Der Tagesspiegel: Katrin Göring-Eckardt kritisiert die Positionen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zum Embryonenschutz
Berlin (ots)
In einem Beitrag für den Tagesspiegel kritisiert die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Katrin Göring-Eckardt die Positionen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zum Embryonenschutz. Göring-Eckardt wendet sich dabei deutlich gegen die von Zypries vorgetragenene Position, wonach Menschenwürde erst dem Embryo im Mutterleib zustehe. Die Gleichzeitigkeit von Lebensbeginn und der Würde als Mensch bleibe die einzige Möglichkeit, nicht beliebig zu werden.
In der Folge finden Sie den kompletten Beitrag:
Brigitte Zypries hat eine Debatte wiedereröffnet, die auch mit dem Bundestagsbeschluss vom Januar 2002 nicht abgeschlossen war. Dennoch, es hatte eine Ent-scheidung gegeben. Das Parlament hatte sich insbesondere mit der Frage beschäftigt, wann die Menschenwürde beginnt und daraus Schlüsse gezogen. Ist es wirklich nötig, schon wieder neu zu diskutieren, infrage zu stellen? Es ist jedenfalls legitim. Die Grundsatzfrage über den Beginn des menschlichen Lebens und dem, was diesem Leben zugeschrieben wird, fand zum Glück nicht statt, ohne immer wieder abzuwägen, welche Möglichkeiten eröffnet, welche Risiken eingegangen werden, wenn man diese oder jene Auslegung unserer Verfassung vornimmt. Die vordringliche Frage nach der besseren Hilfe bei Krankheiten war den einen kein vorgescho-benes Argument, von den anderen wurde sie nie leichtfertig vom Tisch gewischt. Was kann wichtiger sein, als menschliches Leid wenigstens zu mildern? Aber auch die Chancen des Forschungsstandorts Deutschland sind nicht einfach für irrelevant zu erklären. Innovationen in Forschung, in Bildung und Industrie sind un-verzichtbar für ein Land, das wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen will. Es drängt sich auf, den Gesundheitsbereich dabei ins Zentrum zu rücken, der derzeit einzige Wachstumssektor, ein nahezu unbegrenztes Feld, um Neues und Nützliches zu entwickeln. Gerade deswegen fand die Stammzellforschung Befürworter. Neues ist immer mit Risiken verbunden, und ohne sie einzugehen, kann nichts ent-stehen. Und dennoch: Wenn wir über unsere Verfassung sprechen und das Gebot der Men-schenwürde, so ist das nichts, was solchen normalen Abwägungsprozessen und politischem Pragmatismus unterworfen sein kann. Es geht hier um die Grundfrage unserer Werteordnung, und um das Menschenbild, von dem wir uns leiten lassen das Menschsein überhaupt. Wann ist der Mensch ein Mensch? Der Bundestag hat sich für das einzig klare Kriterium entschieden die Verschmelzung von Eizelle und Samenzelle. Jeder Versuch, diese Grenze zu verschieben, birgt die Gefahr der Beliebigkeit. Daher fragt Brigitte Zypries auch nicht, wann das Leben beginnt, sondern ab wann ihm Menschenwürde zukommt. Sie unterscheidet zwischen Embryonen im Rea-genzglas und im Mutterleib und möchte Menschenwürde nur letzteren zusprechen. Denn dies setze die Möglichkeit der Eigenverantwortung und der selbstbestimmten Lebensgestaltung voraus. Aber was ist mit Wachkoma-Patienten, Schwerstbehinderten, Altersdementen? Und wenn es hier explizit um Embryonen geht: Wollen wir wirklich Embryonen erster und zweiter Klasse? Wer grundsätzlich bei der Einheit von Beginn des Lebens und Beginn der Menschenwürde bleiben will, wird sich die Frage gefallen lassen müssen, wie es um das Leben in Würde derer bestellt ist, denen die Forschung ein besseres, ein gesünde-res Leben bereiten könnte. Das gilt auch, wenn unterstellt wird, dass es genügend und Erfolg versprechende andere Forschungsmöglichkeiten gibt. Die Gleichzeitigkeit von Lebensbeginn und der Würde als Mensch bleibt die einzige Möglichkeit, nicht beliebig zu werden. Wenn wir bei der wohl wichtigsten Frage unserer Verfassung Ermessensspielraum gewähren, dann hieße das, den Begriff Mensch einmal so und einmal so zu deuten. Wer über die Verschiebung dieser Grenze spricht, muss auch sagen, wer die Autorität hat, die Grenze zu definieren. Es gibt nach meiner Auffassung keine solche Autorität, keine menschliche, keine staatliche, auch keine religiöse, die Menschenwürde zu- oder aberkennen kann. Sie kann auch nicht mit den Interessen Dritter abgewogen werden, weder von Eltern, noch der Forschung, noch derer, die sich Hilfe und Heilung versprechen, noch der des Staates. Der Mensch ist Mensch weil er lebt.
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