Pressestimmen: Pressestimmen: Interview mit Günter Grass zum 17. Juni
Berlin (ots)
Im Interview mit dem Tagesspiegel (Erscheinungstag: 15. Juni) äußert sich Literaturnobelpreisträger Günter Grass zum 17. Juni 1953: "Ich habe den Aufstand selbst miterlebt, da ist es klar, dass einen das Thema nicht loslässt. Bei mir hält auch der Ärger an, wie diese Seltenheit, ein deutscher Arbeiteraufstand, in Ost und West bewusst verfälscht wurde. Wie er unter falschen Vorzeichen im Westen gefeiert, wie er in der DDR weitgehend verschwiegen wurde. Wir müssen zu den Fakten zurückkehren und nicht den Schwindel der 'Volkserhebung' aufleben lassen." Der 9. November 1989 hätte eine "Erfüllung von 1953 sein können", sagte Grass, der 1966 das Theaterstück "Die Plebejer proben den Aufstand" über den 17. Juni verfasste, "wenn nicht die Wiedervereinigung so gelaufen wäre, wie sie verlief." "Aus einer großen Möglichkeit", so Grass, "ist ein großer Pfusch entstanden mit Fehlern, die nicht mehr zu revidieren sind." Auf die Frage, ob der 17. Juni, der in der alten Bundesrepublik als "Tag der deutschen Einheit" gefeiert wurde, gegenüber dem 3. Oktober, nicht der geeignetere Nationalfeiertag sei, antwortete Grass: "Ich habe nie verstanden, dass man den Tag abgeschafft hat. Aber ich konnte es auch nicht bedauern, weil überhaupt nichts mehr dahinter stand. Da müsste schon in unserem Bewusstsein, in Ost wie West, eine Revision stattfinden. Da müsste man diskutieren, was an der Einheit schiefgelaufen ist. Und dazu sehe ich keinen Ansatz."
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel
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