den Politikern: "Weniger ist mehr. Man muss, man darf nicht jedes Treffen zum Gipfel aufmotzen. Soll es ein Erfolg sein, muss die Marke "Gipfel" bewahrt werden: Es muss ein wirkliches Ereignis sein, etwas Echtes, Exklusives und Exquisites." Zur Rolle der Proteste bei politischen Großereignissen sagte der Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, "man darf behaupten, dass die Proteste Gipfeltreffen wieder attraktiv gemacht haben. Wenn die Demonstranten draußen stehen, sind sie drinnen auch in den Köpfen der Teilnehmer - die Proteste sind keineswegs egal, sie gehen nicht spurlos an denen vorbei. Und es ist erstaunlich, wie die Spitzenpolitiker sich darauf doch jedenfalls rhetorisch einstellen. Denken Sie an Merkels Ansprache am Zaun in Heiligendamm, als sie die Globalisierungsgegner nicht etwa als Chaoten beschimpfte, sondern ihnen sagte: Ich verstehe, was ihr wollt, es ist vernünftig, gut, dass ihr hier seid. - Ein erstaunlicher Vorgang." Prägendes Kennzeichen Merkel'scher Gipfelinszenierungen nannte Leggewie "ihre gelassene Freundlichkeit und Souveränität bei kristallklarer Zielverfolgung, wenn die Journalisten draußen sind." Das Problem an Gipfeltreffen sei, dass das Publikum "auf große Durchbrüche orientiert" sei: "Jetzt retten die Spitzen der Politik die Welt!" Aber Politik funktioniere anders: "Inkremental, das heißt, wir wurschteln uns von Kompromiss zu Kompromiss durch, und dilatorisch - was wir heute nicht lösen, verschieben wir auf später."
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